Hippies sind auch nur Menschen

Moviekritik: Our Idiot Brother
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Wir werden alle erwachsen, finden einen Job, ziehen mit unserem Partner zusammen und versuchen unseren Weg zu finden. So auch Ned (Paul Rudd, «Clueless», «I love you, Man»), welcher einen Biogarten betreibt und sein Gemüse auf dem lokalen Markt verkauft. Neds Lebensphilosophie lautet: «Sei gut zu deinen Mitmenschen und sie werden gut zu Dir sein». Von diesem Motto weicht der Hippie nie ab, auch als er einem uniformierten Polizisten Gras verkauft und daraufhin für ein paar Monate im Knast landet. Seine Fröhlichkeit und Lebensfreunde verliert der Naturbursche auch nicht, nachdem er frisch aus dem Gefängnis entlassen von seiner Freundin Janet (Kathryn Hahn, «Revolutionary Road») abserviert wird. Ohne Job und Dach über dem Kopf erhält Ned Unterstützung von seinen drei Schwestern: Karrierefrau Miranda (Elizabeth Banks, «Zack and Miri make a Porno»), Lebenskünstlerin Natalie (Zooey Deschanel, «500 Days of Summer») und Hausfrau Liz (Emily Mortimer, «Young Adam»).

 

Bild 1: Ned im Kreise seiner Schwestern. / Bild 2: Ned und ein Freund. 

 

Paul Rudd ist geübt in der Rolle des Bruders, so spielte er in seiner ersten grossen Hauptrolle den Stiefbruder von Alicia Silverstone in Amy Heckerlings Jane-Austen-Adaption «Clueless». Es folgten weniger erfolgreiche Filme und sehr viele Nebenrollen, bis Rudd mit Judd Apatows «Knocked Up» wieder die Aufmerksamkeit des Publikums und der Produzenten auf sich zog. Mit «Our Idiot Brother» erhält Rudd nun endlich wieder einmal die Chance zu zeigen wie gut er ist. Dass er dabei fast ausschliesslich von Frauen umgeben wird, stört keineswegs. Mit den meisten von ihnen hat Rudd auch schon bereits gedreht: In «Role Model» und «The 40 year old Virgin» war er bereits an der Seite von Elizabeth Banks zu sehen, mit Zooey Deschanel spielte er im Kurzfilm «House Hunting» und Kathryn Hahn lernte er am Set des gemeinsamen Films «Anchorman» kennen. Gute Voraussetzungen für «Idiot Brother», denn die Witze und Sprüche kommen spontan rüber, hier und da wurde auch genug Platz für Improvisationen gelassen. 

 

Die Garderobe von Zooey

 

Der Film beleuchtet die hypokritischen drei Schwestern, welche es in den meisten Fällen doch «zu etwas gebracht» haben - im Gegensatz zu Ned. Grossstädtischer Snobismus und Zynismus stösst dabei auf sorgenfreien Optimismus. Lebensentwürfe prallen aufeinander und lassen die Frage auftauchen, ob es so etwas wie den einen richtigen Weg gibt, denn auch Neds Welt ist nicht so unschuldig und rein wie zunächst vermutet wird. Seine Ex-Freundin Janet behält Vierbeiner Willie Nelson bei sich, trotz Neds wiederholter Bitte ihm doch wenigstens seinen Hund zu geben, wenn sich Janet schon Neds Geschäft und Heim unter den Nagel reisst. Die Streitigkeiten der Hippies sind sehr amüsant, da ja sowohl Ned als auch Janet, den anderen respektieren wollen, keine Gefühle verletzen möchten und sowieso jeder Satz mit «easy» und «peace» endet. Die Konflikte zwischen Ned und seinen drei Schwestern sind hingegen weniger fesselnd,  da zu sehr mit gängigen Stereotypen gearbeitet wurde. Es erstaunt deshalb nicht, dass Miranda neben ihrem Job Schwierigkeiten hat einen Mann zu finden, Liz in ihrer Ehe nicht glücklich ist und Natalie den Term «Lebenskünstlerin» auf ihre ganz eigene Art und Weise interpretiert. Eigen ist auch Natalies Kleidungsstil, der praktisch jenen von Zooey Deschanel widerspiegelt und man fragt sich unwiderruflich, wie viel die Kostümbildnerin zu sagen hatte und wie viel die Schauspielerin mitreden durfte.

 

Bild 1: Reisen à la Hippie. / Bild 2: Die Schwestern haben sich gern. 

 

Trotz diesen kleinen Schwächen ist «Our Idiot Brother» ein kurzweiliger Familienspass, welcher auch in den Nebenrollen sehr gut besetzt ist. Steve Coogan («Coffee & Cigarettes») spielt Liz‘ Ehemann Dylan und gibt erneut eine unvergessliche Darbietung ab, ob mit oder ohne Kleidung. Rashida Jones, welche zuvor neben Paul Rudd in «I love you, Man» zu sehen war, beweist als Natalies bessere Hälfte viel Humor und Hugh Dancy («Hysteria») wickelt als Maler Christian so manch eine um den Finger. So ist «Our Idiot Brother» eine sympathische Feel-Good-Komödie für Hippies und andere Menschen mit Helfersyndrom. Paul Rudds Abstecher in die Welt der Blumenkinder ist zudem noch nicht ganz vorbei, denn er wird bald erneut - nach «The Object Of My Affection»- neben Jennifer Aniston in «Wanderlust» zu sehen sein. Es scheint fast als hätte Rudd nun seinen Frieden gefunden. Peace, Over and Out.

 

  • Our Idiot Brother USA 2012
  • Regie: Jesse Peretz
  • Besetzung: Paul Rudd, Zooey Deschanel, Elizabeth Banks, Emily Mortimer, Steve Coogan, Hugh Dancy
  • Länge: 90 Minuten
  • Kinostart: 9. August

 

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Tanja Lipak / So, 05. Aug 2012