Segen und Fluch einer übermenschlichen Intelligenz

Movie-Kritik: Lucy
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© 2014 Universal Pictures International

Lucys (Scarlett Johansson, «The Avengers», «Her») unbeschwertes Leben als Partygirl und Studentin in Taiwan findet ein jähes Ende, als ihr aktueller Freund Richard (Pilou Asbaek, «The Borgias») sie in seinen gefährlichen Nebenjob verwickelt. Er bringt sie dazu, einen Koffer mit unbekanntem Inhalt an einen gewissen Mr. Jang (Choi Min-sik) zu überbringen, aber die Übergabe verläuft nicht reibungslos und Lucy wird verschleppt. Wie sie noch am eigenen Leib erfahren wird, ist Mr. Jang ein brutaler Drogendealer, der mit Hilfe von westlichen Touristen die neue Droge CPH4 in Umlauf bringen möchte. Ihr wird eine Packung der Droge in den Bauch einoperiert und sie muss damit zurück nach Hause fliegen. Als sie aber von einem Handlanger Jangs brutal verprügelt wird, platzt die Verpackung und ein grosser Teil der Droge gelingt in Ihren Körper. Die Überdosis setzt ungeahnte Kräfte in Lucy frei und steigert ihre Gehirnkapazität stufenweise über die üblichen 10 Prozent hinaus. Mit wachsender Prozentzahl vermehrt sich ihr Wissen. Sie kann bewusst ihre Zellen steuern, um körperliche Veränderungen herbeizuführen und schliesslich gelingt es ihr Menschen und Technologie durch Telepathie und Telekinese zu beeinflussen. Allerdings wird ihr auch bewusst, dass der positive Effekt nicht von Dauer ist und die rasante Entwicklung ihrer Zellen fatal sein wird. Sie kontaktiert den Wissenschaftler Prof. Samuel Norman (Morgan Freeman, «RED», «Invictus»), der sich auf diesem Gebiet spezialisiert hat. Um ihre Gehirnkapazität unter seiner Kontrolle versuchsweise auf 100 Prozent zu steigern, macht sie sich auf den Weg nach Paris. Doch um dieses Level zu erreichen und die Zersetzung ihres Körpers zu vermeiden, braucht Lucy die restlichen Drogen. Ein Wettlauf gegen die Zeit und gegen Mr. Jang beginnt.

 

Bild 1: Lucy in ihrer visualisierten Welt und plötzlich ist sie geschickt im Umgang mit Waffen. (Bild 2)

 

In gewohnter Manier legt Luc Besson («Nikita», «Léon – der Profi», «Das fünfte Element») ein visuell bestechendes und temporeiches Werk vor. Eine gewöhnliche Studentin durchlebt eine blutige Odyssee, an deren Ende es für sie schliesslich heisst: Alles oder Nichts. Obwohl die Story zu holprig und konstruiert wirkt, überzeugen die filmischen Stilmittel auf der ganzen Linie. Die Kampfszenen werden durch die Verwendung von Slow Motion und durch eindringliche, klassische Musik ästhetisiert. So erwecken sie einen verstörend-poetischen Eindruck, da sie auf eigentümliche Weise die brutale Konfrontation entschleunigen und tragen gleichzeitig auch zu einer Rhythmisierung des gesamten Films bei. 

 

Die Visualisierung der Story wird durch das Einschieben von kurzen Filmausschnitten aus Forschung, Wissenschaft und Tierwelt auf die Spitze getrieben. Die Gefahr, in die sich Lucy begibt, als sie gezwungenermassen den Koffer bei Mr. Jang abliefern muss, wird illustriert durch Bilder eines Leoparden, der seine Beute jagt und einer Maus, die in die Falle tappt. Auch die Vorlesungen von Prof. Norman, die den pseudo-wissenschaftlichen Rahmen der Geschichte bilden, werden durch thematische Bilderserien visualisiert. 

 

Bild 1: Lucy und Prof. Samuel Norman arbeiten zusammen, aber ohne Waffen geht es gegen einen Drogenboss halt nicht. (Bild 2) 

 

Lucys Drogentrip und ihre dadurch gesteigerte Wahrnehmungsfähigkeit verdeutlicht Besson mit der Verwendung leuchtender Farben und greller Lichtblitze, die sich sowohl in ihren Augen als auch in ihrem Umfeld zeigen. Wobei Taipeh mit seinen vielen bunten Leuchtreklamen und Neonlichtern ein geeignetes Setting für die Reizüberflutung bietet. Mit wachsender Gehirnkapazität wird die Welt für Lucy praktisch zu einem Touchscreen, wodurch sie mit wenigen Handbewegungen Informationen sammeln und ins Geschehen eingreifen kann. Dennoch erscheint die Entwicklung, die Lucy im Laufe des Films durchmacht, nicht erstrebenswert. Denn je mehr Wissen sie anhäuft, umso mehr verliert sie an Menschlichkeit bis sie schliesslich alle Infos wie ein Computer verarbeitet. Scarlett Johansson meistert diese schwierige Entwicklung von der zu Tode geängstigten Studentin zur toughen, erbarmungslosen Kämpferin so gut es unter den gegebenen Umständen möglich ist. Die flache Charakterzeichnung und das schnelle Erzähltempo lassen ihr wenig Spielraum, um die Tiefe der Figur ausreichend auszuloten.

 

Abschliessend lässt sich sagen, dass «Lucy» keine wirklich originelle Antwort zu dieser «Was wäre wenn…»-Frage bietet. Zum Schluss hin verliert sich die Geschichte dann immer mehr in einem surrealen Bilderrausch, dessen Sog sich der Zuschauer allerdings schwer entziehen kann. So ist der Film wegen seiner visuellen Aufmachung trotzdem sehr empfehlenswert. Wenn man ausserdem nicht so sehr auf eine logische Handlung bedacht ist und sich dem etwas unfreiwillig wirkenden Humor nicht verschliesst, bietet er ein kurzweiliges Kinoerlebnis.

 

  • Lucy (Frankreich 2014)
  • Regie & Drehbuch: Luc Besson
  • Darsteller: Scarlett Johansson, Morgan Freeman, Choi Min-sik, Pilou Asbaek
  • Laufzeit: 98 Minuten
  • Kinostart: 14. August 2014

 

 

Bilder: © 2014 Universal Pictures International All Rights Reserved

Sule Durmazkeser / Mi, 13. Aug 2014