An intimate Evening with Lucinda Williams

Konzertkritik: Lucinda Williams
Bildquelle: 
Bäckstage.ch / © Patrick Holenstein

Essentiell ist der Moment, in dem Lucinda Williams «Essence» anstimmt. Nicht, weil andere Stücke nicht funktioniert hätten, im Gegenteil, mit «Car Wheels On A Gravel Road» trifft die scheue Amerikanerin genauso ins Schwarze wie mit «I Look At The World» sowie den meisten anderen Stücken in der Setlist, ob neu oder alt, ob Cover oder selbstgeschrieben. «Essence» aber ist jener Song, mit dem Lucinda Williams auch über die Grenzen des Country hinaus bekannt wurde. Und das lässt sich leicht an der Reaktion der Leute und am Publikum im Kaufleuten selbst ablesen. Das setzt sich nämlich aus komplett unterschiedlichen Menschen zusammen. Vom Banker über das kleine Mädchen an der Hand der Mutter bis zum älteren Countryfan mit Rauschebart. Country und Folk als verbindendes Element, Lucinda Williams kann davon ein Lied singen.

 

Lucinda Williams zaubert ohne grosse Entourage und mit nur wenigen Instrumenten viel intimen Folk und Country ins Kaufleuten. 

 

Und das tut sie auch. Bei «Copenhagen», das sie nach dem Tod ihres langjährigen Managers geschrieben hat, scheint die raue und sandig kratzende Stimme zwar auf der Kippe zu stehen, sie bricht aber nie. Lucindas Stimme ist den ganzen Abend lang ihr Kapital. Die Frau mit der blonden Mähne kann sich sicher sein, dass die Stimme gefestigt bleibt. Williams ist aktuell als Trio unterwegs. Ein intimer Abend soll es sein. Neben ihr stehen nur Bassist David Sutton sowie Gitarrist Doug Pettibone auf der Bühne, die sie flankieren und sogar mit einer subversiven Pedal Steel Guitar tragen. Herrlich, wie gut das Trio harmoniert. Zwar würde ein Schlagzeug beziehungsweise etwas Perkussion deutlich mehr Dynamik bringen, aber nichtsdestotrotz fehlt musikalisch nichts, denn die Songs erreichen ihr Publikum. Und – für Zürich überhaupt nicht selbstverständlich – die Menschen sind bis in die letzte Reihe des Kaufleuten still und hören zu. Die vielseitigen Songs im Repertoire gehören auch eher in die Kategorie «Genusshören», aber von Lucinda Williams war genau das zu erwarten.

 

Gratulationen zum Geburtstag 

 

Die 60-jährige Amerikanerin begleitet sich ausschliesslich auf der Gitarre, für die ausufernden Soli ist Gitarrenmann Doug Pettibone zuständig. «Drunken Angel» sei für Leute wie Gram Parsons und Kurt Cobain, erklärte Lucinda und ein Zuschauer fragt seinen Kollegen genau in diesem Moment, ob wohl Lucinda nicht auch einen guten Schluck zum Essen hatte. Wahrscheinlich meint er damit das leichte Schlingern in ihrer Stimme. Ob er richtig liegt, sei mal dahingestellt, aber in diesem Song erinnert Lucindas Stimme durchaus ein wenig an eine torkelnde Mischung aus Janis Joplin und Linda Perry.

 

 

Während der ganzen Show kann Lucinda Williams (Bild 1) sich auf David Sutton (links, Bass) und Doug Pettibone (recht, Gitarre) verlassen. (Mit Maus über Bild fahren)

 

Während der Zugaben kündigt die Sängerin gar ein neues Album an und gibt mit «Something Wicked This Way Comes» gleich einen Vorgeschmack. Sie gratuliert der zwölfjährigen Louise zum Geburtstag und holt das sichtlich schüchterne Mädchen kurz auf die Bühne. Lucinda Williams zeigt sich volksnah und erzählt zwischen den Songs ausführliche Anekdoten oder bewundert den Klubsaal. Die Künstlerin aus Louisiana wird ihrem Ruf, zu den besten Songwriterinnen Amerikas zu gehören, auch in Zürich gerecht. Sie flirtet geschickt mit dem Blues, legt das Fundament jedoch gekonnt im Folk und Country. Sie covert Skip James, Bob Dylan und Linda Ronstadt und verwöhnt gemeinsam mit ihren Musikern während knapp zwei Stunden die Menschen im Kaufleuten mit Folk vom Feinsten. 

 

Patrick Holenstein / So, 09. Jun 2013