Der komische Doktor

Movie-Kritik: Dr. Strange
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Doctor Stephen Strange (Benedict Cumberbatch) ist der renommierteste Chirurg seiner Zeit und stolz auf seine medizinischen Fähigkeiten. Bei einem schweren Autounfall verletzt er aber beide Hände und kann nicht mehr als Arzt arbeiten. Er lässt sein Leben und seine Freundin (Rachel McAdams) zurück, um nach Nepal zu reisen und eine experimentellere Therapie zu finden. Er findet dort eine alte Lehrerin (Tilda Swinton), die einen interdimensionalen Krieg gegen ihren früheren Schüler Kaecilius (Mads Mikkelsen) führt.

 

Ein Blick von Tilda Swinton sprengt den Rahmen

 

Marvel scheint im Moment alles richtig zu machen: Sowohl die Fans als auch die Kritiker lieben die Filme. Zwischen Mega-Blockbustern wie «Captain America: Civil War» und den «Avengers»-Filmen bringen sie aber auch speziellere, weniger bekannte Figuren wie Doctor Strange oder nächstes Jahr Black Panther auf die Grossleinwand. Während die Filme mit kosmischen Ausmassen sich an viele Regeln halten müssen, scheinen die Filmemacher bei unbekannteren Figuren weniger gebunden zu sein. Marvel zeigt uns hier eine komische, absurde Seite ihres Universums – mit fantastischem Resultat. Tatsächlich sind die Aspekte des Filmes, die den Rahmen sprengen, die interessantesten. Dazu gehört die Darstellung von Nepals Hauptstadt Kathmandu und eine glatzköpfige Tilda Swinton, von der der Blick des Zuschauers dank einer durchdringenden Darbietung nie abweicht.

 

Die Lehrerin und der Doctor. ( © Marvel Studios. All Rights Reserved.)

 

Es sind aber die unglaublichen visuellen Effekte, die begeistern. Landschaften, Innenräume und Städte werden Opfer der realitätsverzerrenden Mächte, denen sich der Doktor und seine Gegner bedienen. Die mosaischen und spiegelverkehrenden Hochhäuser sind ehrfurchtgebietend. Die Effekte mögen an «Inception» erinnern, gehen aber noch ein paar Schritte weiter. Die Visualisierung der Fertigkeiten unserer Protagonisten gelingt also einwandfrei; leider wird nie genau definiert, wie stark jeweils welche Attacke und welcher Gegner sind, was den Zuschauer dem Geschehen gegenüber – dem noch unerfahrenen Doctor Strange nicht unähnlich – oft etwas ahnungslos lässt.

 

Marvel überzeugt mit seinen Stärken auch anderweitig: Flinker, humorvoller Dialog, ein schnelles Tempo, das selten pausiert und Schauspieler hohen Kalibers, die ihre Rollen sehr ernst nehmen. Benedict Cumberbatch, Rachel McAdams, Mads Mikkelsen und Chiwetel Ejiofor geben alles. Leider begeht Marvel aber auch die Fehler, die dem Studio so oft passieren: Ejiofors und McAdams Nebenfiguren sind auf ihre reaktionären Funktionen reduziert und wirken daher trotz guter Darbietungen der Schauspieler nicht plastisch. Ähnliches gilt für den Antagonist, gespielt durch den grossartigen Mads Mikkelsen. Obwohl seine Motivation eher verständlich ist als die vieler anderer Marvel-Bösewichte, wird ihm zu wenig Zeit im Film gegeben, um die Figur richtig zu entwickeln.

 

Marvel schafft es einmal mehr: Ein vorlauter Protagonist, unterhaltsame Action und überzeugende Schauspieler. Das Rezept funktioniert.

 

  • Dr. Strange (USA 2016)
  • Regie: Scott Derrickson 
  • Darsteller: Benedict Cumberbatch, Rachel McAdams, Tilda Swinton, Scott Adkins, Chiwetel Ejiofor, Michael Stuhlbarg  
  • Laufzeit: ca. 120 Minuten
  • Kinostart: 27. Oktober 2016

 

Jonas Stetter / Mi, 26. Okt 2016