Pure Superlative: «The Claw» von U2 im Letzigrund

Archiv: Besuch bei der U2-Tour 2010
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Bäckstage

Keine Sekunde haben ich gezögert, als diese Einladung ins Postfach flatterte. Schliesslich kommt man nicht alle Tage in den Genuss, die bisher grösste Bühne, die je in Schweizer Stadien gestanden hat, aus nächster Nähe und im leeren Stadion zu begutachten. Im September 2010 haben U2 zwei Konzerte in Zürich gespielt und sind mit der Produktion in neue Spähren vorgedrungen. 


Worte werden in den ersten Sekunden tatsächlich Mangelware, wenn man das Stadionrund betritt und «The Claw», wie die Bühne genannt wird, sich mächtig vor einem aufbaut. Mit in der Sonne grün glitzernder Haut steht sie imposant im Stadion, füllt es über fast die gesamte Breite. Vier massive Pfeiler halten die Bühne, deren Vorbild das weltbekannte, ikonische Kontrollzentrum am Flughafen von Los Angeles ist. 30 Meter hoch ist das Monster im Letzigrund, dazu ragt die orange Spitze bis auf 50 Meter in den stahlblauen Himmel hinein. Damit halten U2 den Rekord, was die Grösse der Bühne angeht. Noch immer wieseln einige Leute rund um die Bühne und werkeln an den Beinen des Ungetüms, schrauben die letzen Teile fest, damit den beiden Konzerten nichts im Weg steht. «750 Leute von uns und nochmals 150 von U2 sind im Einsatz», erklärt Marc Reinhardt von Good News. Sie bauen die Bühne in fünf Tagen auf und in weiteren drei wieder ab und sorgen für einen reibungslosen Ablauf. Bei total acht Tagen Aufwand pro Konzert, wäre eine Tour, wie sie U2 bewältigen, gar nicht mit einer einzigen Bühne möglich. Darum sind deren drei am Zirkulieren. Jede davon kostet bis 30 Millionen Dollar. Während die Bühne in Zürich ab Montag nach dem Konzert wieder in den Trucks – 127 Fahrzeuge pro Bühne - verstaut wird, stehen Grossteile einer anderen «Claw» bereits im münchener Olympiastadion.

 


Doch zurück nach Zürich. Die Bühne wirkt massiv. Die komplette Bühne wiegt circa 200 Tonnen. An den Stahlträgern sind weit über 100 Tonnen Licht- und Tonmaterial verbaut. Alleine der beeindruckende Screen mit einer halben Million LED-Elementen bringt 54 Tonnen auf die Waage. Das Bühedesign hat Willie Williams, einer der langjährigen Partner von U2, übernonmmen. Die 360°-Bühne ist die zehnte Produktion, die Williams mit U2 auf die Beine gestellt hat. Gebaut wurde die imposante Konstruktion, inklusive Rundsteg für mehr Publikumsnähe, von Mark Fisher. Fisher ist einer der begehrtesten Setdesigner und mehrfach preisgekrönt. So hat er unter anderem schon Stages für Pink Floyd, AC/DC oder die Rolling Stones gebaut. Mit dem Kraken, der Samstag und Sonntag im Letzi wüten wird, ist ihm das vielleicht imposanteste Konzept seiner Karriere gelungen. Einerseits, weil der Bühnenaufbau mit seiner Masse wirklich in neue Sphären vordringen kann, andererseits aber auch, weil die Konstruktion trotzdem filigran und keineswegs klobig wirkt. Ausserdem ermöglicht die Bühne, durch die offene Bauart, von allen Seiten beste Sicht auf das Geschehen im Scheinwerferlicht. Und sie macht definitiv Lust auf mehr. Vielleicht holen U2 das Konzept irgendwann wieder hervor.


Noch einmal schlafen, dann ist es so weit. U2 live in Zürich! Alles ist bereit und die Band kann kommen. Die vier Iren seien während der Tour in Nizza stationiert, würden im Laufe des Samstags in Zürich eintreffen und die Nacht auf Samstag dann in einer Jugendherberge in der Limmatstadt verbringen, erklärte Marc Reinhardt zum Schluss. Vor allem die «Jugendherberge» dürfte frei zu interpretieren sein.

 

Patrick Holenstein / So, 09. Sep 2012