Ich sehe «Life» nicht als biografischen Film.

Interview mit Anton Corbijn
Bildquelle: 
Ascot Elite Switzerland AG

Im letzten Herbst war der begehrte Fotograf und aussergewöhnliche Regisseur Anton Corbijn mit «Life» am Zurich Filmfestival zu Gast. Im neuen Film geht es um Fotograf Dennis Stock, der James Dean fotografiert hat und mit dem bekannten Bild am Time Square eine Ikone der Fotografie geschaffen hat. Corbijn, der Leute wie U2, Depeche Mode oder die Rolling Stones vor der Linse hatte, kennt das Fotogeschäft selbst sehr gut. War das für die Geschichte um Fotograf und Model eine Vorteil? Und waren die Bilder von Dennis Stock für ihn selbst eine Inspiration?

 

Was hat dich daran interessiert, eine kleine Biographie über James Dean zu drehen?

Naja, ich sehe es nicht als biografischen Film. Die Zuschauer erhalten aber schon einige biografische Informationen über Dennis Stock und James Dean. Da ich selbst seit den 70er-Jahren Künstler und Personen des öffentlichen Lebens fotografiere, konnte ich mich gut in Dennis Stock einfühlen. Und dass sein Fotosujet James Dean war, macht die Sache umso interessanter.

 

Du hast also auch deine persönlichen Erfahrungen einfliessen lassen?

Ja, ich fühlte mich in den 70ern so wie Stock. Danach begriff ich, wie die ganze Sache läuft.

 

Wie hast du dich vorbereitet? Hast du die Dokumente jener Zeit recherchiert?

Ich unterhielt mich mit verbliebenen Familienmitgliedern der zwei Protagonisten. Stocks Sohn gehörte jedoch nicht dazu. Stock war ein furchtbarer Vater, viel schlimmer als im Film dargestellt. Wir haben ihn viel netter erscheinen lassen. Wir hatten viele der Bilder und haben daraus Szenen rekonstruiert. Die entscheidende Szene am Time Square nachzuliefern war dabei die Schwierigste.

 

Ihr habt vor einem Green-Screen gedreht und schliesslich alles später digitalisiert, richtig?

Einige Teile waren auch gebaut, wie beispielsweise das Kino. Die Darsteller benötigten einige Referenzpunkte an denen sie sich orientieren konnten.

 

Wie war es die 50er Jahre zu rekonstruieren?

Es gab ja viele Fotografien, aber es gibt natürlich nicht mehr so viele Requisiten aus dieser Zeit.

 

Als du angefangen hast als Fotograf zu arbeiten, hast du dir auch Dennis Stocks Bilder angeschaut als Inspirationsquelle?

Ich stiess erst später auf Dennis Stock. Um ehrlich zu sein, erst als ich mich mit diesem Filmmaterial beschäftigte. Er war eine sehr nette Entdeckung für mich, weil er grosses Talent hatte, in meinen Augen.

 

Denkst du, dass eine Freundschaft zwischen Fotograf und Künstler möglich ist? Oder kommt die berufliche Beziehung der freundschaftlichen immer in den Weg?

Ich denke, es ist viel komplizierter. Im wahren Leben braucht es mehr Zeit bis sich so etwas wie Freundschaft entwickelt. In diesem Film passiert es recht schnell. Es waren die 50er-Jahre und James Dean wollte die Dinge anders angehen. Wenn ich meine persönliche Situation betrachte, sieht diese folgendermassen aus: Ich führe Freundschaften mit Künstlern mit denen ich viel zusammengearbeitet habe. Ich kenne ihr Zuhause, aber ich mache davon keine Bilder. Ich will nicht ihre Privatsphäre verletzen. Aber ich habe schon alles Mögliche erlebt. Ich bin ein Glückspilz, solche Freundschaften sind selten.

 

Im Film beschliessen Stock und Dean einander zu unterstützen und diese Reportage durchzuziehen…

Nein, nein, ich denke nicht dass es so harmonisch war. Ich glaube sie respektieren sich nicht wirklich gegenseitig. Jeder denkt, er sei der wichtigere von beiden. Sie glauben deshalb, dass sie eher den andern mit ihrem eignen Ruhm unterstützen. So. Ich verstehe diese Situation, ich habe auch so gedacht als ich jünger war.

 

 

Es gab noch nie so viele Darsteller wie heute, die ihre eigene Filmproduktionsfirma besitzen. Und dadurch besitzen sie viel Macht wie beispielsweise Brad Pitt oder George Clooney und Angelina Jolie. Aber vielleicht war das Studiosystem gar nicht so schlecht, in gewisser Hinsicht zumindest (lacht).

 

Hast du das selber erlebt in deiner Karriere? Dass du einen Künstler fotografiert hast und dann selber plötzlich den gleichen Ruhm besassest?

Ich war bereits Künstler als ich noch keine Prominente ablichtete. Ob du Künstler bist, oder nicht, hat nichts mit dem Ruhm zu tun, den du erlebst, sondern wie du dich selber siehst. Ich denke, die besten Bilder entstehen, wenn ich mit den Künstlern lache, auch wenn wir nicht wirklich aus dem Bauch heraus lachen, aber wenn wir die gleiche Energie spüren. Es ist keine gute Ausgangssituation, wenn du als Fotograf die Künstler von unten anhimmelst. Es ist wichtig, dass du dich mit deinem Fotosubjekt gleichwertig fühlst. Dies ist mir wichtig und dies strebe ich an, auch wenn die Person, mit der ich arbeite, viel talentierter ist als ich (lacht).

 

Du hast einen kleinen Cameo im Film. Du spielst einen der Fotografen am Teppich. Was das geplant?

Nein, das war nicht geplant. Die Fotografen konkurrieren sich in dieser Situation. Jeder versucht sich mit seinem Ellbogen möglichst viel Platz zu erschaffen. Wenn James Dean schliesslich mit einem spricht und die anderen Fotografen sich sofort bedroht fühlen, dann wird klar wie viel Neid zwischen den Fotografen herrscht. Und das erinnerte mich an meine eigene Anfangsphase, so kam es dann zu der Szene.

 

Dies ist heute nicht viel anders. Solche Momente gibt es auch am Zurich Film Festival noch zu genüge. Denkst du das Film-Business hat sich seither auch nicht so stark verändert? Ben Kingsley spielt einen bösen Filmproduzenten, ist die Filmwelt heute anders?

Naja, die meisten Darsteller verschreiben sich heute zumindest keinem Studio mehr. Aber es gibt trotzdem keine grosse Freiheit mehr. Denken wir nur mal an die vielen TV-Serien, da sind die Darsteller heute genauso gebunden wie damals in den 50er Jahren. Aber zugleich gab es noch nie so viele Darsteller wie heute, die ihre eigene Filmproduktionsfirma besitzen. Und dadurch besitzen sie viel Macht wie beispielsweise Brad Pitt oder George Clooney und Angelina Jolie. Aber vielleicht war das Studiosystem gar nicht so schlecht, in gewisser Hinsicht zumindest (lacht). Heute gibt es sehr viele Darsteller, die viel von sich halten, aber eigentlich gar nicht so viel Talent besitzen. Für die wäre das nicht schlecht. Ben Kinsley war grossartig im Film als Jack Warner und mit ihm wollte ich eben aufzeigen, wie nah das Geschäft damals an einem Unternehmen war (und heute noch ist). Er ist ein grossartiger Darsteller und es war eine grosse Ehre, ihn mit dabei zu haben. Wir mussten Jack Warner in die Geschichte einfügen, um zu zeigen wie revolutionär James Deans Verhalten war. Er wollte nicht das Hündchen der Studios spielen und dies war zu jener Zeit sehr rebellisches Verhalten (lacht).

 

Du hast zum ersten Mal in den Vereinigten Staaten gedreht, war das speziell?

Nur 2 Tage! Den Rest haben wir in Kanada gedreht, in den Staaten war es zu teuer.

 

Ah, wegen den Steuern …

Ja, aber nicht nur. Auch wegen den Gewerkschaften. Wir hatten nur 28 Drehtage und es war der kälteste Winter seit 30 Jahren in Kanada. An manchen Tagen war es furchtbar kalt. Bis zu minus 30 Grad. Ich war noch nie in einer solchen Kälte.

 

Wie bist du zu deinen zwei Hauptdarstellern gekommen (Robert Pattinson als Dennis Stick und Dane DeHaan als James Dean)?

Sie spielen sehr unterschiedliche Charaktere im Film und sie sind sehr unterschiedliche Persönlichkeiten im wahren Leben. Ausserdem haben sie auch eine komplett unterschiedliche Herangehensweise an ihre Rollen und die Schauspielarbeit im Allgemeinen. Rob musste sich selber noch davon überzeugen, dass er ein guter Darsteller ist. «Twilight» sitzt ihm noch tief im Nacken. Und ich halte ihn auch für einen sehr guten Schauspieler. Ich fand es deshalb auch sehr interessant, dass er einen Fotografen mimte, der sich selbst überzeugen muss, ein guter Fotograf zu sein. Es macht grossen Spass, Rob zuzusehen, er ist ein sehr intuitiver Schauspieler. Dane auf der anderen Seite hat eine sehr viel akademischere Herangehensweise. Er war immer sehr gut vorbereitet. Zudem musste er 4 Monate vor Drehbeginn an seinem Körper arbeiten. Heutzutage sind alle komplett durchtrainiert, doch das war James Dean nicht. Dane hat von Natur aus eine sehr schlanke Statur und musste deshalb Gewicht zunehmen für die Rolle.

 

Wie haben sich die beiden sonst noch vorbereitet?

Rob erhielt eine Kamera, viele Monate bevor wir anfingen zu drehen. Es sollte sich für ihn natürlich anfühlen, eine Kamera dabeizuhaben und die richtigen Fotomomente zu spüren. Es half vielen auch als sie endlich die Kostüme anziehen konnten. Drehbuchlesungen können auch helfen, aber häufig machen sie alle nur noch unsicherer (lacht). 

Du hast deine Filmografie begonnen mit der Biografie von Ian Curtis, dem verstorbenen Leadsänger von Joy Division, dann kamen die Spionagefilme «The American» und «A Most wanted man», jetzt geht’s zurück zu den Künstler. Eine bewusste Entscheidung?

Das Filmmaterial kommt zu mir und ich entscheide dann je nach Situation, was nun das beste Projekt für mich ist. «A most wanted man» ist ein Thriller, aber es wiederspiegelt auch sehr stark unser Leben nach dem 11. September, wie paranoid wir als Gesellschaft wurden. An «The American» reizte mich der Fakt, dass es was völlig gegensätzliches zu «Control» war. Die Leite mochten «Control» sehr und bis zu dem Zeitpunkt dachte ich, dass es mein einziges Filmprojekt bleiben würde. Ich hatte ja nicht mal einen Agenten zu jener Zeit. Ich fühlte mich wie ein Ausserirdischer in dieser Filmwelt. Alle Filme, die mir zu der Zeit angeboten wurden, waren Kurt-Cobain-Biografien oder Jeff-Buckley-Biografien.

 

Du wurdest also komplett stereotypisiert als Regisseur?

Total. Und ich wusste, dass ich definitiv nicht noch ein zweites «Control» drehen wollte. Und bei «Life» fühlte es sich eben nicht an wie eine Biografie, sondern wie die Geschichte eines Fotografen und dies sprach mich an. Mein nächster Film wird wieder mehr sein wie «A Most Wanted Man», er wird wieder mehr Bezug haben zu unserem Leben.

 

 

Die Sachen werden Monate vor Tourbeginn gebaut und ich bin meist bei den Proben dabei und gehe auf 1-2 Shows, um zu sehen, ob es dann geklappt hat. Aber ich toure nicht mit der Band. Das ist nicht meine Sache.

 

 

Du hast also Robert Pattinson in dieser Hinsicht komplett verstanden. Er wollte keine weiteren «Twilight»-Filme drehen und du wolltest keine weiteren «Control»-ähnlichen Biografien.

Was mir bei Rob sehr gefällt, ist die Tatsache, dass er sehr mutige Entscheide trifft. Er rennt definitiv nicht dem Geld hinterher, sondern interessanten Rollen. Dies ist auch ein sehr liebenswürdiger Charakterzug von Rob.

 

Apropos «A Most Wanted Man», leider haben wir Philippe Seymour Hoffman verloren.

Ja, dies ist ein grosser Verlust. Er war ein brillanter Darsteller und wunderbarer Mensch…

 

Und die Endszene in «A Most Wanted mMan» war geradezu genial …

Wir haben den Film aber lange vor seinen Tod fertiggeschnitten. Und ich bin sehr froh darum, ich weiss nicht, ob ich dann die Szene gleich belassen hätte. Die Szene erhielt nach seinem Ableben so viel Gewicht und ich war einfach froh, dass wir alles schon fertig hatten und uns nicht mehr darum kümmern mussten, welchen Eindruck wir erwecken oder hinterlassen, wenn wir es so oder so schneiden.

 

Um zurück zu kommen zu «Life»: Denkst du dass sich Rob und Dane auch noch wie Hündchen von den Filmstudios fühlen und dagegen rebellieren möchten wie James Dean?

Rob hat mit «Twilight» sicherlich genug gesehen. Aber ich denke sie gehen beide nun ihren Weg und nehmen Rollen an, die anspruchsvoll genug sind. Das ist auch was sie tun sollten, aus meiner Sicht.

 

Du hast auch viele Musikvideos gedreht. Wenn Du das Filmemachen und den Dreh von Musikvideos vergleicht, was ist besser?

Während dem Dreh von Musikvideos hast du noch ein Leben (lacht). Bei Filmdreharbeiten ist das anders. Es mangelt beispielsweise immer an Zeit. Musikvideos zu drehen ist auch recht simpel im Vergleich. Du kannst irgendwelche Visuals zeigen, solange der Song gut ist. Es wird immer funktionieren, wenn das Lied gut ist. Beim Film geht es um Leben oder Tod. Du gibst so viel von deinem Leben, es beansprucht dich immens. Häufig sind es schnell zwei Jahre deines Lebens für schlussendlich zwei Stunden fertiges Material.

 

Musik spiel auch bei «Life» eine grosse Rolle.

Das stimmt. Der Score ist jazzig und die Lieder im Film sind dann sehr bluesig, diese Kombination hat mir sehr gefallen. Ich war froh, dass wir auch noch ein Stück von Lightening Hopkins einbauen konnten. Am Ende kommt immer die Musik und dann ist meist kein Budget mehr vorhanden deshalb war ich um dieses Stück sehr stolz.

 

Du hast einige der Bühnenbilder von Depeche Mode entworfen. Braucht es hierfür technische Fähigkeiten und technisches Wissen?

Bis zu einem gewissen Grad, ja. Aber es gibt dann genügend Menschen, die dir sagen, dass dies und dies und das nicht funktioniert (lacht). Ich male meist meine Zeichnungen und habe eine Idee davon wie es aussehen sollte. Also zum Beispiel wie gross die Bühne sein soll, wie sie gebaut werden soll usw. Im Grunde also alles, was du vom Publikum aus siehst (lacht). Die Sachen werden Monate vor Tourbeginn gebaut und ich bin meist bei den Proben dabei und gehe auf 1-2 Shows, um zu sehen, ob es dann geklappt hat. Aber ich toure nicht mit der Band. Das ist nicht meine Sache.

 

Du hast viele Videos gedreht von Bands wie eben Depeche Mode, U2 oder Coldplay. Was hältst du von den Newcomern in der Musikszene, gefällt dir eine Band insbesondere?

 

Seit ich Filme mache, habe ich keine Zeit mehr für Musik. Ich habe keine Ahnung was es Neues gibt. Ich arbeite noch mit Arcade Fire, das ist die jüngste Band. Aber ich habe mit vielen jungen Bands gearbeitet als ich jung war. Und ich will mein Leben nicht wiederholen.

 

  • «Life» ist ab sofort auf DVD erhältlich. Unsere Kritik findet ihr HIER.  

 

 

 

 

 

 

Tanja Lipak / Fr, 25. Mär 2016