Von bunten Sturmgewittern und Veteranen im Nahkampf

Konzertkritik: Deadly Storm/Hard Coming Love
Bildquelle: 
www.bäckstage.ch / © Mike Mateescu

Text von Mike Mateescu

 

Der gewaltige Maschinenpark auf der Bühne macht es deutlich. Es ist das Finale der Wintersounds-Serie und die meisten Besucher sind weder zufällig noch aus Mangel an Gelegenheiten erschienen. Denn nachdem sich hier bereits Nachwuchsformationen aus allen Kantonen präsentiert hatten, werden an diesem bitterkalten Donnerstagabend nun zwei Acts aus Tsüri die Bombe zünden. Die eine Band wird derzeit als neue heisse Hoffnung gehandelt, während die andere seit über einem Jahr vierdiente Lobpreisungen als Allstar-Combo geniesst. Gerade weil sie so kompromisslos musizieren würden, hätte das Kaufleuten sie einladen müssen, weiss der Präsentator zu erzählen und prophezeit sogleich, dass man die Songs dieser Bands wohl nie im Mainstreamradio antreffen werde. Ein Riesenkompliment, wenngleich ein verschachteltes. Wer heutzutage auffallen will, der versucht das starre Schrimmelschrammel der Essereff-Landschaften tunlich zu umreiten.

 

Bild 1: Hard Coming Love entführen in den Dschungel. / Bild 2: The Deadly Storm verbeiten Märlistimmung. (Mit Maus über Bild fahren)

 

Den Anfang macht das Duo The Deadly Storm. Leadsänger und Gitarrist David kann sich kaum die Freude darüber verkneifen, dass sie nur ein Jahr und einen Tag nach ihrer Gründung bereits im Festsaal spielen dürfen. Gut versteckt hinter dem Drumkit bedient Bühnenpartnerin Driele den Synthie und verzaubert mit klarer Kehle. Gerade im Kontrast zur abgebrühten Zweitband kommt ein klein wenig Märlistimmung auf. Die Musik erinnert an Stoner Rock mit Marshmallow-Charme. Im besten Sinne. Da ist viel Luft zwischen den Noten. Aber keine heisse, sondern frische. The Deadly Storm spielen mit dem Verzicht und schlagen mit ihrer Spielfreude mühelos subtile Brücken zwischen Ketta-Disco, Blueswurzeln und almondesquen Analogwelten. Die Magie sprudelt geradezu aus ihnen heraus; zwei der performten Songs wurde erst am Vorabend geschrieben, da sind kleine Fehler und Zaghaftigkeiten verziehen. Und gegönnt sei ihnen auch der Luxus, sich selbst noch nicht vollständig festgelegt zu haben. Ungewissheit verstärkt die Vorfreude auf’s Plattendebüt.

 

 «Die Expendables des Rockn’Roll»

 

Nach der Pause dann kommt plötzlich ein Hauch aus Klaustrophobie auf. Die bärtigen Hunk-Rocker von Hard Coming Love, allesamt gestandene Mannsbilder aus der hiesigen Szene, stapfen in Unterhemden und unbedruckten T-Shirts breitbeinig in den kleinen Park und stecken ihre Claims ab. Drei Gitarristen, zwei Drummer, zwei Sänger, ein Bassist und ein Mann für die Samples stimmen zeitgleich die Instrumente. Das rhythmische Wummern dieses Synchron-Soundchecks geht nahtlos ins Konzert über. Auf ihrem Weg durch die Prärie veranstalten sie keinen Reiterwettbewerb, ringen einander keine Soli ab. Sie satteln pro Song genau ein einziges Ross und reiten dieses verwegen und unbeirrbar. Ihre Musik ist wie singender Granit, wie eine Feuerwalze, die das übliche Geschwafel im Publikum erstickt. Der Geruch von Zigaretten und Napalm liegt in der Luft. Kaum ein Augenpaar im gefüllten Saal, das sich der hypnotischen Wirkung der Riffs entziehen könnte. Und dann kommt der Moment, an dem man sich einen Ausbruch wünscht. Gelegentlich will man zur Machete greifen und sich aus dem drückend heissen Gefängnis aus Schlingpflanzen kämpfen, in das die Band einen gesperrt hat. Dabei ist es genau diese liebevolle Folter, aus der die Musik von Hard Coming Love einen grossen Teil ihrer Urgewalt bezieht. Passt schon alles. Es ist Elf. Wir sind glücklich und ausgeschossen. Ersteres ist der Verdienst der Musiker, letzteres die Schuld von 7.50 pro Heineken-Flächschen. Unverschämt. Gut. 

Patrick Holenstein / Sa, 23. Feb 2013