Der Waisenjunge und sein Drache

DVD-Kritik: Elliot, der Drache
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© The Walt Disney Company Switzerland.

«Muss das sein», fragt man sich manchmal, wenn aus der Filmindustrie neue Projekte bekannt gegeben werden und vergisst dabei, dass oft die eigene Sentimentalität eine Rolle spielt. Ich habe mich dabei erwischt, als «Elliot, der Drache» angekündigt wurde. Als emotionaler Filmfans haben sich mir alle Haare gesträubt. «Elliot - das Schmunzelmonster» ist schliesslich ein zeitloser Klassiker und Favorit meiner Kindheit. Aber dann kommt die Aufgabe einer neutralen Beurteilung und plötzlich sieht die Welt völlig anders aus.  

 

 Über den Wolken … Pete fliegt auf dem Rücken von Elliot mit. (© The Walt Disney Company Switzerland. All Rights Reserved.)

 

Die Geschichte ist schnell erzählt. Der vierjährige Pete hat gemeinsam mit den Eltern einen Autounfall, bei dem Vater und Mutter ums Leben kommen. Der kleine Pete bleibt alleine im Wald zurück. Dort findet ihn der Drache Elliot und adoptiert ihn. Sechs Jahre vergehen. Eines Tages finden Försterin Grace (Bryce Dallas Howard, «Jurassic World») und ihre Tochter Natalie (Oona Laurence) den kleinen Jungen. Als der von einem Drachen erzählt, belächeln sie ihn. Nur der Vater von Grace glaubt ihm, denn Meacham (Robert Redford) hatte Jahrzehnte zuvor ebenfalls eine Begegnung mit Elliot. Weil aber Elliot auf der Suche nach Pete unvorsichtig ist, fällt er den Arbeitern, die den Wald roden auf und sie jagen ihn. Pete, Natalie und ihre Familie versuchen alles, um Elliot zu retten. 

 

 

Verneigung vor dem Original 

 

 

Nicht ganz vierzig Jahre liegen zwischen dem Original (1977) und dem Remake. In der Zeit hat die Tricktechnik zweifelsfrei Quantensprünge gemacht. So ist der Drache Elliot zwar riesig, wirkt aber so verspielt und liebenswürdig wie ein Hund. Wenn er traurig blickt und die Ohren fallen lässt, zeigt er sehr viel Emotionen. Das Fell ist flauschig und sogar der Wind deutlich in den Haaren des Drachen zu sehen. Dagegen war im Original der Drache von Hand gezeichnet und hatte eher glatte Haut. Beide Versionen haben ihre Vorteile und, dass Elliot immer noch grünes Fell hat, darf ruhig als Verneigung vor dem Originalfilm interpretiert werden. 

 

Ein Aspekt, der im Originalfilm stark zur Geltung kam, ist die Fähigkeit von Elliot, sich unsichtbar zu machen. Das kann er zwar im neuen Film ebenfalls, wo er im Original aber viel Chaos anrichtete und stets Pete Schuld bekam, dreht sich im neuen Film die Handlung eher um Freundschaft, Familie und Rücksicht auf andere. Auf die komischen Momente wurde fast ganz verzichtet. Das macht «Elliot, der Drache» aber keineswegs humorlos, sondern belegt, dass der Stoff für eine neue Generation interpretiert werden kann. Dazu kommt der leicht gelbliche Filter, der den Bildern eine Wärme vermittelt, die dem modernen Märchen zusätzlich Stil verleiht. 

 

Pete freundet sich schnell mit Natalie an. (© The Walt Disney Company Switzerland. All Rights Reserved.)

 

Als letzter Punkt sei die Musik angesprochen. Das Original war als klassisches Musical aufgebaut, wie es Disney in jener Zeit meisterlich verstanden hat. Darauf verzichtet Regisseur David Lowery völlig. Es hätte irgendwie auch nicht zum Kontext der Geschichte gepasst. Auf Musik wurde allerdings nicht verzichtet, sondern sehr gute als musikalische Untermalung ausgewählt. Die amerikanische Dub-Step-Violinistin Lindsey Stirling hat erstmals an einem Soundtrack mitgearbeitet und war zusammen mit Andrew McMahon für «Something Wild» verantwortlich. Daneben hat die Folk-Pop-Band der Stunde, The Lumineers, mit «Nobody Knows» einen Ohrwurm im Film und wenn es etwas tiefer in die Songwriter-und Folkszene gehen soll, sind auf dem Soundtrack St. Vincent und Will «Bonnie Prince Billy» Oldham vertreten, letzterer mit dem wunderschönen «The Dragon Song». Der Soundtrack ist schlicht umwerfend und unterstreicht jederzeit perfekt die Emotionen. So geht Familienunterhaltung.

 

Das alles stellt aber das Original keineswegs in den Schatten, sondern reicht ihm die Hand. Nach anfänglichen Zweifeln an der Notwendigkeit eines Remakes, bin ich am Schluss überzeugt, dass Elliot in der Inkarnation von 2016 so viel Berechtigung hat, wie sein Ebenbild von 1977. 

 

Wer sich vom Original lösen kann, bekommt mit «Elliot, der Drache» ein berührendes Märchen für die ganze Familie. Wer das «Schmunzelmonster» aus den 70er-Jahren erst gar nicht kennt, wird Elliot sowieso lieben.  

  • Elliot, der Drache (USA 2016)
  • Regie: David Lowery
  • Besetzung: Bryce Dallas Howard, Robert Redford, Karl Urban, Wes Bentley, Oakes Fegley, Oona Laurence
  • Laufzeit: ca. 103 Minuten
  • In Handel: ab 22. Dezember 2016

 

Patrick Holenstein / Mi, 21. Dez 2016