Ikan Hyu – Die Haie in einer Welt voller Fische

Konzertkritik: Ikan Hyu im Salzhaus
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Pressebild / © Tatjana Ruegsegger

Am 10. November 2023 ist Ikan Hyus Debütalbum «❁ OASIS ❁» erschienen und acht Tage später luden sie zur entsprechenden Albumrelease-Show im Salzhaus Winterthur ein. Das Salzhaus war bereits beim Support-Act Social Jetlag gut gefüllt – die Mädels von Ikan Hyu konnten sich also auf eine Show mit einer ganzen Menge Leute freuen.

 

Diese Menge Leute freute sich nämlich auch, als die Bühne in Dunkelheit getaucht wurde und nur noch die Zick-Zack-LED-Stripes am vorderen Bühnenrand leuchteten. Tosender Applaus, Blicke zur Bühne und innert wenigen Sekunden standen Ikan Hyu für die nächsten 90 Minuten im Rampenlicht. Sie eröffneten die Show mit dem Song «x POW ! x» und starteten gleich mit 100 % spür- und sichtbarer Hingabe, Leidenschaft und ihrer unverkennbaren Abgespacetheit. Die Leute tanzten ungehemmt mit, teilweise mit geschlossenen Augen, und liessen sich von den beiden Mädels in einen energiegeladenen Konzertabend entführen.

 

Anisa und Hannah blickten während ihrer Performance immer wieder mal ins Publikum und ein Lächeln huschte einige Male über ihre Gesichter, wenn sie in die motivierte Menge schauten. «Wie geht es euch?», fragte Hannah nach dem Stück und erhielt Geklatsche und Rufe aus dem Publikum als Antwort. «Ich bin noch ein bisschen nervöser, als vorher», meinte Anisa aber Hannah lachte und meinte: «Ich jetzt nicht mehr». Das Publikum lachte mit ihr und ihre Mimik wurde wieder ernst, denn es lag ja noch einiges an Showtime vor ihnen.

 

Freie Hand, freier Fuss = Octopus

 

«I see you with my eyes shut» erklang es und Begeisterung erfüllte den Saal, als das Stück «flying V» erkannt wurde. Trotz dem ständigen Mitsingen eines Grossteils der Menge, liess das Duo mindesten genauso viele Leute, sprachlos werden. Was Ikan Hyu auf dieser Bühne leistet, ist ihnen hoch anzurechnen. Ein bisschen Samples, Loops und Effektgeräte und sicher kein definierbares Musikgenre – genau ihr Ding. Ihr musikalisches Talent beeindruckt von A bis Z und dass sie zu Zweit den Sound einer ganzen Band erschaffen können, ist faszinierend und unglaublich zu gleich. Sie rappen, sie röhren, sie singen und jumpen. Ihre Art von Musizieren nennen sie «den Octopus-Style»; Anisa meistens mit der Flying V auf der einen Seite und Hannah mit ihrem halb elektronischen, halb-akustischen Drumset auf der anderen Seite. Der Bass-Synth zwischen ihnen wird abwechselnd gespielt – wer halt grade noch eine Hand - oder in Hannahs Fall einen Fuss - frei hat, komplettiert den Octopus-Style.

 

Mit dem Octopus-Style tauchte das Salzhaus tiefer in das Haifischbecken der Band und liess sich von den Wellen des neuen Albums mitreissen. Ikan Hyu ist übrigens Indonesisch – Anisas zweite Heimat – und bedeutet «Haifisch».

 

Einmal alles, ohne Pause

 

Nach gut 40 Minuten spielten die jungen Frauen einen älteren Song. «Uns gibt es ja doch schon ein bisschen länger – etwa 7 Jahre», meinte Anisa dazu. Die Bühne wurde in blaues Licht getaucht und diverse LED-Zacken links, rechts, vorne und hinten, leuchteten abwechselnd auf. Ein grosses Auge im Hintergrund der beiden Musikerinnen machte das Bühnenbild komplett.

 

Ein nächster Song, «run», haben die beiden selbst produziert, worauf sie besonders stolz sind und zurecht: die Leute lieben es. Das Publikum liebte aber nicht nur diesen einen Song, sondern offensichtlich das komplette Set von Ikan Hyu. Im Saal hatte sich eine Leichtigkeit breit gemacht, eine Unbeschwertheit, eine gemeinsame Begeisterung für die Künstlerinnen auf der Bühne.

 

Kurz darauf wurde es für einen Augenblick dunkel, die beiden tauschten ihre Plätze auf der Bühne und weiter ging es mit einem Stück, in dem Hannah gleich ein beeindruckendes Gitarrensolo ablieferte. Alle gaben alles, alle hatten Spass, alle waren dabei.

 

Das verkündeten auch Ikan Hyu kurz darauf in ihrer Danksagung. Es seien so viele Leute am Entstehen des «OASIS»-Albums beteiligt, die Liste sei zu lange, um alle beim Namen zu nennen. Die wichtigsten involvierten Leute nannten sie dann doch noch, denn was wäre eine Albumrelease-Show ohne namentliche Danksagung?

 

Nach dem Dank folgte eine Ballade und nach der Ballade verabschiedete sich das Duo: Hannah verliess nach links die Bühne und Anisa winkte vom rechten Rand ins Publikum. So wurden sie unter Geklatsche, Jubeln und lauten «Ikan Hyu»-Rufen verabschiedet und kurze Zeit später in neuen Outfits wieder auf der Bühne zu einer Zugabe begrüsst.

 

I don’t go anywhere without my Walkie Talkie

 

Mit dem Walkie Talkie um den Hals spielten sie den gleichnamigen Song und setzten zum Schluss des Abends ihren berüchtigten Fischkopf auf. Ein selbstdesignter Kopfschmuck, der an einem Ikan Hyu-Konzert nicht fehlen darf. Mit strahlenden Gesichtern fielen sich die beiden nach der Performance in die Arme, lachten und winkten ins Publikum und waren gerührt von der vielen Liebe, die sie zurückerhielten. Man wollte sie nicht gehen lassen und das zurecht. Welch Leistung von einer Zwei-Frau-Band, die einfach ihren Weg so geht, wie es sich für sie richtig anfühlt.

 

Ikan Hyu - vergleichbar mit einem Weissen Hai: «Sie sind Einzelgänger, oder ziehen paarweise umher, können sich aber auch zeitweise zu grösseren Gruppen zusammenschliessen.» Die Zwei-Frau-Band versteht sich blind. Sie sind laut, sie harmonieren, sie glänzen und explodieren. Und wenn man möchte, heissen sie jede und jeden in ihrem Revier willkommen. Ein Sprung ins Wasser, der sich lohnt.

 

Rahel Inauen / Mo, 20. Nov 2023