Übertönten sogar den Zug: Blaudzun spielten im Bogen F

Konzertkritik: Blaudzun im Bogen F
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Ein Konzertlokal in einem urchigen Steingewölbe zu eröffnen, ist ein Geniestreich. Das unvergleichbare Ambiente des Bogen F im Viadukt in Zürich bietet die optimale Grundlage für tolle, stimmungsvolle Musikabende. Nachdem vor einigen Jahren das Viadukt zwischen der Hardbrücke und dem Bahnhof Wipkingen mit Lokalen, Restaurants und Läden aufgewertet wurde, hat sich diese Flaniermeile unterhalb der Zuggeleise zu einer richtigen Goldgrube entwickelt.

 

Ohne Majorlabel bereits über 18‘000 Platten verkauft

 

Während die meisten Leute noch draussen vor dem Lokal die kühle Luft nach dem ersten Regentag seit langem genossen, legte Support Carus Thompson pünktlich mit seinem Set los. Der Australier widmet sich als Singer/Songwriter einem gitarrenlastigen Folksound und stammt aus der selben Indiependent-Szene wie seine berühmteren Down-Under-Kollegen John Butler Trio oder Xavier Rudd, mit denen er auch schon auf Tournee war. In seiner Heimat ist Thompson bereits ein angesehener Solokünstler und hat es geschafft, ohne Majorlabel über 18‘000 Platten zu verkaufen.

 

Dass dieser Erfolg berechtigt ist, zeigte er an diesem Abend deutlich. Mit einem ausgewogenen Mix aus berührenden Balladen und schnelleren Country-Folksongs war sein Auftritt kurzweilig und unterhaltsam. Entgegen des Fluchs, der oft auf Solokünstlern lastet, war sein Set zu keiner Zeit langweilig oder anstrengend. Unaufgeregt, aber durchaus energetisch und mit einem ansteckendem Optimismus spielte er seine Songs, die allesamt harmonisch zueinander passten, trotz ihrer unterschiedlichen Tempi und Stile. Carus Thompson ist ein sympathischer Kerl, den man sofort ins Herz schliesst.

 

Eine pulsierende und intensive Mischung

 

Nach einer kurzen Umbaupause tröpfelten die Musiker von Blaudzun auf die Bühne und begannen, zuerst noch ohne Frontmann Johannes Sigmond, mit einem sphärischen Intro ihr Konzert. Kurz darauf erschien auch der grosse Kopf hinter Blaudzun. Mit gewohnt eigenwilliger Frisur und dunkler Hornbrille nahm Johannes Sigmond den Raum sofort mit seiner Aura ein und die Band legte gemeinsam zum ersten Song an. Mit grossem Karacho ging es sogleich los. Blaudzuns Songs sind mehrheitlich stark perkussionierte, dynamische Stücke, die den Zuhörer stetig anheizen und kaum still stehen lassen. Aus insgesamt sieben Musikern, viel Trommeln, einer filigranen Violine und Sigmonds eindringlichem Gesang ergibt sich eine pulsierende und intensive Mischung, mit bemerkenswerter Emotionalität und viel Tiefgang. Trotz der enormen Kraft, die die Band an den Tag legen kann, zaubert sie auch immer wieder leise Momente. Eines dieser stillen Highlights ist bei jedem Konzert der Moment, wenn der hühnenhafte Frontmann zur Ukulele greift und einen Song alleine und ganz ohne Mikro und Verstärker mitten im Publikum vorträgt. Im Bogen F stellte er sich dazu auf die Treppe, die zum kleinen Balkon führt. Ordentlich Gänsehaut ist da vorprogrammiert.

 

Wenn man die Band schon länger verfolgt, fiel an diesem Abend auf, dass Blaudzun etwas müde zu sein schienen. Das ist aber überhaupt nicht verwunderlich, wenn man ihren strengen Tourplan verfolgt. Am Abend zuvor standen sie noch am Sziget-Festival in Budapest auf der Bühne. Bis Zürich ist das schon eine Tagesreise mit dem Car – da darf man etwas geschafft sein. Diejenigen, die Blaudzun das erste Mal erleben durften, merkten aber gar nicht, dass Sigmond etwas ruhiger und weniger erzählfreudiger war oder dass gewisse Musiker der Band sonst etwas aktiver auftreten.

 

Überzeugten mit betörender Wucht

 

Das Set bot einen guten Querschnitt durch Blaudzuns bereits erschiene Alben. Drei an der Zahl sind es, allesamt aussergewöhnliche, vielseitige Werke mit ohrwurmverdächtigen Songs, die unter die Haut gehen. Blaudzun ist eine sympathische und charismatische Band, die grosses Potential hat, süchtig zu machen. Ihre Shows sind emotionsgeladen, intensiv und leidenschaftlich. An diesem Abend im Bogen F überzeugten sie mit ihrer betörenden Wucht und einer ausserordentlichen Leistung.

Natascha Evers / Fr, 09. Aug 2013