Rufus Wainwright und die Last der Erwartungen

Konzertkritik: Rufus Wainwright
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Facebook Rufus Wainwright

«Ich bin enttäuscht.» Kurz und präzise fasste eine Besucherin gegenüber ihrem Freund das Konzert von Rufus Wainwright zusammen. Und so ganz falsch liegt sie damit nicht. Natürlich beherrscht Rufus das Klavierspielen und seine Stimme steigt mühelos in die Höhe und kann sich auch in tiefen Lagen lauschen lassen. Aber der gute Rufus war auch anstrengend, zu ähnlich seine Stücke, zu wenige Highlight in der Show, die doch als «Best-of» verkauft wurde. Aufgelockert wurde das Konzert in jenen Momenten, in denen Rufus’ Halbschwester Lucy Wainwright Roche die Bühne betrat. Mal als Imitat von Liza Minnelli und mal einfach als die jüngere Halbschwester. 

 

Schon im Vorprogramm konnte Lucy die Menschen im Volkshaus mühelos um den Finger wickeln. Sie beherrschte es meisterlich, auf das Publikum einzugehen, erzählt von ihren Erfahrungen mit den Schweizern und forderte auf, Fragen zu stellen, die sie natürlich gern und mit viel Humor beantwortete. Daneben spielte sie Gitarre und sang eigene Songs, in denen sie zum Beispiel Conny Island besang, und ein Cover von Robyn hatte sie ebenfalls bereit. Als Zuschauer wunderte man sich beim rund dreissigminütigen Auftritt, wieso überall, wo Wainwright draufsteht, so viel Talent drin ist. Aber sie legte, was den Entertainmentfaktor angeht, die Latte für Rufus hoch. 

 

Genau hier krankte dann auch sein Konzert. Kennt man Rufus sonst als eloquenten und vielseitigen Musiker, der auch mal mit Verkleidungen oder Scherzen zu unterhalten vermag, so beschränkte er sich in Zürich auf seinen Gesang und sein Klavier- beziehungsweise Gitarrenspiel. Aber so ganz alleine wirkte er am Klavier oft seltsam blass und etwas eintönig. Und bevor jetzt die Rufus-Puristen in Sitzstreik treten, natürlich soll ihm sein Talent nicht abgesprochen werden, denn komponieren und singen kann der Amerikaner definitiv, schreibt er doch gerade an seiner zweiten Oper, und seine Stimme ist konstant stabil und er versteht sie einzusetzen. Aber allein schon die Tatsache, dass erstaunlich viele Menschen den Saal schon verfrüht verlassen haben, zeigt, dass wohl Erwartungen und tatsächliches Konzert nicht unbedingt eine Schnittstelle ergeben haben. Rufus war musikalisch sehr gut, aber auch anstrengend, für seine Verhältnisse eher scheu und trotzdem endete das Konzert mit Standing Ovations, zumindest von der Hälfte des Saals. Vielleicht lässt sich der Abend als ein Konzert der Gegensätze zusammenfassen. Der Name Rufus Wainwright weckt offenbar Assoziationen, die der Protagonist in Zürich nur bedingt erfüllen konnte. 

 

Und um den Kreis zum eingangs erwähnte Paar zu schliessen, sie schwangen sich nach der Show auf die Fahrräder, seufzten, «Vielleicht hätten wir es besser sein lassen», und verschwanden in der milden Nacht.

Patrick Holenstein / Di, 01. Apr 2014