Coco Rosie und ihre Wunderländer

Konzertkritik: Coco Rosie im Kaufleuten
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Bäckstage.ch / © Patrick Holenstein

Ein dünnes Seil ist über die Bühne gespannt, Mikrofone stehen einsam am Rand und Apparate kühlen sich langsam ab. Aber wichtiger als die optischen Überbleibsel des Abends sind die emotionalen, die Eindrücke und Bilder, die hippiesken Melodien und knatternden Folkweisen. Ja, Coco Rosie waren am Werk und sie haben Eindruck hinterlassen. 

 

Knapp zwei Stunden vorher ist das Seil mit Wäschestücken behängt. T-Shirts, Kleider und unidentifizierbare Stofffetzen streiten sich um den Platz. Sierra und Bianca Casady betreten die Bühne in langen, quergestreiften Pyjamas und starten direkt in die Show. Schon sehr früh ist deutlich, dass die Gegensätze in den Stimmen der beiden Frauen eine bestechende Mischung ergeben. Den schrägen Pas de deux, den die ausgebildete Sopranstimme von Sierra und der kindlich anmutende Gesang von Bianca ergeben, formt ein wunderschönes betörendes Zusammenspiel und trägt das Set problemlos. 

 

 

Klar, es ist ein Konzert, aber im Grunde funktionieren die beiden Schwestern die Bühne kurzerhand in ein Spielzimmer um. Sie schnappen sich laufend Kleider von der Wäscheleine und ziehen sich auf der Bühne immer wieder um. Dazu nutzen sie Utensilien wie Hüte, Schleier und sogar ein Clownskostüm. Lächerlich oder konstruiert wirkt das aber nicht. Im Gegenteil, Coco Rosie strahlen viel Authentizität aus. Aber, die Musik nehmen sie ernst. Egal ob die Schwestern Harfe spielen oder auf der Flöte blasen, ein Keyboard bedienen oder mit elektronischen Geräten hantieren. Auf der Bühne nehmen sie sich selbst nicht allzu ernst und strahlen viel Spielfreude aus. Und auch die herzliche Umarmung der Schwestern am Ende des Sets spricht dafür.

 

Unterstützt werden Coco Rosie von drei Tourmusikern, darunter TEZ, der als Beatboxer für Begeisterung sorgt. Aber auch er unterstreicht nur den Spieltrieb der bei Coco Rosie im Kaufleuten das Credo ist und sie passen alle perfekt in das im positivsten Sinn verschrobene Universum der beiden Schwestern. Als «Weird Folk» wird ihre Musik oft bezeichnet und weird ist das tatsächlich. Live zeigt sich, wo der Vergleich genährt wird. Da wird munter Stil mit Stil gemixt, Hip Hop mit Operngesang gepaart und als festes Fundament liegt der Folk drunter. Hippiesk, aber verrückt und irgendwie surreal, sogar märchenhaft. Und wenn das Licht im Saal schon angeht und die Band doch noch für eine letzte Zugabe auf der Bühne erscheint, hängt im Raum ein Dunst von tiefer gegenseitiger Leidenschaft. Die Zuschauer lieben Coco und Rosie liebt das Publikum. So beendet «Teen Angel» ein zuweilen melancholisches und sphärisches Konzert, das einen kleinen Einblick in die musikalischen Wunderländer von Coco Rosie gewährt hat. 

Patrick Holenstein / Di, 17. Sep 2013