Dry The River lassen Punk und Folk verschmelzen

CD-Kritik: Dry The River - «Shallow Bed»
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www.sonymusic.ch

Die Vorschusslorbeeren konnten Dry The River aus London gleich mit dem Lastwagen ernten. Ein paar umjubelte Auftritte beim renommierten «South By Southwest»-Festival in Austin, Texas, brachten sie im letzten Jahr ins Gespräch, am Glastonbury doppelten sie auf Einladung der BBC nach. Zudem standen sie auf vielen Listen, bei denen von aufstrebenden Acts für 2012 die Rede war.

 

Die fünfköpfige Band vereint im Grunde so ziemlich alles, was heutzutage von einer Folkband erwartet wird, die – gewollt oder ungewollt - auf der aktuellen Retro-Folkwelle schwimmt. Sie tragen Bärte, verlieren sich in wunderbaren Melodien, arbeiten mit akustischen Gitarren und haben sogar einen klassisch ausgebildeten Violinisten in der Band. Also Folk in Reinkultur. Und doch widersprechen die Bandmitglieder. Sie sehen ihre Wurzeln genauso im Punk. Vielleicht zum Teil noch im EMO. Der Frontmann von Dry The River, Peter Liddle, erklärt, EMO sei heute oftmals Ziel von Hohn, dabei sei die ursprüngliche Bedeutung emotive hardcore. Liddle ist dann auch überzeugt, dass es für Musik genau diese grundsätzliche Leidenschaft braucht. Diese besitzen Dry The River definitiv und bei genauem Hinhören wird schon klar, wieso die Band sich nicht so gerne auf die Folkschiene festlegen lassen möchte. Wenn etwa bei  «Lion’s Den» die Band plötzlich ausbricht, wird deutlich, dass in ihrer Brust eben doch auch ein kleines Punkherz schlägt. 

 

Dry The River (Quelle: www.sonymusic.ch)

 

Seit einigen Tagen ist das Debüt «Shallow Bed» nun also im Handel. Es ist gefüllt mit elf Songs, die, da kann selbst die Band nicht widersprechen, eine folkige Basis haben. Was Dry The River aber aus dieser Basis machen kann sich sehen lassen. «New Ceremony» zum Beispiel baut sich langsam auf, nur spärlich instrumentalisiert und voll auf die heisere Stimme von Peter Liddle fokussiert, und entwickelt im Laufe des Songs eine Melodie, die einen sogartig gefangen nimmt. Dry The River zählen allerdings schon zu der Sorte Bands, deren Songs sich nicht beim ersten Hören offenbaren. Etwa «History Book», das anfänglich nach 08/15-Pop klingt und sich genau wie «Demons» erst mit der Zeit vom sanften Grundton abhebt und seine wahre Schönheit erscheinen lässt. Ganz anders: «Shield Your Eyes». Hier ist man sofort dabei. Die Gitrarrenakkorde springen vom ersten Ton an durch die Gehörgänge, spielen mit der lebendigen Violine, vereinen sich mit dem  stampfenden Beat des Schlagzeugs und die Stimme von Peter Liddle -  sie erinnert stellenweise an den Gesang von Antony & The Johnsons – führt sämtliche Bestandteile in einer bestechenden Country-Folk-Nummer zusammen. So klingt Leidenschaft. 

 

Beim Hören von «Shallow Bed» fühlte ich mich gelegentlich an Port O’Brien erinnert. Mag sein, dass die Vermischung von Punk und Folk in eine ähnliche Richtung geht, vielleicht ist aber auch nur die Hoffnung auf eine Band, welche die entstandene Lücke schliesst, Vater des Gedankens. Schliesslich hat Van Pierszalowski Port O’Brien aufgelöst, um mit Waters dreckigeren Folk-Rock zu machen. Dry The River trauen sich fast noch etwas zu wenig, diesem spürbaren Verlangen nachzugeben. Da wäre noch etwas mehr möglich, denn so leidenschaftlich und verträumt viele der Stücke auf «Shallow Bed» sind, der Befreiungsschlag zum Schluss tut gut. Aber hey, das ist ja erst das Debüt!

 

  • Dry The River
  • Shallow Bed
  • Label: Sony
  • : 2. März
Patrick Holenstein / So, 04. Mär 2012