Ein Song muss durch die gesamte HÄMATOM-Ohrenprüfung

Interview mit Gitarrist Ost von HÄMATOM
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Lautstark Promo

HÄMATOM sind bekannt für klare Aussagen zur Lage der Welt, aber auch für rhythmische Songs und schlaue Texte. Zusammen mit In Extremo sollte die Band aus Deutschland am 20. Oktober in Zürich auftreten. Aber Sänger Nord wurde krank und musste ins Krankenhaus. Da selbstverständlich Gesundheit vorgeht, haben wir das geplante Interview nachgeholt und mit Gitarrist Ost per Mail kommuniziert. In erster Linie wollten wir wissen, wie es Nord geht. Dann war das aktuelle Album «Wir sind Gott» und die Arbeit daran ein Thema und Social Media war ein Thema. 

 

Unser Interview hätte beim Konzert mit In Extremo in Zürich stattfinden sollen. Leider wurde Nord krank. Wie geht es ihm inzwischen?

Ja, das bedauern wir sehr. Hatten uns total auf die Show in Zürich gefreut, doch Gesundheit geht nun mal vor, egal wie ärgerlich es ist. Vor allem mit dem Wissen, dass wir kurz darauf mit unserer Headliner-Tour starten wollten, hatten wir einfach keine andere Wahl. NORD ist aber wieder auf dem Damm und kann bei den Shows Vollgas geben.

 

Was empfindet man als Band, wenn man Konzerte absagen muss? Auch wenn eure Fans vollstes Verständnis dafür hatten, waren sie schon enttäuscht.

Natürlich, das verstehen wir. Aber was sollen wir machen? Wenn der Sänger der Band mit einem Virus ins Krankenhaus eingeliefert wird, dann kannst Du Dich auf den Kopf stellen und wirst die Show trotzdem nicht spielen können. Geärgert hat es mich vor allem, weil die Tour mit In Extremo mit das Schönste war, was wir an Rutschen erlebt haben. Geile Jungs, geile Crew, geile Fans. 

Ihr scheint in den Texten die Welt stark zu reflektieren. Plattitüden findet man kaum. Wie wichtig ist euch dieser Faktor?Sehr wichtig. Wir sind eine sehr sozialkritische Band die sich mit allem auseinandersetzt, was sie so umgibt. Und dabei entstehen zwangsläufig sehr viele Texte die unsere Gesellschaft thematisieren. Dass man dabei mit seiner «eigenen» Sprache arbeitet und im besten Fall daraus eine Art «Markenzeichen» entwickelt war immer unser Ziel.

 

Wie entstehen eure Texte? Wie wählt ihr die Themen für die Lyrics?

Wir wählen nicht aus. Wir versuchen, wie gesagt, einfach Augen und Ohren offen zu halten und alles aufsaugen, was uns so über den Weg läuft. Und wenn uns ein Thema stark genug auf dem Herzen brennt, entsteht daraus ein Text. Wichtig ist uns dabei, dass wir uns nicht wiederholen, sondern die Themen, vor allem sprachlich, immer etwas anders verpacken.  

Eben ist das neue Album «Wir sind Gott» erschienen und man merkt beim Hören: ihr seid eine Band, die kein Blatt vor den Mund nimmt. «Offline» beispielsweise plädiert für eine Welt jenseits von Social Media. Als ihr 2004 die Band gegründet habt, war von einer Dimension wie sie Facebook heute hat, nichts zu spüren. Wie habt ihr das Wachsen von Social Media Plattformen erlebt?

 

Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Wir verteufeln die sozialen Netzwerke nicht. Uns geht es ja hier nicht anders wie vielen anderen. Wir hängen auch viel zu oft und zu lange vor den blauen Bildschirmen. Es geht halt immer um ein gesundes Maß. Die «neue» digitale Welt bringt auch sehr viel Vorteile mit, doch die Welt um uns herum, quasi die unplugged-Welt, ist auch voll mit interessanten Dingen. Und um auf deine Frage zurück zu kommen. Es ist schon wirklich Wahnsinn, was sich in den letzten paar Jahren getan hat und ich bin mir sicher, dass wir noch lange nicht am Ende sind.  

Wichtiger scheint mir aber «I Have A Dream». Der Song steht für eine klare Linie der Band. Ihr bezieht klar Stellung gegen Rechts. Wie wichtig ist es euch, mit euren Songs aufzurütteln?

 

Also bei diesem Song geht es weniger um das Aufrütteln, als um ein deutliches Statement, dass die Richtung die gerade viele in Deutschland und Europa einschlagen, einfach falsch ist. Ich habe teilweise das Gefühl, dass es mittlerweile bei vielen zum «guten Ton» gehört, rechte Tendenzen zu äußern. Nach dem Motto: «Das wird man ja wohl noch sagen dürfen». Bullshit! Klar, man kann und muss alles sagen, aber nicht mit diesem beschissenen Zusatz und vor allem nicht gegen Leute hetzen, NUR weil sie aus einem anderen Land kommen.  Im Grunde genommen ist es doch ganz einfach: Ein Guter ist ein Guter und ein Arschloch ist ein Arschloch. Egal welchen Reisepass er besitzt.

 

Ist die Musik bzw. die Texte eine Art Ventil für euch, um Emotionen, vielleicht auch Frust über Entwicklungen um euch herum, rauszulassen?

 

Natürlich. Es gibt wenig andere Gründe, warum man Musik macht und vor allem warum wir sie mit deutscher Sprache veredeln. Es ist einfach die ultimative Möglichkeit das rauszulassen was dir so richtig auf den Sack geht.  

Wie lange habt ihr am Album «Wir sind Gott» gearbeitet? Wie entsteht ein Album bei Hämatom? Schreibt ihr gemeinsam?

 

Also vom ersten Ton bis zur fertigen CD sind bestimmt 12 Monate vergangen. Das war schon eine sehr intensive Produktion mit vielen guten und vielen schlechten Ideen. Mit viel kreativen Outputs und mit einer sehr geilen Zusammenarbeit mit Kohle, der das Album produziert hat. Geschrieben habe ich bei diesem Album die meisten Songs, auch wenn ein Liedvorschlag niemals 1:1 so übernommen wird, sondern immer durch die gesamte HÄMATOM-Ohrenprüfung muss, bevor er auf dem Album landet.  

Jetzt seid ihr aktuell auf Tour. Habt ihr schon Pläne für 2017?

Tatsächlich noch nicht viele. Es gibt zwar jetzt schon die Zusatzshows der «WIR SIND GOTT»-Rutsche, auf die wir uns sehr freuen und schon einige sehr schöne Festivals für den Sommer, aber danach ist alles offen. Wir konzentrieren uns gerade zu 100% auf die WSG-Tour, die mächtig Spaß macht. 

Vielen Dank, dass wir das Interview auf diesem Weg doch noch machen konnten. 

 

Danke dir. 

(Das Interview wurde schriftlich geführt)

 

HÄMATOM - «Wenn der Hammer fällt» feat. Basstard

 

 - HÄMATOM spielen am 10. November im Gaskessel in Bern. 

- Tickets gibt es hier: HÄMTOM-Show

- Informationen zur Band gibt es auf der HÄMATOM-Website

 

 

Patrick Holenstein / Mi, 02. Nov 2016