Ice on the Rocks

Festivalkritik: Ice Rock 2016

Der erste Monat des Jahres ist noch nicht vorbei - das erste Festival hingegen schon. Und einmal mehr hat sich das Ice Rock als eines der besten herausgestellt.

 

Die Organisatoren haben bereits 14 Jahre Erfahrung mit dem Ausrichten des Festivals mitten im Emmental und das merkt man. Alles läuft wie am Schnürchen, die Stimmung ist ausgelassen, aber friedlich, und der Zeitplan gut durchdacht. Wo an Festivals sonst alles sehr eng und stressig ist, hatten die Bands in Wasen jeweils viel Zeit für ihr Set - kein Act hat weniger als eine Stunde gespielt. Nur hatten ein paar der Bands wohl gerade damit etwas Mühe. Trail of Murder beispielsweise hörten ganze 20 Minuten früher auf als angekündigt. Das Glück war sowieso nicht so auf der Seite der Schweden, Mikrophon-Quietscher und einmal ein totaler Mikrophon-Ausfall störten den Auftritt der Band. Aber die Sängerin und während des gesamten Festivals die einzige Frau auf der Bühne ging professionell damit um und überzeugte durch ihre starke Stimme. Und im Hüften-wackeln schlug sie sogar noch «Gloria Volt»-Sänger Fredi Volvo, der sich kurz zuvor alle Mühe dabei gegeben hat.

 

Auch bei den Winterthurern gab es Probleme - wegen des Schlagzeugs - aber der kurze Unterbruch tat der Stimmung keinen Abbruch. Sie eröffneten den Samstag, und die meisten Zuschauer waren sowieso noch verkatert oder einfach nur müde vom Vor- und Vorvorabend. Auf jeden Fall trugen Gloria Volt wesentlich dazu bei, das Publikum wieder auf die Beine zu holen. Und eigentlich wollte man dabei nur auf oder in etwas Schnellem oder Offenem sitzen, den «Gloria Volt»-Rock´n Roll laut aufdrehen und über einen Wüsten-Highway fahren.

 

Wer kippt, steht (mit Hilfe) wieder auf 

 

Alle Bands, die von Donnerstag bis Samstag auf der Bühne standen, haben überzeugt, und vor allem hat jede Band ihr Publikum gefunden, denn es war für jeden etwas dabei. Vor allem aber überzeugt das Ice Rock jeweils im Powermetal-Bereich, welcher dieses Jahr besonders prominent durch Jorn, Iron Saviour und Grand Magus vertreten wurde. Bei letzteren war die Stimmung bereits so gut, dass man auch den ein oder anderen Besucher beobachten konnte, wie er rückwärts von der Bank kippte, (mit ein wenig Hilfe) wieder aufstand und weiter feierte.

 

Eine Portion Glamrock brachten StopStop, welche wie gewohnt eine extravagante Show ablieferten, immer mit einer leicht perversen Note. Der Gitarrist liess es sich zum Schluss auch nicht nehmen, eine Zuschauerin zu küssen - es wird wohl nicht die letzte gewesen sein an diesem Abend. Mit ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit standen Ammunition auf der Bühne. Die neu gegründete Formation glänzt vor allem durch «Wig Wam»-Sänger Age Sten Nilsen, der ein wenig an Blackie Lawless erinnert, und mindestens genauso gut singt, und der seine Freude an der Arbeit dank glänzenden Augen nicht verbergen konnte. Das Publikum schien seine Freude zu teilen.

 

Das Festival endete wie es begonnen hatte - mit musikalischer Härte. Wo am Anfang Pertness Schweizer in Schotten-Kilts das Publikum gelungen aufwärmte, begeisterten zum Schluss die Schweden von Sister, welche optisch eher in eine Black-Metal-Formation passen würden. Es sollte ihr letzter Auftritt in dieser Zusammenstellung sein - Gitarrist Rikki verkündete vor ein paar Tagen seinen Austritt. So kann man ihnen im Nachhinein die betrübten Mienen nicht übel nehmen.

 

Vorfreude schon wieder da 

 

Des weiteren standen Crossplane, Worry Blast, Victorious, Victory und Toxic Rose auf dem Programm, und das zu recht, wie sie alle bewiesen.

 

Aber es sind nicht unbedingt die Bands, die das Ice Rock Festival so besuchenswert machen, auch wenn das Line-up immer toll ist. Es ist das Festival als Ganzes. Die Atmosphäre, die Besucher, die sich mittlerweile (fast) alle kennen. Es ist das feine lokale Burgdorfer-Bier, das einfache Essen, das Lagerfeuer und das eigene Festival-Praline. Es ist die Nähe zu den Bands, die urchige Umgebung, die sympathische Organisation und die kleinen, unbekannten Sponsoren. Und es ist die Vorfreude, die jeder Besucher schon am darauffolgenden Sonntag wieder auf den nächsten Januar hat.

Seraina Schöpfer / Mo, 18. Jan 2016