Sugardaddy Dave

Konzertkritik: Dave Stewart im Kaufleuten
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Bäckstage.ch / @ Stéphane Kaeser

Die Vorbereitungen auf das letztwöchige Interview mit Dave Stewart (Hier zu lesen) haben das Interesse an diesem Musiker definitiv geweckt. Wer ist dieser Mann, der sich neulich als eine Art Zirkusdirektor porträtierte, mit schwarzem Zylinder, paillettenbestückten bunten Anzügen und immer in Begleitung von schönen jungen Frauen mit wuchtigen Stimmen? Dieser 60jährige Herr scheint sichtlich Spass an seinen wechselnden Rollen im Musik- und Filmgeschäft zu haben, und wer kann es ihm vergönnen? Sein Beizug von Sängerinnen für seine Musikprojekte ist aber auch Teil seines Planes, denn nach Auflösung von Eurythmics (welche vor allem in den 80ern weltweit 75 Millionen Platten verkauften) benötigte Stewart Ersatz für die charismatische und stimmgewaltige Annie Lennox. Seine Musikprojekte hiessen in den letzten Jahren Superheavy (mit Mick Jagger, Joss Stone und Damian Marley) und Platinum Weird (mit Kara DioGuardi); jetzt ist Mr. Stewart auf Solotournee mit seiner neuen Scheibe «Lucky Numbers». 

 

Saint Lu als Teil des ganzen Konzertes

 

Normalerweise gibt es bei Konzerten des Veranstalters Allblues keine Vorband, sodass ich Saint Lu, die Band der Sängerin Luise Gruber, verpasste (auch weil vor dem Kaufleuten gerade ein Bentley abgeschleppt wurde, was für etwas Aufregung und Amusement sorgte). Später realisierte ich dann aber, dass Saint Lu nicht eigentlich Vorband war, sondern feste Supportband auf Dave Stewarts Konzerttournee durch Deutschland und die Schweiz. So kam es also, dass Luise und ihre Band massgeblicher Teil des ganzen Konzertes waren. 

 

Dave Stewart und seine drei Sängerinnen betraten die Bühne um circa 20.30h und das Konzert begann gemütlich und vielleicht etwas uninspiriert, mit einem Mix von Songs seiner drei letzten Alben «The Blackbird Diaries», «The Ringmaster General» und dem neuesten Album «Lucky Numbers». Das Publikum, bestehend aus den zwei Gruppen der 50 bis 60-jährigen «alten» Eurythmics-Fans und der 30 bis 40-jährigen Generation verhielt sich zu Beginn recht skeptisch, aber dennoch irgendwie staunend. Skeptisch, weil Dave Stewart für das konservative Zürich halt doch etwas extravagant daherkam, und staunend beim Auftritt seiner vier talentierten Sängerinnen (Luise von Saint Lu sowie Damen folgender Haarfarbe: 1 x blond, 1 x rothaarig und 2 x braunhaarig – wovon die eine Dave Stewarts 13jährige Tochter Kaya war). Der Glamour von Stewart und seinen Soul-Divas stand etwas im Kontrast zur recht grungy looking Band mit viel Tattoo, Rasta und grünen Turnschuhen, brachte aber durchwegs Spannung und Farbe ins Bühnenbild. 

 

 

On Stage legten sie dann nach ca. 30 Minuten richtig los mit dem Song «the kiss of your life», bei dem die blonde Sängerin den Lead übernahm. Beim nächsten Song «what the world» führte die zuvor so unsichere und schüchterne Kaya Stewart souverän den Lead und offenbarte ihr mächtiges Stimmorgan – und erhielt dafür gebührenden Applaus. «Here comes the rain again», einer der grossen Eutythmics-Hits, gehörte ganz Saint Lu, und hier erlebte man das erste Mal Gänsehaut, so schön war das ganze Arrangement für Ohr und Auge: die Vertrautheit, mit der sich Dave und Lucie aneinander lehnten und miteinander flirteten und musikalisch kommunizierten, ihr leidenschaftlicher Gesang und der kräftige Rock-Sound der Band in Abwechslung mit ruhigen Akustik-Passagen, aber auch die Feststellung, dass sich Dave oft zur Band wendete und den einzelnen Musikern Zeichen gab, mit einem Solo den Lead zu übernehmen. Diese Art von Lockerheit, Verspieltheit und Spass am ganzen «Zirkus» – das macht ein gutes Konzert aus! 

 

«Miracle Worker» beendet die Show

 

«Every single night», der erste Song seines neuesten Albums «Lucky Numbers» wurde in kerniger Rock-Manier dargeboten. Zum Schluss gab es mit «Sweet Dreams» nochmals einen alten Hit der Eurythmics, der besonders bei der älteren Zuschauergruppe mit Begeisterung aufgenommen wurde. Die Band liess sich für drei Zugaben erwärmen – «Shakin what my momma gave me», da konnte die rothaarige Soulsängerin aus dem Vollen schöpfen. Und «Sisters are doing it for themselves» brachte die vier Mädels in ausgelassene Partystimmung (leider machte das kritisch-träge Publikum nicht wirklich mit) - die Sängerinnen sangen und tanzten gemeinsam um die Gunst des Publikums und jener von Sugardaddy Dave. Von dieser Energie wurde sofort auch die männliche Band angesteckt und brachte schöne Einlagen. Das Konzert schloss endgültig mit einer Reggae-Version von «Miracle Worker» und war witzig, charmant und herzerwärmend. Zu Beginn des Stücks passierte eine technische Panne, die Dave Stewart dem Publikum mit Humor erklärte: «No one in the band seems to really know this song». Das war auch nicht das einzige Mal, dass sich Stewart ans Publikum wandte und in englisch-lockerer und aufgestellter Manier das Publikum für sich gewann. 

 

Es gibt kritische Stimmen, welche Dave Stewarts Solokarriere und –alben als uninspiriert abtun sowie auch seine etwas magere Stimme (in Relation zu Annie Lennox – das ist doch ein etwas unfairer Vergleich) bemängeln. Ich hingegen sehe an diesem Abend einen erfolgreichen und grosszügigen Musiker, der sich als Zirkusdirektor gefällt und es vorzieht, junge Talente ins Scheinwerferlicht zu rücken, anstatt ihnen nur einen Platz in seinem Schatten zu überlassen. Dabei bringt er eine Show auf die Bühne, die für das Ohr und das Auge den Eintrittspreis auf jeden Fall wert war und in guter Erinnerung bleibt. 

 

 

Bilder: Bäckstage.ch / © Stéphane Kaeser

markusfreiwillis / So, 06. Okt 2013