Immer gut, aber etwas uninspiriert: Annenmaykantereit

Konzertkritik: Annenmaykantereit
Bildquelle: 
© Fabien J. R. Raclet / Instagram: @fabienraclet

Sie besingen die Freuden und Leiden der Adoleszenz. Die Auseinandersetzung mit dem Erwachsenwerden, der ersten grossen Lieben, darauffolgende Trennungen, Weltschmerz, erste Wohnungen, Freundschaften, Alltagssorgen und Existenzängste. Und sie singen dies aus tiefstem Herzen und mit einer Stimme, scharf und kantig wie ein Reibeisen. Und sie untermalen das Ganze mit vorantreibendem, stimmigen Indierock und viel Freude an der Sache.

 

Alles in Eigenregie, alles handgemacht

 

 

Annenmaykantereit haben einen Senkrechtstart hingelegt in den letzten beiden Jahren. Ohne Album, nur mit einer handvoll Youtube-Videos im Rucksack, stürzte sich die ehemalige Strassenmusiker-Truppe auf wilde Konzertourneen in kleinen Clubs und Festivals, brachten schliesslich eine EP raus und eroberten die deutschsprachige Musikwelt im Sturm. Alles in Eigenregie, alles handgemacht, alles selber organisiert. Mittlerweile haben die Kölner Jungs ein Studioalbum veröffentlicht unter dem grossen Majorlabel Universal. Nun denn.

 

Man mag es den jungen, trotzköpfigen, talentierten Musikern von Herzen gönnen, dass sie derart grossen Erfolg verbuchen können. Aber als Fan, der sie noch in kleinen Clubs gesehen hat, ohne ohrenbetäubend kreischende Mädchenfront in den ersten 20 Publikumsreihen, betrachtet man diese Entwicklung etwas argwöhnisch.

 

Dabei hat sich die Musik von Annenmaykantereit kaum merklich verändert, jedenfalls live. Das viel zu sauber abgemischte Studioalbum «Allex nix konkretes» enttäuscht hinegen auf der ganzen Linie. Wenn man an ihre EP zurückdenkt, die noch richtig rau und fetzig daherkam und das gewisse Etwas mitbrachte, ist der geschleckte Mainstream-konforme Sound auf der neuen Platte beinahe eine Beleidigung an das Können der Band. Inwiefern Universal da reingeredet hat oder es Vorstellung der Band war, lässt sich nicht sagen, nur vermuten.

 

Musikalisch gesteigert

 

 

Nun aber zum Konzert im Zürcher X-Tra: Proppenvoll war der Konzertraum mit deutlich jungem Publikum, was zu erwarten war. Schliesslich war das Konzert schon lange im Voraus ausverkauft und der Hype um die Band hat sich nach dem Vertragsabschluss mit Universal ins Unermessliche gesteigert. Es war auch zu erwarten, dass nach dem ersten gesungenen Ton von Henning May, dem schlaksigen Frontmann der Band, tosendes Gekreische und Beifall die Musik schlagartig übertönte. Sein Stimmorgan ist schliesslich das unverkennbare Merkmal der Band, ein imposanter Bass, genau so kratzig und rau wie auch samtweich im nächsten Moment. Auch die Songauswahl überraschte nicht, denn nach erst einem Studioalbum und ein paar Youtube-Clips gibt das Repertoire nunmal nicht viel Neues her. So war die grosse Fangemeinde im X-Tra auch vollkommen happy, feierte jeden Song, tanzte, sang mit (zu gewissen Songs wirkte es beinahe wie Karaoke) und belohnte die Band stets mit überwältigendem Applaus. Annenmaykantereit spielten ihr Set souverän und solide. Man spürte, dass sie als Band mittlerweile gut zusammengewachsen sind und sich musikalisch gesteigert haben. Jedoch fiel auf, dass sie viele der Songs dieses Mal deutlich langsamer spielten, als auch schon. Dies führte zu teilweise recht schleppenden Abschnitten während des Konzerts und es liess beinahe Langeweile aufkommen. Die Mehrheit des Publikums störte sich jedoch nicht daran, an der Qualität der Songs war schliesslich nichts auszusetzen. Äusserst gut kamen natürlich die Hits wie «Wohin du gehst», «Pocahontas» und ihr Cover «Sunny“ an, die auch an diesem Abend mit ordentlich Tempo gespielt wurden und keinen Zuschauer mehr still stehen liess.

 

Es war definitiv nicht eine ihrer besseren Shows. Die Band wirkte teilweise beinahe ihrer eigenen Songs überdrüssig, was auch das eher träge Spieltempo erklären könnte. Ausserdem schien die Band auf der grossen Bühne vom X-Tra beinahe etwas verloren. Man kann es Annenmaykantereit nicht vorwerfen: Ihr momentanes Tour-Programm ist straff und anstrengend und sie geben momemtan alles für die Musik. Man mag die Vermarktung durch das Majorlabel etwas bedauern und ihre Entwicklung zur Mainstreamband auch, obwohl es abzusehen war. Trotzdem spielten sie ein solides Konzert, bei dem einfach das gewisse Etwas fehlte und auch der Rahmen vielleicht nicht der geeignetste war.

 

Mit etwas Geduld wird der Hype wieder abflachen und mit etwas Glück kann man die Band bald wieder in entspannterem Umfeld erleben.

 

Titelbild: Aufnahme aus dem X-Tra. Mit freundlicher Genehmigung von Fabien J. R. Raclet / Instagram: @fabienraclet

 

Natascha Evers / Fr, 15. Apr 2016