Die Schwierigkeit, im 21. Jahrhundert ein Vampir zu sein

Movie-Kritik: Only Lovers Left Alive
Bildquelle: 
Filmcoopi

Ist es möglich, dass jemand seine Unsterblichkeit freiwillig aufs Spiel setzt? Oder anders gefragt: Kann ein Vampir lebensmüde sein? Adam (Tom Hiddleston, «Thor») scheint jedenfalls vom ewigen Leben die Nase voll zu haben. Als schwermütiger Undergroundmusiker fristet er ein einsames Dasein in einer heruntergekommenen Villa in Detroit. Das Haus verlässt er nur, um einen Vorrat an unverseuchtem Blut von einem Laboranten aus dem Krankenhaus abzukaufen. Als seine Frau Eve (Tilda Swinton, «Michael Clayton»), die im marokkanischen Tanger lebt, von seiner gedrückten Stimmung erfährt, macht sie sich sofort auf den Weg zu ihm. Auch wenn Eves Anwesenheit zunächst wieder einen Sinn in Adams Leben bringt, ist ihre Zweisamkeit nur von kurzer Dauer. Durch den ungewollten Besuch von Eves Schwester Ava (Mia Wasikowska, «Alice in Wonderland») ist es vorbei mit der Ruhe. Die Schwierigkeiten, die Ava verursacht, reissen die beiden Aussteiger aus ihrer friedlichen Zweisamkeit und strapazieren besonders Adams Geduld. 

 

Bild 1: Adam und Eve lieben sich durch die Jahrhunderte. Störend ist dabei nur (Bild 2) die kleine Schwester von Eve. 

 

Obwohl «Twilight» das Vampirgenre gehörig strapaziert hat, erfreut sich das Thema bei vielen Filmemachern immer noch grosser Beliebtheit. So nimmt sich auch Kultregisseur Jim Jarmusch mit «Only Lovers Left Alive» der Vampire an. Aber Jarmusch wäre nicht Jarmusch, wenn er der Vampirstory nicht seinen eigenen Stempel aufdrücken würde. Die Untoten in seinem Film sind hochkultivierte, gebildete, aber auch sensible Wesen, die mit einem Gefühl der Entfremdung auf die moderne Welt blicken. Besonders Adam kann dieser Ära nichts abgewinnen. Für ihn sind alle Menschen «Zombies», die nur noch als Schatten ihres Selbst existieren und deren ungesunder Lebenswandel den Genuss ihres Blutes zum Risiko für Vampire hat werden lassen. Nur bei Eve fühlt er sich geborgen. Die beiden verbindet eine Liebe, die bereits viele Jahrhunderte überdauert hat. In jeder Ära waren sie Zeugen wichtiger kultureller Ereignisse, gehörten zum erlesenen Kreis der zeitgenössischen Künstler, Schriftsteller und Musiker. Jarmusch lässt die Namen sehr vieler historischer Persönlichkeiten gekonnt in die Dialoge einfliessen, ohne dass diese Gespräche zwischen Adam und Eve je absurd oder gekünstelt wirken. Vielmehr wird durch diese kulturhistorischen Referenzen und Zitate ein satirischer Unterton erzeugt, der vor allem auch auf das Vorwissen der Zuschauer baut, um sich wirklich zu entfalten.

 

Die Verachtung am moderenen Vampirismus 

 

Bei «Only Lovers Left Alive» ist der Aspekt des Vampirismus nur nebensächlich. Die beiden Hauptfiguren sind keine blutrünstigen Mörder, sondern haben ihre Gelüste – trotz einiger Versuchungen – gut unter Kontrolle. Denn der Kontrollverlust ist eine Schwäche, die besonders Adam sehr verachtet. Vielmehr funktioniert bei Jarmusch der Vampir als Metapher, die verschiedene Interpretationsansätze zulässt. Diese gelungene Auflösung des starren Vampirmotivs ist auch der grossartigen Besetzung zu verdanken. Besonders Tom Hiddleston und Tilda Swinton überzeugen als übernatürliche Wesen, die über unendliche Lebenserfahrung verfügen, aber gleichzeitig so verletzlich und verloren wirken. Ebenso erlaubt ihnen das Drehbuch eine Menschlichkeit an den Tag zu legen, mit der sich die Zuschauer doch auch identifizieren können.

 

Bild 1: Während sich Adam mit exklusiven Gitarren ablenkt, pflegt Eve eine Freundschaft zu Marlow (Bild 2). 

 

Trotz der relativ düsteren Grundstimmung behält der Film eine gewisse Leichtigkeit und kreiert durch seine Filmsprache eine entrückt-verträumte Stimmung. Viele Drehbewegungen und Slowmotion-Einstellungen sowie ein psychedelischer Sound, der zwischen rockig-düster und orientalisch-weich wechselt, verbinden die Figuren trotz räumlicher Distanz. Ausserdem lassen sie vor allem den Akt des Blutkonsums – ähnlich eines Drogentrips – halluzinatorisch und traumhaft erscheinen. Die dadurch erzeugte atmosphärische Dichte vermag die Zuschauer in ihren Bann zu ziehen und gleichzeitig auch die relativ einfache Story zu bereichern.

 

Nichtsdestotrotz ist «Only Lovers Left Alive» weit davon entfernt leichtes Unterhaltungskino zu sein. Durch seine Ansiedlung zwischen Genre- und Arthousekino empfiehlt er sich vor allem für eingefleischte Jarmusch-Fans, sowie kulturgeschichtlich interessierte Liebhaber des Independent-Films.

 

  • Only Lovers Left Alive (UK / USA / Deutschland / Frankreich / Zypern 2013)
  • Regie: Jim Jarmusch
  • Drehbuch: Jim Jarmusch
  • Darsteller: Tom Hiddleston, Tilda Swinton, John Hurt, Mia Wasikowska
  • Laufzeit: 123 Minuten
  • Kinostart: 18. Dezember 2013
Sule Durmazkeser / Di, 17. Dez 2013