Wie im Letzigrund eine Mauer entsteht

Bäckstage beim Aufbau zu The Wall
Roger Waters The Wall
Bildquelle: 
Bäckstage.ch / © Patrick Holenstein

Der Himmel lacht, als sich die Tür des Letzigrundstadions am Montagnachmittag öffnet und den Blick auf ein unscheinbares Gerüst freigibt. Die Sonne strahlt auf die dunkle Konstruktion im hinteren Teil des Stadions, die klar erkennbar das 28 Meter hohe Zentrum der Bühne sein wird. Das riesige Metallgerüst sieht hingegen noch aus als ob es für Bauarbeiter gebaut worden wäre. Doch was wird hier gebaut? Es ist das nackte Skelett dessen, was zwei Tage später knapp 40‘000 Menschen begeistern wird. Pink Floyds «The Wall». 

 

Die Show sollte auch in Südamerika gezeigt werden.

 

Roger Waters war bis Anfang der Achtziger Bassist und einer der kreativen Köpfe von Pink Floyd. Dann hat sich die Band heillos zerstritten. «The Wall» hat Waters praktisch im Alleingang geschrieben. Es ist seine Lebensgeschichte, sein Opus Magnum, das die Geschichte des Musikers Pink erzählt, der eine Mauer um sich aufbaut und sich vor allen Einflüssen abschottet. Im Laufe der Show wird diese Mauer im Stadion tatsächlich errichtet, Stein für Stein. Die Steine bestehen grösstenteils aus faltbarem Karton und bis zur Mitte der Show wird die Mauer lückenlos sein. Roger Waters hat das Werk bereits in geschlossenen Hallen zur Aufführung gebracht. Aber wieso denn jetzt die grosse Stadionproduktion? Roger Waters erklärt, man hätte die Show nach Südamerika bringen wollen, aber dort kenne man fast nur offene Stadien. Das brachte die Produktion an logistische Grenzen, weil unter anderem die Infrastruktur eines Daches fehlt. Also wurden Möglichkeiten gesucht, wie man «The Wall» für Fussballstadien anpassen kann. 

 

 

Das ist dem Team um Waters gut gelungen, denn wenn die Show am Mittwochabend in Zürich startet, werden 20 Projektoren im Stadion verteilt sein. Als Projektionsfläche dient die Mauer selbst. Zehn Meter wird sie hoch sein und 155 Meter breit und somit bildet sie die grösste Leinwand, die je bei einer Konzertproduktion genutzt wurde. Die Filmesequenzen bestehen einerseits aus den bekannten Zeichnungen des britischen Künstlers Gerald Scarfe, der schon für die Platte die Illustrationen gemacht hat. Andererseits kommen sozial- und gesellschaftskritische Elemente hinzu. Alleine für den Aufbau von Licht und Ton werden 12 Stunden benötigt. Um vielleicht zu zeigen, wo Schwierigkeiten bei der Produktion zu lösen sind, sei ein Element der Show verraten. Im Laufe der Show wird ein Flugzeug durch das Stadion segeln. In geschlossenen Hallen lässt sich die Vorrichtung für das Flugzeug leicht befestigen. Bei offenen Stadien ist das nicht ganz so einfach. Als Bäckstage das Stadion am Dienstag verlassen hat, war man noch mit der Lösung beschäftigt. Aber wir sind sicher, am Mittwoch fliegt das Flugzeug. 

 

68 Trucks und 2500 Mann-Tage 

 

Seit drei Tagen sind unzählige Menschen mit dem Aufbau der Bühne beschäftigt, surren mit Gabelstaplern durch das Stadionrund, lassen Metalltürme in die Luft schiessen und Zelte entstehen sowie Wellenbrecher und die Absperrungen für den Golden Circle erscheinen. Und ganz wichtig: Toiletten werden aufgebaut und Kühlschränke gefüllt. Erstaunlich ist, dass es im Stadion sehr ruhig ist. Keiner schreit, alle sind konzentriert bei der Sache und wissen ganz genau, was sie zu tun haben. Alle scheinen hochprofessionell zu arbeiten und Hand in Hand zu agieren. Wenn die Bühne am Freitag, 48 Stunden nach dem Konzert, wieder komplett abgebaut sein wird, dann hat die ganze Produktion 2500 Mann-Tage verschlungen. Dazu kommen 17 Trucks mit Bodenabdeckungen, 23 Trucks mit der Bühne, 26 Trucks transportieren die Produktion und 2 Generatoren-Trucks runden den Fuhrpark ab. Insgesamt werden vier Tage benötigt, bis die Bühne ready for the Show ist. Am vierten Tag wird nur Licht und Ton verarbeitet. 

 

Sechs zusätzliche Lautsprecher werden extra für «The Wall» aufgehängt, damit der Surround-Sound auch perfekt klingt. Waters macht keine halben Sachen. Das wird beim zweiten Besuch am Dienstag klar. Die Mauer steht schon fast, die letzten Bricks werden mit Kranen eingesetzt und bereits hängt der grosse Screen in der Mitte der Bühne. Ebenfalls sind schon einige Spezialitäten innerhalb der Bühne zu sehen, die an dieser Stelle noch nicht verraten werden sollen. Nach dem kleinen Besuch beim Aufbau ist die Vorfreude auf das Konzert nur noch grösser. 

 

Patrick Holenstein / Di, 10. Sep 2013