«The Heavy Entertainment Show» im Letzigrund

Konzertkritik: Robbie Williams im Letzigrund
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© Markus Frei (Handyfoto)

Das Letzigrund Stadion war ziemlich ausverkauft, jedenfalls wirkte es so aus dem Sichtwinkel meines Presse-Sitzplatzes auf der Tribüne. Das Publikum: bunt gemischt, von Eltern mit Kindern über Halberwachsene bis Mittvierziger und auch ein paar in den Fünfzigern und Sechzigern und die Erwartungen an die Show des Popstars waren gross. Man kann Robbie Williams mögen oder nicht, seinen Erfolg aber kann man nicht wegreden: Der Teenager, der sich damals als erster von Take That löste, hat in seiner Solokarriere bis heute elf Mal hintereinander ein Album auf Rang 1 in Grossbritannien platziert – zuvor hatte das als Einziger Elvis Presley geschafft – und hat bislang 70 Millionen Alben verkauft. 

 

Nach der Vorband Erasure ging’s um 20 Uhr los. Erst mit einer Hymne, welche die Spannung, bis Robbie auf die Bühne trat, verstärkte. Und dann: «The Heavy Entertainment Show» beginnt mit dem gleichnamigen Song, gefolgt von den obligaten Hits «Let Me Entertain You», «Monsoon», «Party Like A Russian», «Minnie The Moocher». Nach dieser ersten halben Stunde war das Publikum heiss auf mehr Robbie. Der Entertainer erzählte von einer Begegnung mit George Michael in Berlin, früh in seiner Karriere, «I wanted to be like him, he was God», und führte mit dieser Anekdote in den nächsten Song ein, «Freedom! ’90» seines kürzlich verstorbenen Idols George Michael und auch Robbies erste Solo-Single nach der Zeit bei Take That. 

 

«Can you imagine that I am a dad?»

 

Als Einleitung zum nächsten Song, «Love My Life», fragte Mr. Williams das Publikum: «Can you imagine that I am a dad?» und erklärte, dass er diesen Song seinen beiden Kindern gewidmet habe und er für sich und alle anwesenden Eltern wünscht, dass unsere Kinder eines Tages, wenn sie erwachsen sind, von sich sagen können: «I love my Life» und wohl alle Eltern hoffen, ihren Kindern das Nötige für’s Leben mitgegeben zu haben. Bei diesem Song waren die Disharmonien leider unüberhörbar, die Stimme des Entertainers war zuweilen etwas gar schwach und unpräzise, selbst die wuchtige Soundanlage und die Power der Band konnte dieses Defizit an dieser Stelle – und auch gelegentlich in anderen Passagen - nicht kaschieren. 

 

Robbie war gut gelaunt und spielte erneut mit dem Publikum, warf ihm Bruchstücke von Songs zu und verlangte ein Echo, bevor es mit «Come Undone» weiterging, gefolgt von einem energiegeladenen «Millenium» und einem etwas lächerlichen «Something Stupid», bei dem eine glückliche Duett-Partnerin aus dem Publikum etwas veralbert wurde. Mit einer virtuellen Maske auf dem Screen, sodass nur ihre obere Gesichtshälfte zu sehen war, wurde ihr Mund bewegt und automatisch freche Antworten gegeben. Zum Singen kam sie dabei nicht. 

 

Robbie und eine Zuschauerin, die er etwas durch den Kakao zieht. (Foto: © Markus Frei / Handyfoto)

 

«Rudebox» und «Kids». Dann kam Robbies Daddy auf die Bühne – selbst ein Entertainer und sein erstes Idol. Zusammen sassen sie beide, Vater und Sohn, auf dem Sofa ganz am Ende des langen Laufsteges und sagen den alten Neil Diamond-Klassiker «Sweet Caroline» – schön, etwas sentimental und etwas kitschig. Dann ging es in Richtung Schluss mit «Feel» und «Rock DJ» als krönender Abschluss mit etwas Feuerwerk. In die Zugabe fanden «She’s the One» und «Angels» sowie «My Way» von Sinatra. 

 

Alles in Allem zusammengefasst: Mehr als ein Konzert, eine gute, solide Show eines der derzeit grössten Popstars. Mit einer rockigen Band – die leider etwas zu sehr im Schatten von Robbie platziert wurde – mit ein paar Kostümwechseln, schönen, langbeinigen und stimmgewaltigen Background-Vocalistinnen und Tänzerinnen, einem pompösen Multimedia-Bühnenbild und gewaltigen Bässen. Eine Show für die ganze Familie. Aber es war nichts Überraschendes dabei, viel weniger Charme als in «Swing When You’re Winning», dafür aber mehr Eigenständigkeit und auch etwas mehr «Dräck». 

 

Der Entertainer machte den Eindruck, als hätte er sein Idealgewicht leicht überschritten und wirkte nicht wirklich fit oder nüchtern – vielleicht hatte er auch einfach einen schlechten Tag – aber er erfüllte wohl trotzdem den Qualitätsanspruch der meisten seiner Fans, ganz nach Robbie’s eigenem Leitsatz «Leichte Unterhaltung, aber auf Steroiden».

 

markusfreiwillis / Mo, 04. Sep 2017