I have some Swiss Songs. You know they were born here.

Konzertkritik: The Great Park @ Zar Café Bern
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The Great Park / © Vanessa Diane McLaughlin

Das erste Mal sah und hörte ich Stephen Burch (aka The Great Park) im April 2009 im Cafe Kairo in Bern, wo er als Supporting Act von Liz Green auftrat. Der bärtige Musiker betrat die Bühne, erzählte ein paar witzige Anekdoten über seine Reise in die Schweiz und das Publikum hing schon an seinen Lippen, ehe er einen Ton gespielt hatte. Diese Woche in Berns Minibar Zar sieht die Sache zu Beginn ein wenig anders aus. Eine sehr kurze Vorstellrunde und los geht es mit «Annabel». Die Ballade um die titelgebende Heldin ist düster, erzählt von mordlustigen Feinden, einem unglücklichen Liebespaar und der unausweichlichen Flucht. Der englische Musiker erzählt Geschichten, die von charmanten Melodien seiner akustischen Gitarre begleitet werden. Es sind Konstellationen in denen etwas passiert, keine blossen Gedanken oder Gefühle. Die Geschehnisse ereignen sich sehr häufig in der unberührten Natur. Flüsse, Seen, Steine und Wälder sind Themen, die immer wieder auftauchen. 

 

Viele Texte wurden in der Schweiz geschrieben

 

Die Stimmung lockert sich allmählich, nachdem Stephen irritiert fragt, wer denn zu dieser späten Stunde noch Kaffee bestellt hat. Einlagen wie diese kommen gut an und geben einen guten Kontrast zu den eher ernsten Songthemen. Das Gefühl an einem Lagerfeuer zu sitzen, während Erlebnisse ausgetauscht werden und Musik gespielt wird, kommt auf. Die Lieder spielt Stephen an diesem Abend sehr energisch mit starkem Gitarreneinsatz. Dem Publikum gefällt es. Zwischendurch nimmt sich Stephen immer wieder Zeit, um über die Bedeutung oder Entstehung der Songtexte Auskunft zu geben. Viele der Texte wurden in der Schweiz geschrieben, wie beispielsweise «Limmat» oder «Suit of Stones». 

 

 

Er entscheidet sich letzteres zu singen, vielleicht, weil er weiss, dass «Limmat» in der Aarestadt ein wenig riskant wäre. Das Publikum ist nämlich schon längst in seinem Bann, bewegt die Füsse zum Takt und blickt neugierig zum Musiker. In der Pause wird Stephen draussen vor dem Café umlagert, viele möchten mehr über den Liedermacher erfahren, der es schafft einfühlsame Songs ohne Kitsch zu komponieren. Zu viel preisgeben will er nicht, dies ist gut so, denn die geheimnisvolle Atmosphäre der Musik umgibt auch ihn selbst. Nach Ende des Konzertes fordert die Menge eine Zugabe und Stephen wird ein wenig rot, schliesslich hat er keinen Backstagebereich, um sich zu verdrücken. So spielt er «You belong to me, you do» als letzten Song und lässt ein beeindrucktes Publikum zurück.

 

Bäckstage hatte das Glück ein kurzes Gespräch mit dem Wahlberliner führen zu dürfen.

 

Warum hast du dich für den Künstlernamen The Great Park entschieden?

Ich lebte in Windsor, England, wo auch die Queen anzutreffen ist. Dem Königshaus gehört dort eine grosse fläche Land, der sogenannte Great Park. Damals verbrachte ich viel Zeit in diesem atemberaubenden Park. Als ich dann anfing Lieder zu schreiben, ereigneten sich all die Handlungen zunächst in diesem Park. Ich hätte über alles schreiben können. Deshalb versuchte ich mich irgendwie zu beschränken, mich irgendwodurch auf etwas zu fokussieren und dann kam die Idee mit dem Park. Ich mag die Landschaft und das Ländliche. So kam es zum Namen The Great Park. Und er ist halt auch sehr praktisch. Wenn ich mit anderen Musikern zusammen spiele und auftrete, werden wir zur temporären Band The Great Park. Als Stephen Burch wäre dies nicht möglich. Es ist daher sehr vielseitig verwendbar, wenn ich mich The Great Park nenne. Und ich bin dann immer der Boss (lacht).

 

 

Das neue Album «Good & Gone» hat das Bild einer Strasse auf dem Cover. Ein Indiz dafür, dass es von deinen Reisen handelt?

Viele Songs handeln von einem Gefühl oder einer Erfahrung, die ich machte, während ich auf Reisen war. Häufig suchte ich während dem Schreiben nach bestimmten Szenen in meinem Kopf und landete dann irgendwie doch wieder beim Park (lacht). Ich reise heute viel mehr als früher, doch in meinem Kopf besuche ich den Park immer mal wieder. Die Strasse auf dem Bild ist von einem Strand in Dänemark, wo ich letzten Monat war. Der Schnappschuss entstand sehr spontan und landete dann auf den Cover. 

 

Du machst sehr viel Musik. Mindestens ein neues Album pro Jahr und das schon über Jahre. Woher nimmst du all die Inspiration? Etwa vom ständigen Unterwegssein?

Das sicher auch, aber ich denke vor allem liegt es daran, dass ich keinen anderen Job habe (lacht). Ich bin in dieser Hinsicht sehr altmodisch. Wenn man sich etwas vornimmt, dann sollte man es auch durchziehen, 100%. Und da ich mich entschied Musiker zu sein, muss ich dies jetzt auch tun. Im Sommer habe ich nicht die Möglichkeit so viele Konzerte zu spielen, da alle an den grossen Festivals oder in den Ferien sind. Ich habe dann viel Zeit, um ein neues Album aufzunehmen. Ich würde mich schlecht fühlen, wenn ich nichts machen würde. Ich arbeite auch gerne mit Deadlines, weil du auch tatsächlich etwas machst und es nicht immer wegschiebst und nie erledigst. Wenn ich dann ein paar Wochen frei habe, muss zu der Zeit auch alles erledigt werden.

 

Du stehst dann einfach am Morgen auf und fängst an mit dem Schreiben und Komponieren?

Genau. Ich habe Malerei studiert und meine Lehrer haben mir geraten jeden Tag ins Studio zu gehen. Ich habe ihnen dann immer gesagt, dass ich nicht weiss was ich malen soll und sie sagten mir, dass das egal sei, ich einfach hingehen und versuchen soll zu malen. Die einzige Art und Weise etwas zu machen, ist, es zu tun (lacht). Ich versuche mich auch heute immer daran zu halten, jeden Tag etwas zu schreiben, ob ich ein Konzert spiele oder nicht. Irgendetwas kann man schliesslich immer tun. Ich glaube, ich versuche meine Zeit zu rechtfertigen, da ich Freunde habe, die eine geregelten Arbeitsalltag besitzen. Wenn ich sie am Abend treffe, möchte ich ihnen sagen können, was ich heute erarbeitet habe. Ansonsten würde ich mich schrecklich schuldig und faul fühlen.

 

Du hast einige Lieder in der Schweiz geschrieben.

Ja genau. Eigentlich sind es mittlerweile schon viele. Ich liebe auch die Trams und den ganzen ÖV hier. Man reist sehr einfach und bequem von einem Ort zum anderen. Da ich tagsüber viel Zeit habe, entdecke ich die Schweiz und schreibe darüber. Aber es ist schon ein wenig komisch. Ich stamme nicht von hier und ich lebe hier auch nicht, trotzdem entstanden schon sehr viele Songs in der Schweiz.

 

Sind die Geschichten, die du zwischen Deinen Songs erzählst eigentlich wahr oder doch eher Entertainment?

Ich erfinde nichts. Und es sind keine Stories, die ich mir gezielt überlege, wenn ich auf der Bühne bin. «On stage» und «off stage» ist für mich dasselbe. Wenn ich spiele, vor allem in Lokalen wie diesem (Zar Café Bar Bern, Anm. d. Red.), dann ist es für mich so als würde ich eine Unterhaltung mit euch allen führen. Ich sage, was mir gerade durch den Kopf geht. Und nein, ich erfinde nichts absichtlich und falls doch, dann würdet ihr das schon merken, dann gäbe es ein paar Hinweise (lacht).  

 

Wie sieht für dich das perfekte Publikum aus? Wie muss es sich verhalten?

Ich will nicht in einer Kirche spielen. Ich mag ruhiges Kirchenpublikum nicht. Wenn die Leute manchmal zu still sind, dann füllt es sich zu formell und komisch an. Ich bevorzuge die lockere, entspannte Atmosphäre. Klar ist es gut, wenn es ein bisschen ruhiger ist und die Leute meine Musik auch hören können. Ich sehe es als meine Aufgabe, eine gute Stimmung zu erzeugen, die sehr gemütlich und entspannt ist, dass die Leute sich frei fühlen können, aber trotzdem meiner Musik die Aufmerksamkeit schenken. Es ist ein Balanceakt, irgendwie.

 

 

 

Tanja Lipak / Do, 13. Sep 2012