Xiu Xiu im Gaswerk

Konzertkritik: Xiu Xiu im Gaswerk

Der Abend versprach vieles: zum einen die Gelegenheit, Xiu Xiu mal in unseren Gefilden live zu erleben, zum anderen dem Schweizer DIY-DJ Strotter und seinen bearbeiteten Turntables zu lauschen. 

 

Derselbe beginnt sein Support-Set auf einem Tisch vor der eigentlichen Bühne. Nach und nach kommen die Leute aus dem Vorraum in den höhlenartigen Konzertkeller des Gaswerks, um Strotter bei seinem Handwerk zu bestaunen. Es wummert, wabert und rauscht aus den Lautsprechern, der DJ selber beugt sich über sein Tisch voller Plattenspieler, die Zuhörer starren gebannt auf den diffus belichteten Mann, die ganze Szenerie erinnert ein bisschen an eine Opferzeremonie. Nur dass anstatt organische Gegenstände totes Vinyl geopfert wird. Platten werden ausgewechselt, Rauschen wechselt sich mit Bruchstücken aus anderen Platten ab, ein Gesamtkunstwerk, entstehend im Moment und niemals gleich. Bald wird die Musik langsamer, Strotter zieht den weissen Doktorkittel aus, bedankt sich und verlässt den Operationstisch unter lautem Klatschen der zirka 30 anwesenden Personen. 

 

Für die Pause leert sich der schummrige Raum schnell, ein paar leise Gespräche werden an der Bar oder vor dem Merch-Stand geführt, begleitet von einem Bier oder regionalem Rotwein. 

 

Ungefähr um 10 Uhr betreten die Musiker von Xiu Xiu die Bühne und beginnen mit ihrem Set. James Stewart ist deutlich der Fadenzieher hinter der Musik, für jede Tour sammelt er aber neue Mitmusiker um sich, sodass diese immer in einem anderen Klanggewand daherkommt. Die anwesenden zusätzlichen Bühnenmusiker können grob in die Kategorien “Bass” und “Drummer” eingeordnet werden, dies aber nur aufgrund ihres sichtbaren Instruments. Die daraus erzeugten Klänge erinnern oft im entferntesten an das Instrument. Dies ist manchmal spannend, manchmal aber auch nervenzehrend, da es oft scheppert und sehr schrill tönt. Beim Song „Scisssssssors“ verwendet James Stewart sogar eine Schere (Erinnerungen an die Scherenspielerin von Liam Gallagher kommen auf), um damit ein sich wiederholendes, rhythmisches Pattern zu spielen. Dabei zuckt der Mann wie von einem Dämon besessen, einzelne Zuhörer lassen sich von der Zeremonie mitreissen und kopieren ihn mit wild zuckenden Gliedmassen. Eine schaurig schöne Ansicht. Die Setlist ist sehr durchmischt, fast alle bisher erschienenen Alben werden berücksichtigt, allen voran aber das aktuelle, «Girl With Basket of Fruit». 

 

Man mag es der Band nicht ganz gönnen, dass sie in einem eher abgelegenen Kellerverlies spielen «mussten». Trotzdem, oder vielleicht gar deswegen war das anwesende Publikum sehr empfänglich für das dargebotene und man wusste sich deutlich als Teil einer gemeinsamen Bewegung. Einer Bewegung, die viele in ihre Tiefen zog, allen voran der Zeremonienmeister James Stewart. 

 

David Schaufelberger / Mo, 25. Mär 2019