Die Poesie des Alltäglichen

Movie-Kritik: Paterson
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© Filmcoopi

Paterson (Adam Driver, «Star Wars: Episode VII – The Force Awakens») führt ein unspektakuläres Leben. Er ist Busfahrer in einer Stadt in New Jersey, die so heisst wie er und wohnt mit seiner äusserst kreativen Frau Laura (Golshifteh Farahani, «Les Malheurs de Sophie», «Exodus: Gods and Kings») und einer äusserst eigenwilligen Bulldogge namens Marvin in einem kleinen Haus. In seiner Freizeit schreibt er Gedichte, die aber nur seine Frau zu hören bekommt. Laura, die ständig neue Lebensträume findet und verfolgt, versucht ihn davon zu überzeugen, seine Gedichte zu veröffentlichen. Doch Paterson ist nicht wirklich begeistert von der Idee. Er verspricht ihr zwar dennoch, zumindest zur Sicherheit eine Kopie von seinem Notizbuch anfertigen zu lassen, schiebt dieses Vorhaben aber vor sich her, weil er nicht glaubt, dass seinem Werk etwas zustossen könnte. Da hat er die Rechnung allerdings ohne Marvin gemacht …

 

In «Paterson» ist die Inspiration überall. Die Stimme der Hauptfigur aus dem Off, die ihre eigenen Gedichte rezitiert, Worte, die über die Bilder geschrieben werden, Montagesequenzen, die ihrerseits diesen Worten entsprechen. Das Ganze wird unterlegt mit psychedelischer Musik. Wasser, Wald, Wiesen: die Poesie der Natur, die sich in Patersons Gedanken manifestiert. Ebenso wie die Innenstadt, das Industriegebiet und verlassene, heruntergekommene Areale an denen Paterson mit dem Bus durchfährt. Jim Jarmuschs («Only Lovers Left Alive», «Broken Flowers») neuestes Werk über einen heimlichen Poeten ist an sich schon ein filmisches Gedicht. Die simple Story erlaubt es, sich treiben zu lassen und räumt der akustischen wie visuellen Wahrnehmung viel Platz ein. 

 

Die Konstante in Patersons Leben: er selbst. 

 

 

Die Zuschauer bekommen einen Einblick in Patersons Alltag. Während einer Woche wird man Zeuge der Routine, die Patersons Tage bestimmt. Trotzdem wird es nie langweilig ihm dabei zuzusehen, denn nur durch diese ständige Wiederholung des Gleichen wird die Liebe zum Detail, die Jarmuschs Werk ausmacht, erst deutlich. Ob es nun die künstlerischen Ambitionen seiner Frau sind oder das Mysterium um den schiefen Briefkasten, den Paterson jeden Abend zurechtrücken muss, schnell steht fest, dass die Konstante in Patersons Leben eigentlich nur er selbst ist. 

 

Paterson ist Zuhörer und Zuschauer. Sowohl als Busfahrer als auch als Gast in seiner Stammkneipe wird er immer wieder Zeuge unterschiedlichster Dialoge und Auseinandersetzungen. Es sind vor allem auch diese Dialoge, die viel zur Stärke des Films beitragen. Denn sowohl in als auch zwischen diesen Zeilen liegt Gesellschaftskritik sowie Poesie und in mancherlei Hinsicht auch viel trockener, jedoch fein dosierter, Humor. 

 

Ob schauspielerische Leistung, Drehbuch, visuelle und akustische Umsetzung, «Paterson» überzeugt in ganzer Linie. Jarmusch gelingt mit viel Minimalismus ein grossartiges, ganzheitliches Werk, das durchweg ein positives Gefühl erzeugt und zum Nachdenken wie auch zum Träumen anregt.

 

In «Paterson» inszeniert Jim Jarmusch mit viel Liebe zum Detail das Besondere im Alltäglichen und zeigt so, dass es überall Platz hat für ein bisschen Poesie.

 

  • Paterson (USA 2016)
  • Regie: Jim Jarmusch
  • Besetzung: Adam Driver,  Golshifteh Farahani
  • Laufzeit: ca. 118 Minuten
  • Im Kino: 22. Dezember 2016 

 

 

Sule Durmazkeser / Do, 22. Dez 2016