Son Lux: Ein Elektro-Pionier begeistert Zürich

Konzertkritik: Son Lux
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Plattencover

Es ist ein ganz gewöhnlicher, herbstlicher Mittwoch-Abend in Zürich. Vor dem Plaza wird noch ein wenig herumgestanden und geraucht, einige warten auf ihre Begleitung, drinnen ist wenig los. Nichts deutet darauf hin, dass in Kürze ein Elektro-Pionier auf der Bühne des Clubs stehen wird. Und genau diese entspannte Stimmung unter dem rar gesäten Publikum ist es, die später für einen magischen Konzertabend sorgen wird.

 

Doch nun von Anfang an:

 

Mit einer betörenden Stimmgewalt

 

 

Von Olga Bell hat man musikalisch in unseren Breitengraden noch nicht all zu viel bis gar nichts gehört. Jedoch wurde sie im Vorfeld ebenso schwärmend angepriesen wie der Hauptact des Abends, man durfte also gespannt sein. Ganz alleine und mit einer gesunden Portion Selbstbewusstsein stellte sich die verrückte Amerikanerin mit russischen Wurzeln auf die Bühne und begrüsste die Zürcher mit einem prompten und ein wenig zu enthusiastischen «Hey», woraufhin sich der Club langsam zu füllen begann. Sogleich startete die junge, schelmisch grinsende Frau mit ihrem kurzen, aber intensiven Set. Nur begleitet von einem Synthesizer, einem Loopgerät und vielen verschiedenen Effekten, tanzte und sang sie sich von Song zu Song und schüttelte in den passenden Momenten ihre blonde, wilde Mähne. Was live sofort auffiel, war ihr björkesker Gesangsstil. Hier wurde man ab und an etwas zu sehr an die kleine Isländerin erinnert. Nichtsdestotrotz überzeugte Frau Bell mit einer betörenden Stimmgewalt und auch ihre Songs, obschon allesamt frappierend ähnlich im Stil, waren raffiniert und unterhaltsam. Jedenfalls war der Support der durchgeknallten jungen Dame angenehm kurzweilig.

 

Nach einer kurzen Umbaupause ging es endlich los mit dem lange ersehnten Konzert von Son Lux. Die amerikanische Bandkombo, angeführt von Multitalent Ryan Lott, bewies vom ersten Ton an, dass sie ganz genau wissen, was sie tun. Und das ist deshalb umso erstaunlicher und erfreulicher, da die drei Bandmitglieder noch nicht lange zusammenspielen. Ihr Musikstil basiert auf Elektro-Indiepop, gemischt mit Elementen aus Hiphop, Rock, Jazz und zeigt teilweise auch deutlich Einflüsse von Klassik. Die ganz besondere Note wird dem Sound verliehen durch die eindrückliche Stimme und Gesangsart von Frontmann Ryan Lott und der speziellen Perkussion, die mit immer wieder neuen Geräusch-Elementen unterstützt wird.

 

Eine Glanzleistung!

 

 

Dank dem stets perfekt abgemischten und knackigen Sound im Plaza kamen die Finessen und feinen Zwischentöne sowie die vielseitigen Geräusche und Soundeffekte ihrer Musik perfekt zur Geltung. Leider gibt es keine Steigerung des Wortes «perfekt», hier wäre dieser Super-Superlativ aber eindeutig angebracht. Neben den Effekten und Samples vom Band spielten die drei das Meiste live. Über Gitarre zu Synthie bis zum  Schlagzeug. Hier muss man vor allem den Schlagzeuger überschwänglich loben, der mit immer wieder neu kombinierten jazzigen Rhythmen das ganze Set hindurch zu begeistern vermochte – eine Glanzleistung!

 

Selten ist ein Konzert derart spannend, vielseitig und unterhaltsam wie es Son Lux an diesem Abend in Zürich schafften. Dieser musikalische Orgasmus, das Ausloten der Instrumente und der Stimme, das Ausreizen von Geräuschen, Effekten, Perkussion und das Spielen mit Dramaturgie, unfassbarem Talent und Emotionen war ein überwältigendes Zusammenspiel der musikalischen Gezeiten. Es ist zu bezweifeln, dass sich jemand nach dem Konzert die Platte gekauft hat, denn Son Lux bietet keine Musik, die man gemütlich zu Hause auf dem Sofa zum Nachmittagskaffee hört. Man muss den Draht dazu haben, man muss sich darauf einlassen und diese ganz spezielle Stimmung wirklich suchen. Aber dieses Spektakel einmal live auf der Bühne zu sehen, das war schon ganz grosse Spitzenklasse. Umso bedauerlicher, dass sich nur wenige Leute an diesem Abend im Plaza eingefunden haben, um diese grandiose Show mitzuerleben.

 

Son Lux hat zurecht den Ruf des Elektro-Pioniers für sich ergattert. Bitte, bitte mehr davon!

Natascha Evers / Fr, 06. Nov 2015