Spionin mit Moral im Krieg ohne Gewissen

Filmkritik: Official Secrets
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Im Official Secrets Act von 1989 verzichtete Grossbritannien auf die eine Klausel mit der Verteidigung des öffentlichen Interesses. Demnach ist jede Veröffentlichung und Weitergabe von geheimen Staatsinformationen ein Verbrechen. Auch für den Fall, dass öffentliches Interesse für die Veröffentlichung besteht.

 

Ein solcher Fall ereignete sich im Jahr 2003. Die Übersetzerin Katharine Gun (Keira Knightley) arbeitet beim britischen Nachrichtendienst GCHQ als sie ein Memo der US National Security Agency erhält mit der Aufforderung auserwählte Mitglieder des UN-Sicherheitsrates zu beschatten. Ziel der Aktion ist die Mitglieder mittels verfänglichem Material zur Freigabe des Irakkrieges zu bewegen. Von diesen illegalen Machenschaften angewidert, gibt Katherine eine Kopie des Memos an eine befreundete Friedenskämpferin weiter.

 

Informationen bedeuten Macht. Die Weitergabe von Informationen verändert das Machtverhältnis und wird dementsprechend als Verrat wahrgenommen. Whistleblower leben deshalb gefährlich und besitzen in den meisten Fällen keinen gesetzlichen Schutz. In welch ausweglose Situationen Whistleblower gedrängt werden, zeigt Gavin Hoods (Tsotsi) Film eindrücklich auf. Nach Bekanntgabe des Leaks wird Katherines Leben zur Spiessrutenlauf. Mit Anwälten darf sie über ihre berufliche Tätigkeit nicht sprechen, insbesondere über den gesetzeswidrigen Auftrag, welcher sie zur Gesetzesbrecherin werden liess. Auch ihr kurdischer Mann Yasar (Adam Bakri) bekommt die Folgen zu spüren als ihm eine sofortige Abschiebung droht. Einzig der Menschenrechtsanwalt Ben Emmerson (Ralph Fiennes) stellt sich auf Katharines Seite und entwickelt mit ihr einen Plan um die Anklage fallen zu lassen: Katherine und Ben müssen belegen können, dass der Irakkrieg illegal ist. Eine Mission mit denkbar schlechten Karten.

 

«Official Secrets» erzählt die Whistleblowing Geschichte aus mehreren Perspektiven. Neben Katharines Sicht kommt auch die Perspektive der Presse, genauer gesagt der «Observer» Redaktion nicht zu kurz. Der Film zeigt wie Journalisten zwar nach der grossen Enthüllung lechzen, aber auch um ihr Image bangen müssen je nachdem wie gross die veröffentlichte Story ist. In einer Szene wird Journalist Martin Bright (Matt Smith), der das Memo veröffentlicht, zuerst von allen Seiten gefeiert, bis eine andere Medienstelle die Rechtschreibung (US vs. UK) des Memos hinterfragt und den Text als Fake News betitelt. Im Sekundentakt wird Brigth aus sämtlichen Interviews und Berichterstattungen ausgeladen. Ohne Katharines Geständnis wäre die Veröffentlichung als Zeitungsente in die Geschichte eingegangen. Momente wie diesen zeigen, wie wenig wir als Leser beurteilen können, ob das was uns vorgesetzt wird wahr oder falsch ist. Eine andere einprägende Sequenz zeigt die internationale Zusammenarbeit der «Observer» Journalisten mit dem Ziel der Validierung der Echtheit des Memos. Abschnitte wie diese zeigen die Stärke der einzelnen Individuen im Kampf gegen das grosse System Regierung.

 

«Officias Secret» feierte Galapremiere am Zurich Film Festival, welches unter dem Motto «Telling the Truth» lief. Zu den Gästen zählten auch Katharine Gun und Martin Bright. Bäckstage hatte die Chance beide am grünen Teppich zu sprechen. Katharine zeigte sich sehr offen und gab zu, dass sie während der schweren Zeit unter Depressionen litt und der einzige Weg es durchzustehen derjenige war, von Tag zu Tag zu leben und nicht an morgen zu denken. Ebenso teilte sie uns mit, dass sie dankbar ist, dass der Film jetzt herauskommt und nicht schon vor Jahren, weil sie erst jetzt eine gesunde Distanz zu den Ereignissen entwickelt hat. Den Film sieht sie als Chance das Thema Whistleblower und insbesondere deren Schutz zu thematisieren, sowie an die Zivilcourage jedes einzelnen zu appellieren, ob Regierungsbeamte oder Pressemitglieder.

 

«Official Secrets» berührt und regt zum Denken an. Ein Film, der uns in zwei Stunden zu einem anderen Menschen macht, weil er Fragen aufwirft und Trost spendet. Ein Film, der an das Gute und Mutige in Menschen appelliert.

 

  • Official Secrets (UK, USA 2019)
  • Regie: Gavin Hood
  • Darsteller: Keira Knightley, Matthew Goode, Ralph Fiennes, Indira Varma, Matt Smith, MyAnna Buring, Conleth Hill, Rhys Ifans
  • Laufzeit: 112 Minuten
  • Kinostart: 10.10.2019

 

Tanja Lipak / Do, 10. Okt 2019