Dom Sweden: «Es tut weh, wenn ich mir selbst zuhöre»

Interview mit Dom Sweden
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Pressebild / ©Claude Gabriel, Simeon Waelti

Nach einem Jahr voller Herausforderungen und kreativer Blockaden präsentiert der Zürcher Oberländer Mundartmusiker Dom Sweden seine bisher persönlichsten Songs. Die neue EP «Zwüsched Herz & Verstand» verbindet emotionale Tiefe und erzählt von Hoffnung und der Kraft, sich neu zu finden. Ab März 2025 bringt Dom Sweden die Songs live auf die Bühnen. Wir haben uns mit ihm über die neue EP und den damit verbundenen Herausforderungen unterhalten.

 

Domi, deine neue EP trägt den Titel «Zwüsched Herz und Verstand». Was war der Auslöser, diese Spanne zwischen Emotionen und Rationalität zu thematisieren?

Es ist mein momentanes Lebensgefühl und das, was mich die letzten Monate und Wochen begleitet hat. Es war wirklich «Herz gegen Kopf»: Mein Herz sagt, ich bin verletzt und mein Kopf sagt, ich soll mich schnell heilen, einfach weitergehen, aber das geht halt nicht einfach. Es lässt sich auf einer Seite vereinbaren, auf der anderen überhaupt nicht. Ich glaube, das ist genau der Kampf, der gerade in mir stattfindet – also mein Herz gegen meinen Kopf.

 

Wie geht es dir im Bezug auf den Songwriting-Prozess dabei?

Letztes Jahr hatte ich eine riesige Schreibblockade. Ich war in Sessions und es ist mir zuvor noch nie passiert, dass einfach nichts kam und ich nichts schreiben konnte. Ich dachte, ich muss einfach Songs schreiben, habe dabei zu wenig auf mein Herz gehört und mein Kopf hat ständig gesagt: «Aber du musst jetzt schreiben». Aber wenn das Herz nicht dabei ist, funktioniert das nicht. Als sich das Ende Jahr ausgereift hat und ich eher dachte: «ich schreib jetzt einfach das, was mein Herz sagt», kam der Flow. Das war auch wieder Herz gegen Kopf und eines von beiden gewinnt. Mein Kopf konnte sich nicht durchsetzen. Songs werden nicht gut, wenn sie vom Kopf geschrieben werden – so ist es bei mir – aber sobald ich mein Herz einsetze, fliesst es wieder und das hat sich dann durchgesetzt.

 

 

«Liebt von ganzem Herzen, aber leidet auch von ganzem Herzen.»

 

 

Also bist du auf der Herz-Seite?

Ja, ich bin schon eher auf Seite Herz. Trotzdem – das kennt sicher jeder – kommt der Kopf hinzu und setzt gewisse Grenzen, Barrieren oder legt die Steine in den Weg und sagt: «So geht das nicht. Du kannst doch jetzt nicht so fühlen, das ist nicht richtig». Aber doch, es ist richtig. Mein Herz hat die Gefühle über Jahre aufgesogen, das kann der Kopf nicht einfach «wegrationalisieren».

 

Sehr schön gesagt. Ist das auch die Botschaft, die du mit der neuen EP vermitteln möchtest?

Meine Botschaft ist: Liebt von ganzem Herzen, aber dann leidet auch von ganzem Herzen. Auch wenn es bitter ist. Es gehört beides dazu. Wenn du dich in etwas reingibst, dann musst du mit beidem zurechtkommen und auch beidem genügend Zeit geben, dass es auf die eine oder andere Seite immer wieder gut kommt. Das lässt sich nicht beschleunigen, das Herz hat sein eigenes Tempo und der Kopf kann das nicht beeinflussen und die Leidenszeit verkürzen.

 

Man merkt, dass du dich gerne und viel mit tiefgründigeren Themen auseinandersetzt. Wie wichtig ist es für dich, dass deine Musik nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken und Mitfühlen bewegt und Leute damit connecten?

Ich darf das nicht erwarten und ich erwarte das auch nicht, aber finde es das Schönste, wenn das passiert. Ich erhalte viele Nachrichten auf Instagram – grade heute hat mir jemand geschrieben, dass sie sich wegen meinen Songs aufgerafft hat, ihrem Grosi einen Brief zu schreiben. Sie hat den Brief aber verrissen und ist persönlich vorbei, um Dinge zu klären. Die Verbindung und das Verhältnis zwischen den beiden sei stark genug gewesen, das Gespräch zu überstehen und sie hat in der Nachricht geschrieben: «Ich hätte das nie getan, hätte ich nicht deine Songs gehört».

 

Oh wow – mega schön.

Das ist krass. Manchmal läuft es nicht so gut und ich lasse ausser Acht, dass es da draussen Leute gibt, die meine Lieder tagtäglich hören und sich mit dem, was ich sage, identifizieren. Das ist das Schönste dabei.

 

Ja total. Und du hast deine persönliche Geschichte in den Songs drin und solche Geschichten, wie das mit dem Brief ans Grosi, zeigen auch, wie individuell die Verbindung zu deiner Musik sein kann.

Uh mega. Ich versuche aber auch, meine Songs offen zu halten. Es kann jede Art von Beziehung gemeint sein, zwischen Mann und Frau, Frau und Frau, Mann und Mann oder eine Freundschaft oder eine Beziehung zwischen Geschwistern – und das ist cool.

 

 

Dom Sweden - «Untergang»

 

 

Du hast vorhin erwähnt, dass es manchmal nicht so gut läuft. Wie schaffst du es, dir selber treu zu bleiben, speziell dann, wenn es nicht so gut läuft – oder auch in einer Branche, in der viel Druck da ist?

Oh, das ist sehr schwierig. Grade jetzt. Ich bin emotional sehr aufgewühlt, habe grosse Träume, Pläne und Ziele. Es läuft nicht immer so, wie ich mir das wünsche und dann muss ich mich zurücknehmen und bei mir bleiben und durchatmen. Dann schaue ich eher, was wir bereits alles erreicht haben. Ich stelle mir immer einen Dreckboden vor, wie ich davon aufstehe, mich aufrichte und wieder renne. Das stelle ich mir am Abend im Bett vor oder am Morgen. Es darf weh tun, man darf innehalten, aber dann geht es auch wieder weiter. Das sage ich mir sehr oft.

 

Verstehe ich gut – und dass du dich nicht verbiegen lässt von den äusseren Einflüssen.

Ja, aber trotzdem frage ich mich manchmal, was ich anders machen sollte, um zu gefallen. Es gefällt ja bereits vielen Leuten und die Leute, die an meine Konzerte kommen, erreiche ich und denen möchte ich gefallen. Die anderen, die es nicht hören wollen – naja. Eigentlich muss ich sagen, dass ich die Lieder nicht für die zwei Leute schreibe, die in einer Chefetage über irgendetwas entscheiden, sondern für die Leute, die vor der Bühne stehen.

 

Genau, und ich denke, dass die, die deine Musik hören und gut finden, das auch so wahrnehmen und dir das glauben und abnehmen. So bist du authentisch und die Leute spüren das.

Ja – und was ich auch gerade sehr stark durchmache ist: «Du kannst nicht jedem gefallen».

 

Das ist ein intensiver Prozess.

Mega. Ich bin extrem harmoniebedürftig und würde mich am liebsten mit jedem gut verstehen, aber merke, dass das unmöglich ist. Es gibt Menschen, die dir keinen Erfolg gönnen, die neidisch sind, die das nicht geil finden, was du machst. Und das muss okay sein. Denn auf der anderen Seite sind ganz viele Leute, die das feiern.

 

… und auf das musst du dich schlussendlich fokussieren.

Voll.

 

 

«Man kann die Dinge, die schön waren, einfach so stehen lassen.»

 

 

Sprechen wir über den Song «Die Lieder, wo no chömed». Im Song gibt es die Zeile «Kampfflugzüg im Buch schüsed scharf uf di letschte Schmetterling» - kannst du mehr dazu sagen?

Ich habe mich letztes Jahr getrennt und ich habe in der Schlussphase gemerkt, dass alles, was ich noch versucht habe, nicht mehr bei der anderen Person ankam. Es war eine Mauer da, durch die ich nicht mehr kam. Gleichzeitig habe ich bemerkt, dass alles, was vorhin schön war und wir gemeinsam toll fanden, irgendwie kaputt gemacht wird. Plötzlich waren diese Dinge aus ihrer Sicht nicht mehr schön, obwohl das vorher «unser Ding» war. Ich habe auch verstanden, dass sie auf ihre Weise, durch diesen Prozess muss, um abschliessen zu können. Das tat sehr weh. Man kann die Dinge, die schön waren, doch einfach so stehen lassen. Es muss nicht alles kaputt sein – auf das bezieht sich diese Zeile im Song.

 

Ist es für dich auch eine Art Abschiedssong?

Es ist ein Abschiedssong für mich persönlich, um mit der Situation klar zu kommen. Den Song zu schreiben, war wie eine Therapiesitzung für mich. Ich habe den Song mit Dabu Fantastic und ZID geschrieben. Wir sassen einen Tag lang zusammen, haben uns ausgetauscht, ich habe erzählt, wie es mir geht und sie haben mitgeschrieben. Ich konnte mein Herz ausschütten, meine Geschichte erzählen und bin Ballast losgeworden. So entstand der Song.

 

Auf dem Cover der EP ist ein kaputtes Herz zu sehen. Splittern die Teile vom Herz weg oder sind es Teile, die das Herz zusammenflicken?

Das ist eine gute Frage. Ich kann das nicht mit so oder so beantworten. Ich kann dir nur sagen, dass ich mit dieser EP versuche, mich gesund zu schreiben. Es ist ein Heilungsprozess und es wäre schön, wenn sich die Teile wieder fügen. Du weisst nicht, wann das geschieht; es kann morgen sein aber es kann auch noch ein Jahr dauern.

 

Das Cover der EP «Zwüsched Herz und Verstand» (©Dom Sweden)

 

Ja, ein Prozess, der dauert.

(Domi nickt nachdenklich) Ja. Das erste Mal sind Lieder auf einer EP, bei denen es mir weh tut, wenn ich mir selbst zuhöre. Ich habe noch nie so krass persönliche Songs geschrieben. Sie beschreiben die Situation, in der ich mich grade befinde und das ist ein spezielles Gefühl. Wie nehmen das die Leute auf? Es ist Mundart, jeder versteht es.

 

Danke für deine Offenheit. Wir kommen jetzt zu etwas anderen Fragen. Vervollständige bitte folgende Sätze:

 

Wenn ich eine Superkraft hätte, …

(Domi lacht) Da kommen mir mehrere Sachen in den Sinn. Ich würde gerne unsichtbar in Räumen rumlaufen und könnte bei Sachen nachhelfen oder Dinge verändern. Und ich könnte gut zuhören, was gesagt wird.

 

Wenn ich von der Bühne komme, mache ich als Erstes …

Dann nehme ich immer zuerst ein Handtuch und wische mir den Schweiss weg und trinke etwas.

 

Welches Buch hast du zuletzt gelesen?

Oh *%!@*/&* - ich sollte viel mehr Bücher lesen. Ich glaube, das war «Gut gegen Nordwind».

 

Wenn du in irgendeinem Musikvideo auftreten könntest, welches Lied würdest du wählen?

Uiii…das wäre geil! (wir lachen)

Ich bin derzeit im Cro-Hype, daher würde ich wahrscheinlich «Easy» wählen. Das finde ich einen richtig coolen Clip mit den Skateboards und so.

 

Diese Frage kommt aus deiner Fan-Base, die auf Instagram gestellt wurde: Wann und wo kannst du am besten Songs schreiben?

Meistens gehe ich ins Studio mit dem Produzenten. Dann habe ich einen ganzen Tag nichts anderes vor und lasse mich auf die Musikwelt ein. Dann kann ich schreiben, oder auch wenn ich Melodien höre. Oder wenn mich etwas sehr beschäftigt, dann schreibe ich es auf. Aber auf Knopfdruck sagen: «Heute schreibe ich Songs», das geht nicht. Ich muss in die Welt eintauchen können.

Und wann – das ist sehr individuell.

 

Dann kommen wir bereits zur letzten Frage; wann hast du das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht?

Gute Frage. Eigentlich grade heute. Wir arbeiten an einer Kleiderkollektion, die aber kein Merch wird und ich hatte eine Besprechung mit der Stylistin. Ich habe noch nie vorher selber Kleidung designt, ausser halt Dom Sweden-Merchandise. Deshalb ja, das habe ich heute zum ersten Mal gemacht.

 

Sehr schön, dann sind wir gespannt. Domi, danke vielmals für deine Zeit und Happy Release!

 

Mehr Infos:

 

  • Act: Dom Sweden
  • Aktuelle EP: Zwüsched Herz und Verstand
  • Genre: Mundart-Pop
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Rahel Inauen / Do, 06. Feb 2025