Was würden Sie bei einer zweiten Chance anders machen?

Moviekritik: «Fenster zum Sommer»
Bildquelle: 
© Filmcoopi Zürich

Ein abgerundeter Film, der schöne Bilder Finnlands einfängt und die Handlung in einer diskontinuierlichen Erzählstruktur präsentiert. Die Romantiker unter den Zuschauern werden bestimmt nicht enttäuscht.


Text von Tamara Lipp


Ein ruhiger, etwas melancholischer Frauengesang stimmt in «Fenster zum Sommer» von Hendrik Handloegten ein. Die Kamera schwebt eine lange, unendlich scheinende Landstrasse entlang. Die Sonne schimmert durch die Blätter des Waldes. Es sind warme Farben, schöne Landschaftsbilder und ein glücklich verliebtes Paar, die den Anfang des Films zeichnen. Doch die Abblende und die spannungssteigernde Streichmusik wechseln die Stimmung. Juliane (Nina Hoss) ist gerade aufgewacht, und nichts ist so, wie es sein sollte. Der Blick durch das Fenster zeigt schneebedeckte Strassen - Juliane ist auf mysteriöse Art vom Sommer in Finnland in den kalten Monat Februar in die Stadtatmosphäre Berlins zurückgekehrt.



Unklares Bild, unklare Zukunft


Die erzähltechnische Anordnung ist von Zeitsprüngen durchzogen. Bereits am Anfang wird ein Flashback eingesetzt, um Julianes Erinnerung darzustellen. Danach folgt ein Verwirrspiel zwischen Realität und Traum. Die Rückblenden spitzen sich zwar zu, aber der Handlung kann trotzdem gefolgt werden. Es sind mehr die amateurhaft gefilmten Aufnahmen, die keinen Sinn ergeben. Diese kurzen Einblendungen sind nur verwirrend. Genau diese mentale Verfassung von ungeklärten Fragen verbindet den Zuschauer mit Juliane. Sie muss nämlich herausfinden, wie sie sich verhalten soll, um wieder neben August (Mark Waschke) zu erwachen. Die Kamera zeigt diese Ungewissheit ebenfalls, indem sie auf Juliane fokussiert und ihre Sicht auf die Strassen Berlins verschwommen zeigt. Der Kameramann schwingt elegant mit Julianes Schritten in den Salon, kreist um das tanzende Paar und zeigt, wie Juliane ihrem August erneut den Kopf verdreht. Doch was passiert, wenn nicht alles genau so abläuft, wie es damals geschah?


Altes Muster, neue Motivation

 

Das Erzählmuster ist nicht neu und erinnert an manch anderen Kinomoment. In Harold Ramis «Groundhog Day» klingelt Phils (Bill Murray) Wecker um 6 Uhr am 2. Februar immer und immer wieder, bis sich der egozentrische und zynische Wetteransager auf vielseitige und lustig inszenierte Weise zu einem besseren Menschen entwickelt. «Butterfly Effect» von Eric Bress und J. Mackye Gruber reisst Fragen rund um den Domino-Effekt auf: Evan (Ashton Kutcher) kämpft um die kleinen Entscheidungen, die grosse Konsequenzen nach sich ziehen. Um die Augenblicke, die über Tod oder Leben entscheiden, handelt auch Tom Tykwers «Lola rennt»: Franka Potente als Lola akzeptiert den Tod nicht und erhält eine weitere Chance, um alles wieder in Ordnung zu bringen. So bleibt die Frage: Warum erlebt Juliane ein zweites Mal einen bestimmten Abschnitt ihres Lebens?



Der Kreis schliesst sich

 

Genau das ist der Unterschied zu den meisten Zeitsprung-Filmen. Juliane will jeden Schritt der Vergangenheit exakt wiederholen. Obwohl sie sich unrealistischerweise an den exakten Wortlaut eines Maklers erinnert, dreht sie allmählich vor lauter richtigen Entscheidungen durch. Leider liegt da die Schwäche in der sonst sehr guten und überzeugenden schauspielerischen Leistung von Nina Hoss. Es ist schliesslich Otto, der kleine Sohn ihrer besten Freundin Emily (Fritzi Haberlandt), der ihr die Augen öffnet. Sie muss an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein. Und so nimmt die Geschichte ihren Lauf, in der Juliane einen der schlimmsten und einen der glücklichsten Momente ihres Lebens durchlebt.


«Fenster zum Sommer» ist ein schöner Liebesfilm; Nicht mehr, aber auch nicht weniger.


  • «Fenster zum Sommer» (Deutschland 2011)
  • Regie: Hendrik Handloegten
  • Darsteller: Nina Hoss (Juliane Kreisler), Mark Waschke (August Schelling), Fritzi Haberlandt (Emily Blatt)
  • Laufzeit: 96min
  • Kinostart: Ab sofort im Kino



Bildquelle: Alle Rechte bei Filmcoopi Zürich
Tamara Lipp / Do, 22. Dez 2011