Die unheimlichen Leiden einer jungen Lehrerin

DVD-Kritik: Die Besessenen
Bildquelle: 
© 2020 Universal Pictures Germany.

Irgendwann mitten in den 1990ern. Die junge Lehrerin Kate (Mackenzie Davis, «Terminator: Dark Fate») bekommt das einmalige Angebot, das Mädchen Flora (Brooklynn Prince, «The Florida Projekt») zu unterrichten. Also zieht sie auf das riesige Familienanwesen auf dem Land, um sich besser um Flora zu kümmern. Neben der kleinen Schülerin lebt noch die Haushälterin Mrs. Grose im stattlichen Gemäuer. Schon in der ersten Nacht taucht überraschend der ältere Bruder Miles (Finn Wolfhard, «Stranger Things») auf, der eigentlich im Internat sein sollte. Er erschreckt Kate, als diese einem Geräusch im geheimnisvollen Flügel des Hauses nachgeht, den Flora aus Angst nicht betritt. In den Nächten darauf sieht Kate immer wieder unerklärliche Dinge. Flüchtige Schatten im Spiegel, Umrisse durch das Badewasser, eiskalte Hände auf ihrem Körper. Es scheint, dass das Gemäuer ein dunkles Geheimnis verbirgt. Zudem beschleicht Kate der Eindruck, dass die beiden Kids Bescheid wissen. Oder spielen ihr doch die Sinne einen Streich? Als Miles immer frecher wird und Kate sogar massiv bedroht, ist diese nahe daran, einfach hinzuschmeissen. Sie ändert aber ihre Meinung. Hauptsächlich wegen Flora, der sie versprach, sie nicht alleine zu lassen. Bei der Analyse von Notizen ihrer unter ungeklärten Umständen verstorbenen Vorgängerin, findet Kate Tagebucheinträge, die bedrohlich klingen. Bald werden ihre Visionen stärker.

 

Darstellerische Leistung trägt den Film

 

«Die Besessenen» baut relativ schnell eine dichte Atmosphäre auf. Es sind die langen, unheilvollen Gänge des Gebäudes, aber auch die jederzeit nebelverhangene Landschaft und die düsteren Farben, oft von Grau oder Braun dominiert, die die Szenerie bestimmen. Zum herbstlichen Setting kommt die Leistung der drei Hauptfiguren. Brooklynn Prince spielt erneut facettenreich und positioniert sich als ganz grosse Hoffnung für die Zukunft. Finn Wolfhard, der kleine Mike aus «Stranger Things», darf sich hier mal als Stinkstiefel so richtig austoben und Mackenzie Davis als Lehrerin versucht verzweifelt, die Kinder zu erreichen, was sie glaubhaft verkörpert. Wie Davis die Verzweiflung ihrer Figur immer stärker in das Spiel einbaut, ist bemerkenswert. Zudem hat das Team aus der Maske geniale Arbeit geleistet. Je mehr die junge Lehrerin dem Schrecken nahekommt, desto bleicher wird sie. Wie Asche wirkt ihre Haut stellenweise. Das Trio trägt den Film mit der darstellerischen Leisung und schafft es so, über die etwas dünne Story hinwegzuführen.

 

Lehrerin Kate im grusligen Nebel inklusive Schatten im Hintergrund. (© 2020 Universal Pictures Germany.)

 

Daneben sind viele klassische Elemente aus Horrorfilmen zu finden. Die Steinfiguren auf dem Areal etwa, still und stumm und doch mit Gesichtern als ob sie Zeugen von schrecklichen Dingen gewesen wären. In manchen Momenten fühlt man sich an den Klassiker «Bis das Blut gefriert» erinnert. Solche eleganten Momente der Anspielungen sind nur meist kurz, aber eher kein Zufall. Dass Regisseurin Floria Sigismondi sich bei Kates Anreise per Auto für die Vogelperspektive entschieden hat, die spätestens seit «The Shining» bei Horrorfilmen ein böses Omen markiert, ist eine kleine Referenz an Stanley Kubricks ikonischen Film.

 

Angenehmer Grusel ohne viel Tiefe

 

Darüber hinaus sind bei «Die Besessenen», der auf dem erstmals 1898 veröffentlichten Roman «The Turn of the Screw» von Henry James basiert, viele Jump Scares mit klarer Ansage eingebaut und wer sich im Genre auskennt, wird sich zwar angenehm gruseln, aber schnell merken, dass es nicht der ganz grosse Wurf ist, sondern viele Elemente vorhersehbar sind. Zu stark setzt das Drehbuch auf Sicherheit und setzt erst viel zu spät auf das Spiel mit verschiedenen Ebenen wie Traum und Einbildung. Ein Grund dafür ist, dass der Film ziemlich klar nach dem bekannten Schema vieler Horrorfilme aufgebaut ist, gegen Schluss aber doch für sich in Anspruch nimmt, die Versatzstücke zu liefern, die man als Zuschauer selbst zusammenbauen darf. Das fängt zwar die simple Geschichte etwas auf, macht sie aber nur marginal tiefer und viel länger als der Abspann dauert, denkt man letztendlich dann doch nicht über Kate, Flora und Miles nach. Zudem wird das Ende nicht alle befriedigen. Trotzdem ist der Film durchaus für einen Gruselabend im kommenden Herbst geeignet.

 

Die Ansätze sind da und der Film ordentlich inszeniert, es wäre aber deutlich mehr möglich gewesen. «Die Besessenen» ist unterhaltsamer Grusel, der vom starken Cast getragen wird. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

 

  • «Die Besessenen» (USA, 2020)
  • Regie: Floria Sigismondi
  • Besetzung: Brooklynn Prince, Mackenzie Davis, Finn Wolfhard
  • Laufzeit: ca. 94 Minuten
  • Im Handel ab 3. September 2020

 

Bäckstage Redaktion / So, 30. Aug 2020