Evanescence rockten die Maag Halle
Evanescence machten Halt in Zürich. Auch wenn das Konzert nicht ausverkauft war, tat das der Stimmung keinen Abbruch. Für Überraschung sorgten die vier Jungs rund um Amy Lee, als sie The Beauty of Gemina kurzfristig als Support-Band beauftragten - ursprünglich war kein Vorgruppe geplant.
The Beauty of Gemina sind die Dark-Rocker rund um Gründer und Musik-Multitalent Michael Sele. Ihre Musik ist von Synth Rock über Metal bis hin zu Einflüssen aus dem Techno- und Trance-Bereich geprägt. Die 2006 gegründete Band fällt besonders durch das extravagante Erscheinungsbild von Leadsänger Michael Sele auf. Mit seiner schneeweissen Haarpracht erinnert er an Dr. Emmett L. «Doc» Brown dem Genie aus der Science-Fiction-Film-Triologie «Zurück in die Zukunft». Seles verrückte und aparte Erscheinung ist so individuell wie seine Musik.
Kreischende Gitarren und hämmernde Drums begleitet von der tiefen, rauchigen Stimme von Michael Sele, liessen eine dunkel-mystische Stimmung entstehen, die durch ausgeklügelte Lichttechnik nochmals unterstrichen wurde. Die Songtexte von The Beauty of Gemina beschäftigen sich mit den harten Themen des Lebens: Selbstmord, Depression, Einsamkeit und Liebeskummer. Die Lyrics lassen den Hörer in eine Art Trance verfallen, da sich Song-Passagen oft wiederholen und so ein musikalisches Mantra entstehen lassen. Kommendes Wochenende werden sie auch am Greenfield Festival Interlaken zu hören sein.
Amy Lee und Band experimentieren gern
Nach sechs Jahren Pause sind Evanescence wieder zurück: «Evanescence» heisst dann auch ihre neuste Platte. Die Band hat bis dato zwei Alben veröffentlicht, die sich mehr als 24 Millionen mal verkauften. Frontsängerin, Songwriterin und Pianistin Amy Lee hat in den letzten Jahren nichts unversucht gelassen und sich privat wie auch musikalisch Neuem gewidmet. So fand sie Inspiration in der Malerei und erlernte die Kunst des Harfespielens. In Nick Raskulinecz fand sie einen hochkarätigen Produzent und Rock-Spezialisten, der schon mit Bands wie Foo Fighters, Stone Sour und Alice In Chains zusammen arbeitete.
Evanescence liessen am Konzertabend nicht lange auf sich warten. Nicht wie erwartet im Gothic-Kleid sondern im schlichten Schwarzen betrat Amy Lee gemeinsam mit ihren vier Bandkollegen Gitarrist Terry Balsamo, Bassist Tim McCord, Schlagzeuger Will Hunt und Gitarrist Troy McLawhorn die Bühne. Mit 14 Songs und zwei Zugaben rockten Evanescence knapp eineinhalb Stunden die Halle. Sie präsentierten eine bunte Mischung aus Altbekanntem und Neuem.
Ob mit «Going Under» von ihrem letzen Album «The Open Door» oder mit «The Change», einem Song ihrer neusten Platte, sorgten sie für Jubelschreie. Zwischen den Songs bedankte sich Amy auch im Namen ihrer Band bei den Fans, die es möglich gemacht haben, dass Evanescence für einen Gig in Zürich Halt machen konnten.
Die Queen des Gothic-Rock versetzte ihr Publikum in Ekstase
Die melodisch ergreifende Stimme der Frontsängerin ging durch Mark und Bein und brachte die Menge ins Schwitzen. Amy Lee machte ihrem Ruf als unangefochtene Queen des Gothic-Rock alle Ehre. Die Band verstand es, die sanfte, gerade zu flehende Stimme von Amy Lee mit den rasenden Gitarrenriffs und donnernden Drums zu verbinden. Ob mit zarten Alternativ-Rock-Klängen oder derbem Gothic-Rock, Evanescence wussten das Publikum in Ekstase zu versetzen.
Leider ging das gesangliche Können der Queen of Gothic-Rock durch die starke Präsenz der Instrumente unter. Ein Fauxpas - hervorgerufen durch Fehleinstellung der Technik. So schien Amy Lee gesanglich immerzu gegen Drums, Gitarre und Bass anzukämpfen, deren Sound ihre melancholische Stimme zeitweise nahezu erstickte. Das Gänsehaut-Feeling stellte sich deshalb fast nur bei den musikalischen Dauerbrennern wie «Lithium» oder «Call Me When You’re Sober» ein - beide Songs vom Album «The Open Door».
Ganz zum Schluss leerte sich die Halle abrupt
Im Rhythmus klatschend stimmte die Menge «Whisper» von der 2003 veröffentlichten Platte «Fallen» an. Der absolute Evanescence-Klassiker durfte nicht fehlen. Als die ersten Takte von «Bring Me To Life» erklangen, war das Publikum ausser sich. Ob nun mitgesungen, gebrüllt, gekreischt oder nur gesummt – ganz bestimmt war dieser Song die Hymne des Abends. Angeheizt, begeistert und elektrisiert von der Stimmung verlangten die Zuhörer nach einer Zugabe, die nach kurzem Warten kam.
Evanescence verabschiedeten sich mit zwei weiteren Songs, unter anderem mit der Gothic-Ballade «My Immortal». Schon bei den ersten Pianoklängen legte sich eine fast unheimliche Stille über die Maag Halle. Dann schossen Feuerzeuge in die Luft und die Stille wurde durch Amy Lees gefühlvolle Stimme durchbrochen. Jeder einzelne schien das Lied über Verlust, Liebe und Schmerz mitzusingen. Nach dem letzten Takt leerte sich die Halle abrupt.
Die gesangliche und instrumentale Leistung von Evanescence waren so brillant und phänomenal wie man sich das von ihnen gewohnt ist. Sie zeigten einmal mehr eine musikalische Symbiose aus der einzigartigen und unverwechselbaren Stimme von Amy Lee und dem richtigen Mix aus Alternativ-Rock, Klassik und Elektronica gepaart mit einer lyrischen Dosis aus emotionaler Verletzlichkeit, schmerzhaften Verlustschreien und der Sehnsucht nach Zuneigung.