The Ramona Flowers: «Ich glaube, Stevil ist nie wirklich fort»

Interview mit The Ramona Flowers
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Pressebild / ©Phonag AG

Interview von Thomas Hügli

 

The Ramona Flowers aus Bristol sind gerade in Europa unterwegs. Es gibt die neue EP «Gotta Get Home» (Release: 18. November) zu bewerben und gleichzeitig ist die Band als Special Guest mit The Libertines unterwegs, auch am 9. November in Zürich, wo sich die Band um Frontmann Steve Bird Zeit für ein Interview genommen hat. Ein Gespräch über Erwartungen an die EP, Publikumsreaktionen, aber auch Streitigkeiten in der Band.

 

Was meinten die Medien mit unkontrollierter Meinungsverschiedenheit als ihr euch auf der Bühne während des Konzerts in Singapore am Formel 1 Grand-Prix handfest gestritten habt. Ging es um die Musik oder um eure Persönlichkeiten?

 

Steve: Ganz sicher Beides! (Alle lachen) Viele Dinge sind zusammengekommen. Wir waren alle schon lange getrennt von unseren Familien. Müdigkeit hat sich breit gemacht in der Band. Rückblickend war es dumm von uns, aber solche Sachen passieren in allen Bands.

 

Ed: Es war auch ein Wendepunkt in unserer Karriere. Es war wie ein Reset-Knopf der betätigt wurde.

 

Steve: Daraus ist ja auch einer unserer neuen Songs gewachsen, «Circle», der diese Erlebnisse verarbeitet. Nach diesem Erlebnis haben wir nie wieder unsere Zimmer geteilt, das war einfach zu toxisch und hat uns gegeneinander aufgebracht.

 

Steve, ist «Stevil» für immer Geschichte? (In Anlehnung an Steves Spitznamen, der den Teufel in sich trägt resp. getragen hat.) Hätte «Stevil» überhaupt Platz in deinem Familienleben?

 

Steve: Ich glaube, er ist nie wirklich fort. Aber er zeigt sein Gesicht nur noch ganz selten und ist definitiv unter Kontrolle. Irgendwann wurde mir klar, dass ich einfach erwachsen werde musste. Das Leben ist nie mehr dasselbe, wenn du eine Familie hast.

 

 

Steve: «Zwei der Songs unseres neuen Albums sind sehr persönlich und finster. Als ich sie geschrieben habe, dachten wir alle: Oh mein Gott, das war schwere Kost.»

 

 

«Wenn du zu oft schreist, hören dir die Leute nicht mehr zu». Das sind deine Worte Steve. Denkst du alle Menschen können ihr Verhalten ändern?

 

Steve: Mir ist aufgefallen, dass ich sehr laut zu meinen Mitmenschen war und je öfter ich dies wiederholte, desto weniger haben mir diese Leute zugehört. Es ist eine Weile gegangen, bis mir das aufgefallen ist. Vielleicht musste gerade ich, vielmehr wie viele andere, mein Verhalten ändern. Es gibt immer Dinge, die du dir selbst beweisen musst und du dann merkst, dass es auch anders geht.

 

The Ramona Flowers hatten eine radikale Veränderung nach dem «Desaster» in Singapore und während der Pandemie. Nach 10 Jahren seit Gründung der Band, habt ihr ein neues Management und einen neuen Produzenten. Aber am wichtigsten war eure Zusammenarbeit mit dem Songwriter John McClure Wie fühlt es sich heute an Musik zu machen? Habt ihr eure Unabhängigkeit verloren?

 

Steve: Er springt immer ein, wenn wir neue Songs schreiben, und unterstützt uns mit seinen aussergewöhnlichen Ideen. Er holt auch die verborgensten Gefühle aus unseren Seelen an die Oberfläche. Die Songs sind immer noch unsere Geschichten und ich kann mit ihm meine Ideen teilen, zu denen er wunderbare und erleuchtende Kommentare abgeben kann. Wenn wir mit ihm zusammen sind, fühlt es sich an, wie eine befreiende Therapie. Zwei der Songs unseres neuen Albums sind sehr persönlich und finster. Als ich sie geschrieben habe, dachten wir alle: Oh mein Gott, das war schwere Kost. Wir schreiben unsere Musik als Band, das bringt uns auch immer wieder näher zusammen.

 

The Ramona Flowers - «Gotta Get Home»

 

Ihr seid nun alle erwachsen und seht euch älter werden und ihr feiert euer Erwachsensein. Fühlt ihr euch weiser und seid ihr bereit für die Zukunft?

 

Steve: Auf jeden Fall weiser. Wir machen das nun schon eine ganze Weile zusammen und wir lernen durch unsere Fehler in der Vergangenheit. Wenn wir heute unseren vergangenen Alben zuhören, hätten wir nach unserem heutigen Entwicklungsstand einige Dinge anders gemacht. Wir gelangen langsam, aber sicher, mit einer gewissen Stabilität, dahin wo wir sein wollen.

 

Ed, du hast mal gesgt: «Und wir machen die beste Musik, die wir jemals gemacht haben.» Sagt das die Band oder das Publikum?

 

Ed: Ich glaube das ist eine Kombination aus dem, was wir sagen, unser Publikum, unser Produzent und viele andere, die an diesem Prozess der Entwicklung beteiligt sind. Unsere Musik kommt von Herzen und wir glauben an unsere Kreativität, welche uns trägt und uns beflügelt. Wenn wir live spielen, spüren wir ausserdem die Energie, die aus dem Publikum an uns gelangt. Das ist grossartig und gibt uns ein sehr gutes Gefühl, das Gefühl, dass wir etwas richtig machen.

 

 

Sam: «Wir verbringen sehr viel Zeit zusammen, da gibt es viele Abenteuer mit Höhen und Tiefen.»

 

 

Ich habe gelesen, dass deine Songs nach eurem echten Leben und euren gemeinsamen Abenteuern inspiriert sind. Ist das eine Strategie um die Gedanken zu leeren und Dinge hinter sich zu lassen?

 

Sam: Ja, genau. Es war eine Art Therapie. Es war nicht nur Steve, der über sich nachdenken und reflektieren muss. Wir hatten das alle nötig. In unseren Songs verarbeiten wir immer Geschichten von uns allen und die Themen gehen uns nie aus. Wir verbringen sehr viel Zeit zusammen, da gibt es viele Abenteuer mit Höhen und Tiefen.

 

Die neue EP «Gotta Get Home» erscheint am Freitag, 18. November. Was erwartet ihr für Reaktionen?

 

Steve: Was wir erwarten, ist das, was das Publikum von uns erwartet. Dass wir unsere Musik weiterentwickeln und nicht abgehoben wirken. Aktuell sind wir mit The Libertines auf Tour und da spielen wir jeden Abend in einer neuen Stadt. Die Setlist besteht eigentlich nur aus den neuen Songs, weil wir es nicht schaffen einen neuen Track zu streichen.

 

 

Bäckstage Redaktion / Mi, 16. Nov 2022