Das Schlegeln der Flegel

Moviekritik: Safe
Bildquelle: 
© 2012 Rialto Film AG, Zürich

Text von Mike Mateescu

 

Triaden-Terror, Dirty Cops und Russenbesuch. Ein Ex-Müllmann gerät in New Yorks Unterwelt zwischen alle Fronten, weil er sich für ein kleines Mädchen mit einem tödlichen Geheimnis stark macht. Selbst der Bürgermeister persönlich verfügt, dass das Kind die Stadt keinesfalls lebendig zu verlassen hat. Was die meisten seiner Feinde jedoch nicht ahnen; der Abfall, den er einst entsorgte, kam nicht in Tüten …  

 

Bild 1:Luke (Statham) in Schlegellaune. / Bild 2: Wer sich mit den falschen Leuten anlegt, landet im Kofferraum. (Mit Maus über Bild fahren) 

 

Luke Wright führt ein knallhartes Leben, doch allmählich bessert es sich. Ein Jahr zuvor verscherzte er es sich mit einem russischen Mafiaboss, weil er in einem illegalen Showkampf aufgrund eines gänzlich unqualifizierten Gegners versehentlich gewonnen hatte. Kurz darauf brachten die Häscher des geprellten Gangsterkönigs seine Frau auf bestialische Weise um und seither ist er auf der Flucht. Lebt auf der Strasse, schläft in den Schatten und spricht mit niemandem. Denn die Russen haben ihn weiterhin unter Beobachtung und murksen jede Menschenseele ab, der er zu nahe kommt. Auf ewig soll er ein obdachloses Wrack ohne soziale Kontakte bleiben. Schliesslich läuft er sogar seinen ehemaligen Kollegen vom NYPD in die Arme, mit welchen er einst unter dem Radar Jagd auf verbrecherische Organisationen gemacht hatte. 

 

Kannst du den Feind nicht besiegen, so verbünde dich

 

Die zwischenzeitlich degradierten Kumpel haben ihm noch immer nicht verziehen, dass er sie damals aufgrund ihrer skrupellosen Methoden irgendwann ans Messer lieferte und staunen nicht schlecht, dass er überhaupt noch lebt. Man will ihn um die Ecke bringen, doch Luke geht nicht auf die Provokationen ein und zieht es vor, seiner geknechteten Existenz lieber selbst ein Ende zu bereiten. Wie er jedoch am Abgrund des Perrons steht, bemerkt er ein Mädchen, das sich vor einer Ganovenbande in die Subway flüchtet. Anstatt sich vor die U-Bahn zu schmeissen, springt er auf den Zug auf und eilt der kleinen Mei als entfesselter Schutzengel zu Hilfe. Wegen ihrer mathematischen Hochbegabung musste diese lange Zeit die Buchhaltung der computerscheuen Triaden im Kopf führen und wird nun wegen ihres sensitiven Wissens von allen Seiten gefürchtet und gejagt. Es geht um Karrieren, Altlasten und sehr viel Bares. Will Luke also gegen die mordlustigen Armeen bestehen, welche gegen ihn und seinen Schützling ins Feld geführt werden, so muss er sich aus dem Fundus der chinesischen Weisheiten bedienen. Wenn du nicht weisst, wer deine Freunde sind, dann betrachte jeden als Feind. Und kannst du diesen nicht besiegen, so verbünde dich mit ihm … 

 

Bild 1: Luke kümmert sich um die kleine Mei. / Bild 2: Luke und seine Ex-Kollegen sind nur vordergründig ein Team.

 

Nach seinen beiden letzten Filmen – dem eher niederschmetternden «Blitz» und dem austauschbaren «The Mechanic» – demonstriert Londoner Jason Statham einmal mehr, warum er noch immer das unangefochtene Alphatier der Actionstars ist. Es liegt nicht an der Willis‘ Frisur, an Stallones Dreitagebart oder Schwarzeneggers markigen Sprüchen, sondern an Stathams glühender, glaubwürdiger Performance – wahrscheinlich der besten seiner bisherigen Laufbahn. Doch auch der stärkste Hauptdarsteller kann ein 30-Millionen-Dollar-Projekt nicht alleine stemmen und daher mag vordergründig so einiges gegen einen Kinobesuch sprechen. Beispielsweise der Handlungsort. Heutzutage beginnt doch jeder zweite Trailer mit einer Aufnahme von – schnarch - New Yorks nächtlicher Skyline. Ein weiterer Punkt ist das Casting. Neben dem Briten wirken gerade mal zwei Gesichter mit, die der Mehrheit des Publikums vertraut sein dürften. Zum einen James Hong in der Rolle des Triadenbosses, welcher in unzähligen Filmen als Ekelpaket der Sonderklasse zur Legende geworden ist, und zum anderen Robert John Burke, der im US-Fernsehen in so ziemlich jeder Krimiserie auf den korrupten Polizisten abonniert ist. 

 

Yakin und das NZT-48 

 

Bliebe da noch der kaum bekannte Regisseur Boaz Yakin - als Drehbuchautor von «Dirty Dancing 2» wohl kaum eine vielversprechende Wahl. Aber weit gefehlt! Yakin scheint eine Packung NZT-48 in die Griffel gekriegt zu haben, denn er versteht es prächtig, die (von ihm selbst verfasste) Geschichte stimmig, clever verschachtelt und in sich geschlossen zu erzählen. Er weiss haargenau, wann er die Kamera mitten auf die Gewalt zu richten hat und wo die bluttriefenden Szenen besser im toten Winkel stattfinden, um des Zuschauers Würgreflex dem dramaturgischen Würgegriff zu opfern. Die Prügelsequenzen inszeniert er so virtuos, wie es Martial-Art-Altmeister John Woo in seinen besten Jahren pflegte und auch die obligate Autoverfolgungsjagd treibt Versicherungsvertretern Tränen in die Augen. 

 

Bild 1: U-Bahnfahren à la Jason Statham. / Bild 2: Kräfte tanken - Der ehemalige Müllmann in einer ruhigen Sekunde.  

 

Bis zum Finale wartet die Story mit rasanten Wendungen auf und dort geht ein Showdown zwischen Luke und einem ehemaligen Jagdgenossen von statten, wie man ihn garantiert noch nie auf der Leinwand gesehen hat. Ausser vielleicht bei Indiana Jones. Kurzum; der Film führt die knochentrockene Actionthriller-Tradition der Achtziger mit modernen Stilmitteln fort. Beispielsweise den Dialogen zwischen den Russen oder den Chinesen, welche selbst in der synchronisierten Fassung in der Originalsprache geführt werden und dem Streifen einen köstlichen Neo-Realismus verleihen. Und dank einer deftigen Dosis Drama blickt man gar gnädig über Stathams physikwidrigen Spaziergang auf einem U-Bahn-Wagon hinweg.

 

Wer sich hier im falschen Film wähnt, darf sich gleich selber eine reinhauen. Für Schenkelklopfer gibt es Jonah Hill, für Schmonzetten Disney und für saftigste Schmackes eben «Safe». Hier spielt die wodkaschwangere Oberliga der richtig harten Jungs. Hier spielt das süsssaure Lied des Todes. Todsicher!

 

  • Safe (USA 2012)
  • Regie: Boaz Yakin
  • Darsteller: Jason Statham, Catherine Chan, Robert John Burke
  • Drehbuch: Boaz Yakin
  • Laufzeit: 94 Minuten
  • Kinostart: 14. Juni 2012

 

Bilder: © 2012 Rialto Film AG, Zürich

Patrick Holenstein / Do, 07. Jun 2012