Abendliche Rockparade im Kinski

Konzertkritik: Morning Parade im Kinski
Bildquelle: 
http://www.morningparade.com/

Morning Parade – das ist bandgewordenes englisch-puritanisches Arbeitsethos, betont die einschlägige Presse immer wieder nachdrücklich. Dass sie damit so falsch nicht liegt, hat der Gig der Band am Freitag im Kinski bewiesen. Was die fünf Musiker auf der Bühne geleistet haben, das ist in der Tat harte und schweisstreibende Arbeit. Schon der erste Song «Shake the Cage», der auch das neue Album «Pure Adulterated Joy furios» eröffnet, wurde mit so viel Power und Enthusiasmus gespielt, dass schnell klar war: Die Band hat Lust auf diesen Auftritt, die geben heute Vollgas.

 

Eine Band mit Power…

 

Viel Körpereinsatz begleitete dann die lauten, spacigen Rockhymnen, die ganz klar die grosse Stärke von Morning Parade markieren. Die zwei ruhigeren Songs «Reality Dreams» und «Culture Vulture» hingegen trug Sänger Steve ausdrucksvoll und mit geschlossenen Augen vor. Songs einfach runter zu spielen, damit sie gespielt sind, das gibt es bei Morning Parade nicht. Vielmehr wollen die fünf jedem einzelnen gerecht werden. Eigentlich also ein Leichtes für das Publikum, es der Band gleichzutun und für anderthalb Stunden in die Musik einzutauchen, je nach Tempo die Haare fliegen zu lassen oder verträumt mit zu schaukeln, jedenfalls Spass zu haben. Besonders, weil Steve und Chad an der zweiten Gitarre, (der mit weissem Unterhemd, tätowierten Armen und wildem Vollbart die rockige Optik der ansonsten etwas gar britisch braven Band im Alleingang klarmachte), immer wieder zum Mitmachen animiert haben, die Leute aufforderten, näher an die Bühne zu rücken, zu tanzen oder mit zu klatschen.

 

…spielte für ein verhaltenes Publikum

 

Trotz dieses Animationsprogramms, das naturgemäss ein wenig gezwungen rüberkam und der schwummrig-lauschigen Atmosphäre im Kinski, wo man sich nicht nur der Deko, sondern auch der hohen Temperaturen wegen bisweilen in einem südchinesischen Opiumkeller meinte, hat das Zürcher Publikum Ewigkeiten gebraucht, um so richtig warm zu werden mit dieser Show. Die Chucks und die Lederstiefeletten blieben auf dem Parkett kleben, über ein bisschen Kopfnicken und in den Hüften wippen schien der Bewegungsdrang der Leute an diesem Abend nicht hinauszugehen. Das änderte sich mit dem Song «Pure Adulterated Joy», der endlich Leben in die Meute und die Tanzwut zumindest bei den Mutigeren direkt vor der Bühne zum Ausbruch brachte. Schade nur, dass Steve gleich darauf ankündigte, dass es das übliche von der Bühne runtersteigen, warten, bis die Menge langsam müde wird vom Klatschen und dann wieder raufklettern, um zwei Songs zu spielen, die von Beginn weg auf der Setlist standen, heute nicht geben würde. «We do it the postmodern way. I learnt that in Berlin. We just play the last two songs and that’s it.» Den grinsend geäusserten Nachsatz schien ausser mir und Steve aber niemand witzig zu finden. So oder so, nach zwei dynamisch vorgetragenen, kraftvollen Songs vom ersten Album war dann auch wirklich Schluss. Da halfen die «Zugabe»-Rufe derjenigen, die nicht zugehört hatten oder es einfach nicht fassen konnten auch nichts.

 

Reine getrübte Freude

 

Die Treppe Richtung Ausgang stieg man anschliessend mit zwiespältigen Gefühlen hoch. Eine solide Sache, sicher, Qualitätsarbeit eben. Aber da hätte auch noch mehr passieren können, die magischen Momente fehlten. Die hymnischen, durchaus stadiontauglichen Songs der Band setzen auf Gruppenmomente, auf ein Publikum, das mit eben so viel Begeisterung an die Sache geht wie die Band. Wenn das nicht hinhaut, wird’s schwierig. Dafür ist der Sound von Morning Parade einfach zu gradlinig, zu austauschbar, zu wenig abwechslungsreich. Die mangelnde Raffinesse wird mit der Energie der Band und der Zugänglichkeit der Songs wettgemacht, aber eben, so ganz klappt das nur, wenn sich alle drauf einlassen. «Pure Adulterated Joy» – nicht nur ein guter Album- und Songtitel, sondern auch eine gute Zusammenfassung für das Morning Parade Konzert im Kinski. 

Jasmin Camenzind / So, 05. Okt 2014