«Schwitzy» Passenger mit alten Songs und neuen Scherzen

Konzertkritik: Passenger im Volkshaus
Bildquelle: 
Bäckstage.ch

Es war Montag, 17. September 2018, ein warmer Spätsommerabend und der beste Zeitpunkt für ein Mike Rosenberg-Konzert. Passend zum Wetter stand herzerwärmende Musik mit auf dem Programm. Das wollte sich kaum jemand entgehen lassen und zu Recht bildeten sich am späten Nachmittag Schlangen vor der Location. Tatsächlich sind bereits zwei Jahre vergangen, seit der Brite das letzte Mal für eine Headline-Show in die Schweiz gekommen ist. Im November 2016 ist er in der Eishalle Deutweg in Winterthur aufgetreten, dieses Mal stand er im ausverkauften Zürcher Volkshaus. Besser bekannt als Passenger tourt er zurzeit wieder ohne Band, wo er das letzte Mal mit vierköpfiger Begleitung unterwegs war.

 

Geschichten eines Gingers

 

Um 20.17 Uhr betrat ein unscheinbarer Rotschopf mit Gitarre die Bühne im Volkshaus und stimmte sogleich den Song «Shelter» an. So eröffnete Chris Simmons für Passenger und präsentierte während gut 30 Minuten ein durchmischtes Set. Eines der Lieder verpackte seine Geschichte wie es für ihn war, als «Gingerhead» in England aufzuwachsen. Vor dem Song erklärte er, dass diese Zeit alles andere als amüsant gewesen sei und er deshalb diesen Song dazu geschrieben hatte. Ein anderes Stück «Deepest Wound» widmete er seinem Vater. Die Geschichte dahinter ging direkt ins Herz und das Publikum applaudierte bereits, als er die ersten Akkorde anschlug. Chris Simmons hat einen Stil, der die Lieder sehr oft gleich klingen liess. Hinter den Lyrics stehen jedoch interessante Geschichten, weshalb man ihm gerne zuhörte.

 

Eröffnet hat danach Passenger sein Konzert mit «Fairytales And Firesides» von einem seiner ältesten Alben, von «Divers And Submarines». Äusserst selten bis nie hat sich der Brite gewagt, ganz alte Songs zu spielen. Endlich tastete er sich an etwas Neues heran. Ebenfalls neu war der Song, den er einige Minuten später anstimmte: «Hell Or High Water», der auf seinem im Juli erschienen Album «Runaway» zu finden ist. Hätte man das nicht gewusst, würde man wohl nicht denken, dass dies ein Lied ist, welches erst gerade erschienen ist, denn im Volkshaus wurde mit voller Euphorie mitgesungen. Mike’s Freude darüber stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. «Zürich, ihr seid einfach perfekt, das ist unglaublich!», lobte er die Menge.

 

Fotos: © Bäckstage.ch

 

Für diejenigen, die nicht das erste Mal an einem Passenger-Konzert waren, hatte der Mann mit noch mehr Bart sogar neue Witze im Gepäck. Ansonsten erzählte er zwei, drei Geschichten und Scherze, die man als langjähriger Fan fast schon zu oft gehört hat. Trotzdem brachte er den Saal zum Lachen und zog das Publikum in den Bann. Erstaunlich, wie ihm das jedes Mal erneut gelingt.

 

Ebenfalls erstaunlich war die Aufmerksamkeit und Stille des Publikums, wenn es die Situation verlangte. Egal, wo Passenger auftritt, er schafft es jedes Mal, die Menge zum Schweigen zu bringen. Aufmerksam hörten Jung und Alt dem Singer/Songwriter zu, als er eine sehr persönliche und berührende Geschichte zum nächsten Song erzählte. «To Be Free» heisst das Lied und handelt von der Geschichte seiner Eltern als Flüchtlinge zu Kriegszeiten. Von nur einem Scheinwerfer beleuchtet stand er seelenruhig auf der Bühne und verbreitete seine Wärme und Energie im Saal. Nach 30 Minuten Spielzeit bat er die gut 1500 Seelen vor ihm um einen Gefallen: «Im nächsten Song geht es um Dinge, die ich nicht ausstehen kann. Wenn ihr mit dem, was ich sage, einverstanden seid, dann singt bitte so laut mit, wie ihr nur könnt. Geht das in Ordnung?». Er erhielt ein Klatschen und Jubeln als Antwort, was ihm jedoch nicht genug war. «Ich fragte, ob das in Ordnung geht?», rief er in die Menge. Tosender Applaus – und los ging es mit «I Hate». So, wie es klang, war jeder auf den Steh- und Sitzplätzen mit allem einverstanden, was der Brite zu sagen hatte. Vor allem, in der Passage, die gegen Donald Trump ging, jubelte und applaudierte das Publikum, so laut es nur möglich schien. 

 

Nach dieser Sing- und Tanzeinlage wischte sich der Mann auf der Bühne den Schweiss vom Gesicht. Nachdenklich schaute er in die Menge. «Schwitzy… seid ihr auch so schwitzy?», schmunzelte er und die Menge lachte mit ihm. Seine bodenständige Art, trotz des weltweiten Erfolges, ist dem Engländer hoch anzurechnen. Auch die Interaktionen mit dem Publikum sind ihm immer noch genau so wichtig, wie noch vor einigen Jahren. 

 

Der übliche Abgang des Briten

 

Es standen wieder zwei ruhigere Songs – ein steinalter und ein neuer - auf der Setlist. Der 34-jährige baute danach einen fliessenden Übergang ins weltberühmte «Let Her Go» ein. Die Menge erwachte, sang hellbegeistert mit und erfüllte den Saal mit tausenden von fröhlichen, aufgeweckten Frauen- und Männerstimmen, die den Briten während gut vier Minuten in allen Tonlagen begleiteten. Um Punkt 22.00 Uhr verabschiedete sich Passenger wie gewohnt mit «Scare Away The Dark». Das Volkshaus stimmte ein letztes Mal mit dem Briten ein. Bei einigen Zeilen sang aber plötzlich niemand mehr mit. Mike hatte nämlich den Text abgeändert und modernisiert, sodass das Lied wieder mit dem, was die Welt im 2018 beschäftigt, zusammenpasst. Auch als er danach die Bühne längst verlassen hatte, wollte das rhythmische Klatschen und Singen kein Ende nehmen. 

 

Dass er nach einigen Minuten wieder auf die Bühne zurückkehrte, schien fast niemanden zu überraschen und trotzdem kannte die Begeisterung keine Grenzen, als der Mann mit Bart und einem strahlenden Lachen im Gesicht wieder beleuchtet wurde. Er griff zur Gitarre und verwöhnte die Besucherinnen und Besucher für weitere zehn Minuten mit seiner Musik. Er stimmte einen weiteren Song seines neusten Albums an: «Survivors». Obwohl das Album erst kürzlich erschienen ist, gab es einige in der Menschenmenge, die den Song schon in- uns auswendig kannten. Nach «Holes», begleitet von Standing Ovation, unter lautstarkem Mitsingen und einigen rhythmischen Bewegungen, war dann aber wirklich Schluss und Herr Rosenberg verabschiedete sich von einem begeisterten und zufriedenen Volkshaus: «Wow, danke, ich liebe euch einfach! Bis zum nächsten Mal». Hand auf die Brust, Daumen nach oben, und weg war er.

 

Gänsehautmomente, Totenstille, lautstarkes Gelächter und gefühlsvolle Texte. Passenger bringt alles in einen Konzertsaal. Er unterhält das Publikum und bleibt sich selbst treu. Es lohnt sich immer wieder, sich auf die Magie des Briten einzulassen.

 

Rahel Inauen / Mi, 19. Sep 2018