Schneewittchen und ein Puppenhaus

Movie-Kritik: Schneewittchen (Walt Disney)
Bildquelle: 
Disney Films

Bei der Oscar-Verleihung 1939 wurde ein ganz spezieller Ehrenpreis vergeben. Es war ein Oscar und daneben sieben kleine Stauten, die als besondere Ehrung für den ersten abendfüllenden Zeichentrickfilm von Walt Disney gedacht waren. «Schneewittchen und die sieben Zwerge» heisst der Film und heute kennt wohl jedes Kind die Geschichte der unschuldig verjagten Prinzessin. Denn Schneewittchen hat eine böse Stiefmutter, die jeden Tag ihren Spiegel fragt, wer denn die Schönste im ganzen Land sei. Die Antwort war für die Königin so lange befriedigend, bis Schneewittchen eine junge Frau geworden war. Plötzlich war sie hübscher, gar schöner als die verbitterte Regentin. Das passte der Königin nicht. Also liess sie den Jäger kommen und beauftragte ihn, Schneewittchen tief in den Wald zu bringen und sie zu töten. Als Beweis soll er das Herz von Schneewittchen mitbringen. Doch der Jäger schafft es nicht und lässt Schneewittchen laufen. Der Königin legt er ein Tierherz vor. 

 

Auf der Flucht durch den dunklen Wald findet Schneewittchen in einem kleinen Häuschen Schutz. Sie geht ohne zu zögern rein und schaut sich um, findet viel Unordnung und sieben kleine Bettchen. Etwas verwirrt beginnt sie zu putzen und dann schläft sie über drei Bettchen quer liegend ein. Das Haus gehört sieben Zwergen, die tagsüber in einer Diamantenmine arbeiten. Als die Zwerge nach Hause kommen, finden sie Schneewittchen und sind sehr überrascht. Aber man nähert sich schnell an und so bleibt Schneewittchen und kümmert sich um den Haushalt und die Zwerge. Der Alltag normalisiert sich schnell und Schneewittchen sowie die Zwerge sind zufrieden. Doch als die Königin irgendwann wieder den Spiegel nach der schönsten Frau im Land befragt, sagt dieser, dass Schneewittchen noch viel schöner sei. Der Königin jagt es den Hut hoch und sie beschliesst, die Prinzessin selbst zu töten. Sie verkleidet sich als alte Bettlerin und bringt Schneewittchen einen wunderschönen, aber vergifteten Apfel. Schneewittchen beisst herzhaft in das Obst und das Schicksal nimmt seinen Lauf.

 

Schneewittchen in strahlenden Bildern

 

Unter den Märchen der Gebrüder Grimm zählt Schneewittchen und die sieben Zwerge wohl zu den bekanntesten Erzählungen. Aber als Walt Disney mit der Arbeit an der Filmversion begann, wurde er belächelt und sein Projekt als Eselei (Engl.: folly) bezeichnet. Wie zum Gegenbeweis finanzierten die Einnahmen des Films allerdings die Disney Studios in Burbank und gaben Disney Recht. Heute gilt der Film bei einigen grossen Namen der Filmbranche zu den Lieblingsfilmen. Etwa Sergej M. Eisenstein, der mit «Panzerkreuzer Potemkin» Filmgeschichte schrieb, zählt «Schneewittchen und die sieben Zwerge» zu den besten Filmen, die je gemacht wurden. Und wenn die kristallklaren Bilder der Blu-Ray auf dem Fernseher erscheinen, ist man geneigt, ihm recht zu geben. Nach über 75 Jahren hat der Film nichts von seiner Faszination verloren. Im Gegenteil. Die Bilder wirken frischer denn je, die Songs sind zeitlos und die liebevoll von Hand animierten Figuren strotzen nur so vor Witz und Detailtreue. Der weiche Zeichenstil repräsentiert die Art, wie damals gearbeitet wurde und so ist der Film gleichzeitig ein animiertes Zeitdokument. 

 

Der Witz, den der Film besitzt, geht locker als Situationskomik durch, wirkt aber nie übertrieben, ist einerseits kindgerecht, aber andererseits auch durchaus witzig genug für Erwachsene. Vielleicht hat sich das Buchstabentauschen, dass Chef, der Boss der Zwerge, in fast jedem Satz macht, deshalb bis heute gehalten und vielleicht wurde es bei RTL Samstag Nacht deshalb zum Kult. Schon beim ersten langen Zeichentrickfilm von Disney fehlt das Markenzeichen nicht: die Tiere. Zwar sprechen hier die Tiere nicht, aber sie drücken sich mit Gesten aus. Etwa die Hasen, die neugierig beobachten, wenn Schneewittchen das Häuschen betritt oder die Rehe, die die Zwerge nach dem Besuch der Hexe sofort holen. Schneewittchen selbst hat in ihrer leicht naiven Art einen humorvollen Touch. So freut sie sich sehr, als sie das Haus der Zwerge sieht und meint: «Das sieht ja aus wie ein Puppenhaus.“ Und so verwischen die Lebensfreude von Schneewittchen und die neugierigen Tiere im Wald zu einer schönen Gemeinschaft. Das funktioniert bestens und deshalb ist es auch kein Wunder, dass der Film ohne Altersfreigabe verkauft wird. Auf Blu-Ray bekommt der erste Zeichentrickfilm aus dem Hause Disney eine verdiente Würdigung und wenn man bedenkt, dass der Film 1937 zum ersten Mal gezeigt wurde, so verdient das Meisterwerk die Überarbeitung, damit die Bilder noch mehr strahlen. Dieses Ziel ist absolut gelungen.  

 

  • Schneewittchen und die siebe Zwerge (USA 1937)
  • Regie: William Cottrell, David Hand, Wilfred Jackson, Larry Morey, Perce Pearce, Ben Sharpsteen
  • Stimmen: Roy Atwell, Stuart Buchanan, Adriana Caselotti, Hall Johnson Choir, Eddie Collins, Pinto Colvig
  • Laufzeit: ca. 83 Minuten
  • Verkaufsstart: Ab sofort im Handel auf Blu-Ray erhältlich. 
Patrick Holenstein / Fr, 14. Nov 2014