24 Stunden für die Ewigkeit

DVD-Kritik: Le Mans 66
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© Twentieth Century Fox Home Entertainment

Reifen quietschen, lassen Unterschriften auf dem Asphalt. Auspuffrohre rauchen gnadenlos. Autos suchen sich drängelnd die Ideallinie, rauschen an der französischen Landschaft vorbei. Fahrer taktieren, drücken die Kupplung erst in letzter Sekunde, jagen den Motor in den roten Bereich und entlasten dann durch den Ruck am Schalthebel. Das Rennen von Le Mans ist pures Adrenalin für Motorsportfans.

 

Seit 1923 veranstaltet der Automobile Club de l’Ouest in der Nähe des nordfranzösischen Städtchens Le Mans ein legendäres und anspruchsvolles 24-Stunden-Autorennen. Dabei ist die Herausforderung, dass beachtliche Teile der Strecke unter dem Jahr als Landstrassen genutzt werden und so fahrerisches Geschick gefordert ist. Das Rennen von 1966 ist in die Geschichte eingegangen, weil sich Ford und Ferrari leidenschaftlich duellierten. Dieser Rivalität geht Regisseur James Mangold im Film «Le Mans 66 – Gegen jede Chance» nach.

 

Brillanter Mechaniker, pragmatischer Denker

 

Christian Bale spielt den kompromisslosen Fahrer und brillanten Mechaniker Ken Miles, der sich sowohl auf als auch neben der Piste kaum etwas sagen lässt. So stösst er immer wieder auf Probleme, weil er seine Genialität nicht mit seiner grossen Klappe vereinbaren kann. Dabei besitzt er eine Art magisches Gespür für Autos und liest sie wie ein offenes Buch, nennt sie liebevoll «Mein Mädchen». Anders ist da Matt Damon als ehemaliger Rennfahrer Carroll Shelby, der pragmatisch denkt und sachliche Entscheidungen auch trifft, wenn sie schmerzen oder Freundschaften in Frage stellen. So kehrt er auf ärztlichen Rat hin dem aktiven Rennfahren den Rücken, um mit dem eigenen Team seinen grössten Triumpf zu wiederholen: Ein Sieg beim legendären 24-Stundenrennen von Le Mans.

 

So tun sich Shelby und Miles zusammen und landen bei Ford, um ein Auto zu bauen und die Betonpisten unter den Reifen zum Kochen zu bringen und damit gleich die übermächtige Konkurrenz aus der Scuderia Ferrari in die Schranken zu weisen. 90 Tage bleiben dem Team, um einen Rennwagen zu bauen, der sich nicht nur mit Ferrari messen, sondern die ltaliener auch besiegen kann oder wie Shelby im Film sinngemäss sagt «Unter Le Mans beerdigen».

 

Miles und Shelby zählen zu den grossen Legenden der amerikanischen Motorsportgeschichte und sowohl die gemeinsame als auch die jeweils individuelle Geschichte bieten puren Filmstoff. Ken Miles fährt nicht nur Auto, er tanzt mit der 350 Km/h schnellen Bestie und ist sich dabei für Hochrisikofahrten und Schrammen nicht zu schade, scheint diese fast zu brauchen. Carroll Shelby ist das pragmatische Hirn des Duos, sorgt für die Infrastruktur und legt sich mit den Bossen in der Teppichetage an. Beide sind inzwischen verstorben, haben aber noch immer hohen Respekt bei den Fans.

 

Kamera mitten im Geschehen

 

James Mangold («Walk The Line», «Logan») stellt seinen Film auf drei Standbeine. 1. Die raue Freundschaft der beiden Pioniere. Eigentlich sind die beiden Männer grundverschieden und doch streiten sie sich im Film nur einmal so richtig. Dann dafür auf amüsante Weise in alles Öffentlichkeit und in den soeben getätigten Einkäufen. Dafür duellieren sich Bale und Damon nonverbal auf ganz hohem Niveau. 2. Die Probleme mit den PR-Menschen, die keine Ahnung vom Rennsport haben, aber alles besser wissen und – noch schlimmer – persönlich beleidigt fühlen. Shelby hat alle Mühe damit, Henry Ford II vom Rennteam zu überzeugen, weil sein Einflüsterer einen persönlichen Groll gegen Ken Miles hat. Aber Shelby kann sehr überzeugend sein. Seine ruhige, aber bestimmte Art ist oft die richtige Herangehensweise. 3. Die intelligent gestalteten Rennsequenzen. Man kennt Szenen mit Autorennen. Oft sind sie nicht so spannend, weil man weiss, wer gewinnt. Hier findet «Le Mans» im Schnitt eine clevere Lösung, indem die Kamera oft nicht auf Sieg oder nicht Sieg fokussiert, sondern den Tourenzählen einfängt und beispielsweise zeigt, in welchem Moment geschaltet wird. So kann man als Zuschauer nachvollziehen, wie sich die Entscheidungen im Fahrstil direkt auswirken und ob sie Konsequenzen haben. Die Kamera nimmt einen mitten ins Geschehen. Dazu sind die Aufnahmen in Le Mans, teils im strömenden Regen, optisch wunderschön gefilmt. So versteht man als Laie die Faszination, die vom bald 100-jährigen Strassenrennen ausgeht. Dafür ist der Oscar® für den besten Schnitt mehr als gerechtfertigt. Die zweite Statue erhielt der Film für die besten Soundbearbeitung. Bei vier Nominierungen, eine davon als bester Film, ist das eine gute Ausbeutung.

 

Natürlich glorifiziert der Film die amerikanische Autobaukunst und durch eine Aussage von Ford im Film, dass der zweite Weltkrieg ohne die Fabriken, die Kriegsmaterial produziert haben, nie gewonnen worden wäre, auch die USA generell. Zumindest der zweite Punkt ist historisch gesehen durchaus richtig, was die Fabriken betrifft. Den Krieg mussten trotzdem die Soldaten auf dem Schlachtfeld führen, aber mit einem Schuss Patriotismus in amerikanischen Filmen kann man als Konsument längst umgehen. Das macht einen Film nicht gut oder schlecht, passt aber sicherlich in den historischen Kontext des Films. Aber bei «Le Mans» sind es vor allem die fein abgestimmten Rennsequenzen und die süffisante Darstellung der beiden ungleichen Freunde Shelby und Miller, die für Spannung sorgen.

 

Selbst wer nicht Benzin im Blut hat, versteht die Faszination von Le Mans. Bale und Damon sind ein Teufelsduo.

 

  • Le Mans 66: Gegen jede Chance (USA 2019)
  • Regie: James Mangold
  • Darsteller: Christian Bale, Caitriona Balfe, Matt Damon, Jon Bernthal, Ray McKinnon, Josh Lucas, JJ Feild, Noah Jupe, Ian Harding, Tracy Letts
  • Laufzeit: 153 Minuten
  • Im Handel: 19. März 2020

 

Bäckstage Redaktion / Mi, 01. Apr 2020