Zombie-Indie aus Dänemark
Ein verzweifeltes Atmen ist zu hören, schemenhaft verweint flüstert eine Frau ihrer Tochter zu, dass alles gut sein würde, wenn sie am anderen Morgen erwacht. Schnitt. Nach den Opening Credits sehen wir Menschen an einem See, im Fokus ein junger Mann. Er schwingt sich auf sein Rad und fährt nach Hause. Gustav heisst er, erfahren wir aus dem Off. Vor der Haustür bemerkt Gustav erstmals die neuen Nachbarn, besonders die hübsche Tochter Sonja sticht ihm ins Auge. Kurz darauf feiert die Nachbarschaft ein Strassenfest und es treten seltsame Geschehnisse auf. Ein Junge erbricht heftig und eine alte Frau vermisst ihren Mann. Kalt und blau sei er vor dem TV gewesen und jetzt plötzlich weg. Gustav und sein Vater helfen der Frau, schenken ihrer Geschichte aber wenig Glauben. Meldungen von einem Virus, die bald darauf in den Nachrichten auftauchen und einige unerklärliche Unfälle scheinen aber doch einen Zusammenhang zu haben.
Dann macht die Armee kurzen Prozess und packt die kleine Reihenhaussiedlung in schwarze Plastikbahnen, die Menschen werden abgeschirmt und nur mit dem Nötigsten, etwas Wasser und Lebensmittel versorgt. Quasi mit Waffengewalt gefangen gehalten. Sie nennen es «Isolierungsgebiet», sind aber auch heillos überfordert. Währenddessen versucht sich die Menschen in der Vorortsiedlung mit der Notlage zu arrangieren. Gustav schleicht sich nach draussen und entdeckt ein Geheimnis.
Pulsierender Score
Im Zentrum der Ereignisse stehen Gustav, seinen Eltern und die Schwester. Und dann ist da noch Sonja, the girl next door, in die Gustav verschossen ist. Sie und ihre Mutter suchen Schutz im Haus von Gustavs Familie. Mit wenig Effekten spielt «What We Become» lange mit den Gedanken des Zuschauers, deutet nur an und lässt dann den Horror in den Köpfen aufbauen. Die Panik der kleinen Schwester, die schroffe Art des ausgerückten Militärs und die generelle Hilflosigkeit wirken. Nicht zu vergessen, der Umgang miteinander, das paranoide Verhalten gegenüber der eigenen Nachbarn. Die Menschlichkeit weicht der Angst, Ablehnung und Misstrauen erwachen. Dazu hämmert ein pulsierender Score à la «Halloween».
«What We Become» macht viel richtig und spielt mit dem Zombie-Genre. Der Film ist der erste apokalyptische Gerne-Film aus Dänemark und für Regisseur Bo Mikkelsen ist es der erste Spielfilm überhaupt. Dazu funktioniert die Chemie zwischen den jugendlichen Darstellern von Gustav (Benjamin Engell) und Sonja (Marie Hammer Boda) wunderbar.
Paranoia aus den Nachrichten
Während Gustav und Sonja im Wald reden und sich näher kommen, intensiviert sich die Lage um die Stadt. Es scheint, dass eine Epidemie ausgebrochen ist und nur die Vorstadt sicher ist. Das erweist sich aber ein Trugschluss. Die Familie versucht nicht krank zu werden, aber die Nachrichten und die Tipps, wie man das Virus nicht bekommt, sorgen nur für Paranoia.
Zu was wir werden bedeutet der englische Titel. Offen bleibt, ob er sich das auf die Infizierten bezieht, die sich in triebgesteuerte Bestien verwandeln, oder auf die knüppelharten Militärs, die schiessen, wenn nicht unverzüglich gehorcht wird und die so die Menschen wie Tiere behandeln. Das macht den Film interessant und weicht vom bekannten Zombie-Element ab. Der Fokus liegt lange auf den Gedanken der Menschen. Erst gegen Schluss fällt der Film doch noch kurz in die Stereotypen-Falle, die bei «The Walking Dead» regelmässig für repetitive Langeweile sorgt. Zombies sind schneller, flinker und geschickter als mancher Mensch. Naja. Das ist aber verschmerzbar, weil «What We Become» das Virus als etwas Unbekanntes inszeniert, sinnbildlich für Fremdes, das die Menschen bedroht. Hier von Symbolik zu sprechen, erübrigt sich.
«What We Become» ist ein unterhaltsamer Indie-Horror-Thriller, der sich mehr mit den Menschen als mit den Zombies beschäftigt. Damit gelingt dem Regisseur ein guter Mix.
- What We Become (Dänemark 2016)
- Regie & Drehbuch: Bo Mikkelsen
- Darsteller: Mille Dinesen, Marie Hammer Boda, Troels Lyby, Ole Dupont, Benjamin Engell
- Laufzeit: ca. 81 Minuten
- Im Handel: ab 18. November 2016