Thomas Sterchi pflegt einen guten Kontakt zu One Republic
Du hast das Zermatt Unplugged gegründet. Wie kamst du auf die Idee?
Ich war damals Pächter des Clubs «Vernissage» in Zermatt. Wir haben immer wieder Konzerte und andere Veranstaltungen organisiert, um das kulturelle Leben in Zermatt zu bereichern. Daraus entstand die Idee eines Festivals. Heute ist der Vernissage-Club wieder unter den Fittichen seines Erbauers, Heinz Julen. Ich pachte den Vernissage-Club nur noch während des Zermatt Unplugged. Das erste Mal fand das Festival 2007 statt, damals hatten wir nur die Bühne im Vernissage, dafür aber berühmte Musiker wie Chris de Burgh und Starsailor. 2008 haben wir die grosse Zeltbühne hinzugefügt.
Ist das Festival so geworden, wie du dir das erträumt hast?
Noch viel schöner! Ich habe das Zermatt Unplugged mit Marco Godat, meinem damaligen Eventmanager, gegründet und wir haben beide nicht erwartet, dass es so toll wird. Am Anfang haben wir einfach abenteuerlich darauf los organisiert und geschaut, wohin es führt. Wir hatten auch viel Glück.
Entscheidend ist am Ende vor allem, dass die Summe der guten Entscheidungen überwiegt.
Gibt es Pläne, das Festival noch mehr auszubauen? Zum Beispiel mit einer weiteren Bühne?
Seit letztem Jahr haben wir ja noch die Sunnegga-Sessions. Die finden im Moment drei Mal statt und bieten jeweils für 100 Personen Platz. Theoretisch könnte man diese Sessions auch an allen fünf Tagen des Festivals durchführen. Dann gibt es die Idee zum Festivalauftakt- oder –abschluss etwas im Skigebiet selber zu organisieren. Was wohl ausgeschlossen ist: Das Zermatt Unplugged zu verlängern. Jeder zusätzliche Tag bedeutet höhere Veranstaltungskosten – also müssten wir wiederum mehr Sponsoren suchen. Die Infrastruktur wird ja leider nicht günstiger und mit viel mehr Gewinn durch Ticketverkäufe ist auch nicht zu rechnen. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen, lohnt sich das also leider nicht. Aber wir hoffen, dass wir weiterhin jedes Jahr mehr Leute nach Zermatt bringen und dadurch vielleicht auch bald eine weitere Bühne anfügen können.
Bei der Organisation des Festivals werdet ihr von «Zermatt Tourismus» unterstützt. Wie läuft die Aufgabenaufteilung im Organisations-Komitee des Zermatt Unplugged?
Ich habe ein tolles Team, das den grössten Teil der anfallenden Arbeiten erledigt. Seit diesem Jahr ist Rolf Furrer der Festival-Geschäftsführer. Er ist selber Musiker und eine Bereicherung für das Festival. Ich bin für das Booking verantwortlich. «Zermatt Tourismus» unterstützt uns in erster Linie bei der Zusammenarbeit mit den Hotels, bei der PR und auch finanziell. Aber mit der Organisation des Festivals an und für sich hat «Zermatt Tourismus» nicht viel zu tun.
Es gibt Musiker, die im Vorfeld so kompliziert sind, dass ich sie dann vor Ort lieber gar nicht treffen würde.
Du bist in Bern geboren, wohnst in Zürich und verbringst viel Zeit in Berlin und Zermatt. Was bedeutet Heimat für jemanden, der an so vielen Orten lebt?
Heimat ist dort, wo ich mich wohl fühle. Köniz bei Bern, wo ich aufgewachsen und zur Schule gegangen bin, ist für mich nicht unbedingt Heimat. Wenn ich mal dort bin – das letzte Mal etwa vor fünf Jahren – dann kommt bei mir eher eine gewisse Melancholie auf. Ich habe gelernt, mich an einem schönen Ort schnell heimisch zu fühlen – so lange ich nette Menschen um mich herum habe.
Du bist immer sehr fleissig, wenn es darum geht, neue Projekte aufzubauen. Wirst du nie müde?
Ich habe viele Leute, die mich unterstützen. Aber ja, ich arbeite sehr viel. Manchmal komme ich schon an eine mentale Grenze, zum Beispiel wenn an zu vielen Orten zu viel schief läuft. Da kommt dann oft alles auf einmal. Aber das ist wohl in jedem Leben so. In solchen Situationen komme ich manchmal an einen Punkt, wo ich frustriert bin und mich frage, wieso ich das alles eigentlich mache. Aber danach folgen wieder so viele schöne Momente und Erfolgserlebnisse, die die Niederlagen kompensieren. So habe ich am Ende immer das Gefühl, dass es vorwärts geht und dass es sich lohnt, neue Dinge zu kreieren. Aber man kann nicht immer gewinnen. Es kommt vor, dass es besser ist, etwas loszulassen und aufzugeben. Oft lernt man gerade aus diesen Situationen am meisten.
Was war für dich eine grosse Niederlage?
Ich habe schon einige Niederlagen erlebt. Ursprünglich wollte ich eine Stellenzeitschrift aufbauen. Aber schon nach 2,5 Jahren musste ich das Projekt einstellen. Zum Glück hatte ich mit der Firma zu diesem Zeitpunkt noch andere Geschäftsfelder aufgebaut, darum haben wir die Krise überstanden. Mit der Firma habe ich mich auch immer wieder im Filmbusiness engagiert. Da mussten wir öfters Geld abschreiben, weil wir uns verschätzt hatten. Entscheidend ist am Ende vor allem, dass die Summe der guten Entscheidungen überwiegt. Im Vorfeld weiss man nie, ob ein Entscheid richtig oder falsch ist. Daher gibt es viele Leute, die sich lieber gar nicht entscheiden. Die bringen es dann aber auch nicht weit.
Ich muss teils 10 Künstler anfragen, bis ich einen Abend besetzt habe.
Im Rahmen des letzten Zurich Filmfestivals hattet ihr einige Konzerte mit Schweizer Bands organisiert. Sollten die Film- und Musikfestival öfters miteinander verknüpft werden?
Meine Tom Talent Holding AG ist am Zurich Filmfestival (ZFF) beteiligt. Ich fände es eine schöne Idee, wenn es beim ZFF mehr Musik gäbe, unabhängig vom Zermatt Unplugged. Das Sundance Filmfestival in Utah (USA) ist ein gutes Beispiel, dass so etwas funktioniert. Dort spielt Musik eine wichtige Rolle - es treten viele bekannte Bands auf. Aber so eine Zusammenarbeit ist beim Zurich Filmfestival und dem Zermatt Unplugged natürlich kein Muss. Beide Veranstaltungen funktionieren für sich alleine. Die NZZ Lounge, wo die Konzerte letztes Jahr stattgefunden haben, war für die Musiker suboptimal. Darum suchen wir jetzt neue Lösungen, die für das Zermatt Unplugged und seine Musiker passen und dem Zurich Filmfestival einen Mehrwert bieten. Aber allgemein finde ich Musik im Zusammenhang mit Film sehr wichtig. Musik emotionalisiert meist mehr, als es die Bilder im Film alleine schaffen.
Wie gehst du bei der Auswahl der Künstler für das Zermatt Unplugged vor? Bewerben sich die Bands bei dir?
Da muss man die Bühnen, für die wir Tickets verkaufen, also Zeltbühne, Vernissage und Sunnegga-Sessions von den New Talent Stages unterscheiden, wofür wir mit dem SRF zusammenarbeiten. Das SRF legt die Finalisten fest, das Booking der Bands macht Christoph Spicher, ein Mitarbeiter meiner Tom Talent Holding. Dort haben wir in der Regel mehr Bands, die auftreten wollen, als verfügbare Slots. Bei den anderen Bühnen ist es umgekehrt. Die Zeltbühne ist die schwierigste, da muss ich teilweise zehn Künstler anfragen, bis ich einen Abend besetzt habe.
Welche Künstler kommen da in Frage?
Die Faktoren, die hier mitbestimmen sind: Hat die Band überhaupt Zeit? Kann sie akustisch spielen? Ist sie gross genug, um das Zelt mit Zuschauern zu füllen? Können wir uns die Band leisten? Des Weiteren möchten wir natürlich über die fünf Tage des Zermatt Unplugged hinweg für jeden Zuhörer etwas bieten. Zum Beispiel für die verschiedenen Altersgruppen. Dann soll die Musik nicht nur in Englisch, sondern auch in Deutsch, Italienisch oder Französisch sein. Dieses Jahr haben uns aber sechs Bands angefragt, ob sie wieder bei uns spielen können. Schlussendlich hat es nicht bei allen geklappt, aber drei davon sind jetzt wieder da: Fanta 4, von denen Michi Beck in früheren Jahren auch schon als DJ bei uns war, Mando Diao und Rea Garvey, der 2008 mit Reamonn hier spielte.
Lauryn Hill hat letztes Jahr überhaupt nicht das gemacht, was wir abgemacht hatten.
Wie kamst du auf Skunk Anansie?
Die Band wurde immer wieder im Organisationsteam genannt. Ich selber war nie ein grosser Skunk Anansie-Fan. Letztes Jahr hatten wir dann aber die Frontfrau Skin als DJane für den Abschlussabend gebucht. Sie ist eine grossartige Person, die mich sehr beeindruckt hat. Ich freue mich, dass sie mit ihrer Band bei uns spielen wird – und nach ihrem Auftritt erneut im Vernissage auflegen wird.
Was war dein persönliches Highlight am Zermatt Unplugged?
Musikalisch gesehen: Reamonn im 2008. Die Band ist während des Konzertes richtig aufgeblüht. Dann gibt es Highlights, die auf Begegnungen mit Künstlern basieren. So zum Beispiel mit One Republic – noch heute pflegen wir guten Kontakt zu ihnen. Letztes Jahr spielte Lauryn Hill. Das Konzert war leider nicht so toll - sie hat überhaupt nicht das gemacht, was wir abgemacht hatten. Aber dafür kam sie danach um zwei Uhr morgen zur Jamsession in einer kleinen Bar. Sie sang zwei, drei Songs und begleitete sich selber auf der Gitarre. Das war phänomenal. Es gibt aber auch Musiker, die im Vorfeld so kompliziert sind, dass ich sie dann vor Ort lieber gar nicht treffen würde. Da bin ich leider nicht so professionell, wie es Claude Nobs war. Er konnte immer über diesen Dingen stehen und nahm das nicht persönlich.
Wie würdest du dich mit fünf Worten beschreiben?
Einigermassen visionär, umtriebig, energiegeladen, positiv und ich geniesse gerne das Leben, trotz aller Arbeit.
Mitarbeit: Laura Zeller