Casper: Ich brauche die Musik nicht als Ventil

Casper-Geheimkonzert und Interview
Bildquelle: 
redbull.ch

Text und Interview: Linda von Euw und Laura Zeller

 

Die Konzertlocation blieb bis zum letzten Moment geheim. Nicht mal der Star des Abends – der deutsche Rapper Casper – wusste, wo die Show stattfinden würde. Die 800 glücklichen, die via Energy ein Ticket gewonnen hatten, versammelten sich am frühen Abend des 19. Oktobers 2012 auf dem Welti-Furrer-Areal in Zürich. Dort standen Reise-Cars bereit, die die Casper-Fans nach Oerlikon in die ABB-Halle fuhren. Nebel aus Rauchmaschinen stieg vor dem Eingang zur Halle auf. Im Innern der riesigen Location war aber keine normale Bühne zu sehen. Ganz vorne stand der Red Bull Tourbus: ein eiercognacfarbener Saurer-Bus aus dem Jahr 1948. Er hat kein Dach, dafür eine Bühne obenauf. Der eine oder andere Festival-Besucher wird das lustige Gefährt schon mal registriert haben - im Sommer war es an diversen Schweizer Open-Airs zu sehen.

 

Den Anfang machte um 20:30 Uhr Thunderbird Gerard. Das sind der Amerikaner Trevor Gerard (der heute in Berlin wohnt) und Beatlefield-Producer DJ Stickle, der für die Beats verantwortlich ist. Eine halbe Stunde lang wärmte das Duo das Publikum für Casper auf. Auch an diesem Abend bewies der 30-jährige seine unglaubliche Bühnenpräsenz. Das Spezielle an der Busbühne: Die Band spielte oben, während Casper unten stand. Die Musiker meisterten diese Herausforderung aber mühelos. Casper zeigte sich gewohnt souverän, witzelte mit dem Publikum und vermochte seine Zuhörer vom ersten Moment an zu fesseln. Ob jung oder alt: praktisch jeder sang mit. Sogar ältere Songs, die Casper offiziell gar nie in der Schweiz herausgebracht hat, wie zum Beispiel «Unzerbrechlich». Der Bielefelder zeigte sich von der Textsicherheit des Publikums freudig überrascht. Nach mehr als einer Stunde waren alle durchgeschwitzt, erschöpft, aber glücklich. Natürlich ging Casper nicht von der Bühne, ohne sich mit dem popig angehauchten «So Perfekt» zu verabschieden.

 

Die Zuschauer waren zufrieden. Eine 32-jährige Zürcherin sagte: «Red Bull hat den ganzen Anlass sehr gut organisiert. Die Leute waren super schnell in den Bussen und das Konzert war fantastisch - das alles war wirklich eine tolle Idee.» Auch nach dem Konzert standen die Busse wieder in Reih und Glied vor der Halle bereit und brachten die Angereisten zurück in Richtung Hardbrücke.

 


Casper und seine Band auf dem Red Bull Tourbus

 

Vor dem Konzert traf Bäckstage Casper zum Interview.

 

Du hast die ersten elf Jahre deines Lebens in Georgia (USA) in einem Trailerpark gelebt. Wie stehst du  heute zu Amerika?

Casper (lachend): Also zwischendurch haben wir auch in einem echten Haus gewohnt! Aber ich liebe Amerika. Mein Vater lebt und arbeitet mittlerweile in Mississippi. Wir verstehen uns sehr gut. Daher bin ich sicher zwei Mal im Jahr dort. Meine absolute Lieblingsstadt ist L.A.!

 

 XOXO war unglaublich erfolgreich. Denkst du manchmal darüber nach, ob und wie du das noch toppen könntest?

Casper: Von den Zahlen her könnten wir vielleicht noch einmal etwas Vergleichbares schaffen oder XOXO sogar übertreffen. Aber ich erwarte nicht dieselbe Reaktion wie vor zwei Jahren bei der Veröffentlichung von XOXO (Anm. d. Red.: XOXO ist in den deutschen Media-Control-Charts direkt auf Platz Eins eingestiegen). Damals war die Platte fast allgegenwärtig: in Zeitungen, im Radio und im Fernsehen. Wir produzieren aktuell gerade eine neue CD, die 2013 erscheinen soll. Ich verspüre aber keinen Druck. Das nächste Album wird bestimmt super und sich hoffentlich auch gut verkaufen.

 

 Wie unterscheidet sich Benjamin von Casper?

Casper: Ich mache da keinen Unterschied im Sinn von «so lebe ich meine Kunst aus und so bin ich als Mensch». Ich brauche keinen Zufluchtsort, wo es Geborgenheit und Sicherheit gibt und ich muss für meine Musik auch nicht in eine Fantasierolle schlüpfen. Als Casper sage ich keine Dinge, die ich als Benjamin nicht auch sagen würde. Benjamin und Casper sind so gesehen ziemlich deckungsgleich. Allerdings ist das wohl auch der Grund, wieso es für die Fans manchmal schwierig abzuschätzen ist, wann der passende Moment ist, um mich anzusprechen. Auf Tour, an Konzerten und in Interviews bin ich natürlich immer für alle da, mache Fotos und habe grossen Spass, mit den Leuten zu reden. Aber wenn ich mit Freunden privat in einem Club bin, dann möchte ich auch einfach mal für mich sein.

 

Du giltst als Rebell in jeder Hinsicht. Fühlst man sich nicht irgendwann zu alt dafür?Casper: Wirklich? Ich bin der langweiligste Mensch der Welt! (lacht) Nein, aber ich habe mich nie als Rebell gesehen. Interessant, dass so etwas über mich geschrieben wird. Aber zu alt? Nein, das nicht. Natürlich gibt es Musik und Lyrics, die ich jetzt mit 30 nicht mehr so machen würde wie noch vor zehn Jahren. Aber Eminem ist doch auch schon 40 und macht immer noch rebellische Musik.

 


Casper: Schon als Kind verliebt in die Musik

 

Für Viele bist du ein Vorbild, was du so eigentlich nie sein wolltest. Wie gehst du damit um?

Casper: Manchmal ist diese Vorbildfunktion schwierig. Ich habe ja nicht gerade den vorbildlichsten Lebenswandel. Ich mache Dinge, von denen die Jugend besser nichts weiss. Trotzdem bin mir meiner Verantwortung bewusst. Ich merke, dass es Leute gibt, die zu mir aufschauen. Viele Fans hängen während der Konzerte an meinen Lippen. Das ist dann so im Stil von «wenn Casper das sagt, dann wird das so schon seine Richtigkeit haben.» Daher gebe ich mir Mühe, mich überlegt zu äussern. Natürlich kann es vorkommen, dass ich das vergesse. Dann sage ich etwas, von dem ich denke, dass der Sarkasmus dahinter für jeden offensichtlich ist. Und dann verstehen ihn leider meistens doch nicht alle. Aber fatale Folgen hatte das bis jetzt zum Glück noch nicht. Und ich mache Fortschritte.

 

Aus welchem Grund machst du Musik?

Casper: Ich war schon als Kind verliebt in die Musik. Mit fünf bekam ich meinen ersten Plattenspieler und begann, Platten zu sammeln. Ich wollte immer Musik machen, wusste aber lange nicht, wie. Da ich in einem Dorf aufgewachsen bin, hat es ewig gedauert, bis ich die richtigen Leute kennengelernt habe. Ich fühle mich aber nicht so, als müsste etwas aus mir raus und als wäre meine Musik das Ventil dafür. Musikalisch versuche ich mich immer mehr dem anzunähern, was ich sein möchte. Jede CD-Produktion ist ein Prozess, während dessen ich ein Stück näher an mein Idealbild komme. XOXO war ein grosser Schritt dahin. Und mit der nächsten Platte komme ich dem nochmals näher. Vielleicht wird dann die letzte Platte, die ich mache perfekt. Das Idealbild orientiert sich natürlich immer an dem, was man lernt und wie man sich selber sieht. Daher kann sich das also auch immer ändern.

 

Legst du Wert darauf, mit deinen Songs auch eine politische Botschaft zu vermitteln?

Casper: Das kann ich gar nicht - irgendwer hat mir dieses Image von einem intelligenten Menschen verpasst. Ich weiss ehrlich gesagt nicht genau, wieso die halbe Welt glaubt, ich sei irrsinnig clever und gebildet. Tatsächlich aber versuche ich, keine politische Message zu vermitteln. Natürlich habe ich politische Ansichten, aber die haben in meiner Musik nicht unbedingt Platz.

Linda von Euw / Di, 23. Okt 2012