Thom Yorke füllte die Halle 622

Konzert-Kritik: Thom Yorke in der Halle 622
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Handybild / © Bäckstage

Hin und wieder kommt es vor, dass man bei der Aufgabe eine Konzertreview zu schreiben, fast einem weissen Blatt gleich ist, jedenfalls was die Waage zwischen Erwartung und Vorwissen betrifft. Bei Thom Yorke in der Halle 622 griff der Vergleich ziemlich gut. Klar, er ist weltbekannt als Frontmann von Radiohead, aber mit Songs der Band durfte nicht zwingend gerechnet werden. So viel war im Vorfeld klar. Ebenfalls war in Stein gemeisselt, dass Solo-Gigs von Yorke äusserst rar sind und wenn der als zurückhaltend geltende Musiker schon in Zürich auftritt, darf man sich seine Show auch völlig unvoreingenommen anschauen. 

 

In der ausverkaufen Halle 622 angekommen, zeigten sich hinter der Bühne 5 weisse Leinwände. So simpel und unspektakulär, so passend für Thom Yorke. Dann zischte ein Bass durch den Saal, Hände (und Smartphones) schossen in die Höhe, das bunt gemischte Publikum verfiel kurz in Ekstase, während sich auf der Bühne Thom Yorke, Nigel Godrich, der sich als Produzent von Radiohead einen Namen gemacht hat, und der Visual Arts-Künstler Tarik Barri in Position brachten. Drei Menschen, ein paar Keyboard- bzw. Synthie-Pulte und sonst nicht viel. Schliesslich versucht sich Thom Yorke in seinen Solo-Trips bewusst von Radiohead zu distanzieren, wird im Tagesanzeiger sogar sinngmäss mit Gitarrenbands seien langweilig, da sie alle das Gleiche tun würden zitiert. Schon beim ersten Song unterstrichen die Visuals auf den Leinwänden die dichten Soundkonstrukte. Schnell war klar, dass hier Profis am Werk sind, Musiker, die eine Vision haben. Als wichtiges Element zeigten sich dabei die Visuals. Den Einstieg bot anfangs nur ein feiner blau bzw. rot leuchtender Strahl auf der mittleren Leinwand, der sich zunehmend in Farben, bunte Gitter und alle möglichen hypnotischen Muster entfaltete. 

 

Zwischen hervorragendem 90er-Rave und Trip Hop 

 

Hypnotisch ist dann auch das Stichwort beim Sound. Der war angenehm gemixt, drang durch den präzise ins Gehirn zielenden Beat und den sirenenhaften Gesang von Thom Yorke durch Mark und Bein. Man fühlte sich irgendwo zwischen einem hervorragenden 90er-Rave und Auslegern von Trip Hop und ja, dabei kann man sich gleichzeitig wohl fühlen und in einer nostalgischen Blase schweben - trotz der heissen Temperaturen in der Halle 622. Beim Trio um Thom Yorke klangen die Soundmosaike wunderbar arrangiert, oft minimalistisch, aber kurz darauf wieder wuchtig, fast als ob einen die Zeit, um das Gehörte direkt zu verarbeiten, gar nicht gegeben werden soll. Thom Yorke als Gesamtkunstwerk, das erst nach Verlassen der Halle nachwirkt? Mag sein, bleibt aber wohl Geheimnis des introvertierten Musikers, der nach über einer halben Stunde ein scheues «Danke» über die Lippen brachte. Ihm ist die Musik wichtiger, sie ist seine Sprache, darüber drückt er sich aus, es ist seine Spielwiese. Da darf dann auch mal ein einem U-Boot-Sonar ähnlicher Effekt durch die Halle schweben. An diesem Zeitpunkt hatte Thom Yorke das Publikum eh längst auf seiner Seite. Woran man das merkte? Das Zürcher Publikum war erstaunlich willig zuzuhören, einzutauchen und sich auf die Reise zu begeben, auf die Yorke einlud. 

 

Die Reise führte dann quer durch sein Solo-Schaffen und streifte durch einzelne Songs das Side-Project Atoms For Peace (bei dem auch Flea von den Red Hot Chili Peppers im Boot ist), so fand das packende «Amok» Einzug in die Setlist und wie wenn Thom Yorke den im ersten Abschnitt erwähnen Punkt mit den Erwartungen brechen wollte, wählte er als letzte Zugabe noch den Radiohead-Song «Spectre», gespielt vor einem Sternenhimmel. Der Song fand erst wenige Tage vorher in Italien sein Live-Debüt. Somit rundete Thom seine Solo-Show gelassen und spektakulär ab, wobei er mühelos einen ruhigen Kontrast zum gerade erlebten Konzert setzte. 

 

Thom Yorke war eine Wundertüte, jedenfalls für mich. Der kreative Musiker hat in der Halle 622 ein intensives Stück Musik hinterlassen, ein Konzert für die Geschichte, auf das man sich aber einlassen musste, um Thom’s Welt zu entdecken. 

 

Bäckstage Redaktion / Fr, 01. Jun 2018