Rolling Stone Park: Von musikalisch brillant bis grenzwertig

Bäckstage auf Achse: Rolling Stone Park
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Wenn ein Festival bei seiner Premiere durch angenehme Atmosphäre, wunderschöne Locations, ausgezeichnete Klangästhetik und viel Komfort glänzt und dafür sogar als Europas «Bestes Neues Festival» ausgezeichnet wird, hat das Team dahinter einen exzellenten Job geleistet. So hängt man aber die Messlatte äusserst hoch und daran musste sich Rolling Stone Park in der zweiten Ausgabe messen.

 

Der Komfort ist in den nur wenige Minuten vom Festivalgelände entfernten Hotels des Europa-Park optimal gegeben. Vom Einzelzimmer bis zu riesigen Suiten, von Spaghetti in Parmesan angerichtet bis zum Burger ist alles vorzüglich. Dieser Punkt funktioniert immer noch hervorragend. Bereits im letzten Jahr war der saubere, fast schon kleinlich klar gemischte Sound in den vier unterschiedlich grossen Konzertsälen eine wahre Freude. Bei diesem Punkt wurden erneut keine Abstriche gemacht. Es ist wirklich schwierig, sich überhaupt an Konzerte zu erinnern, bei denen der Klang so sauber aus den Lautsprechern gesprudelt ist. Ein Genuss, ein Traum für Konzertfans. Was zum Anspruch an Musik, die der Namensgeber Rolling Stone sicherlich hat, passt.

 

Doch dann kommt das grosse Aber. Das Line-up verblasste im Vergleich mit dem Vorjahr etwas. Nicht in allen Belangen, aber gerade in der grossen Halle war die Auswahl etwas dürftiger. Maximo Park am Freitag brachten zwar phasenweise Stimmung. Gleichzeitig rennen sie aber ihren grossen Zeiten inzwischen etwas nach. Auf den Punkt gespielt war ihr Sound trotzdem und neben Sänger Paul Smith, der wie gewohnt sprang und engagiert auf das Publikum einwirkte, glänzte vor allem Keyboarderin Jemma Freese, die energiegeladen hinter ihren Tasten hüpfte und vor Freude glühte. The Specials als Tages-Headliner dürften mehr überzeugt haben.

 

Fotos: ©Bäckstage

 

Der Samstag startete für uns mit Jon Spencer & The Hitmakers. Diese dreschten etwas gar ziel- und stillos durch ein kurioses Set. Klar, Jon Spencer spaltet, ist berüchtigt für etwas avantgardistische Klänge und stösst schon mal gezielt vor den Kopf. Aber im Europa-Park hat kaum etwas gepasst, weder harmonisch noch emotional. Vielleicht muss das so sein! Der sichtlich leere werdende Saal sprach leider klar dagegen, denn die Band lärmte, haute auf eisernen Abfalleimern herum und vertrieb immer mehr Leute - man kann es nicht anders sagen. Ganz anders bei Villagers, die nur wenige Schritte entfernt im stilvollen Ballsaal Berlin von Begeisterung überschüttet wurden. Eine Konzertbesucherin hat die Band mit einem Klick direkt auf ihre Spotify-Playlist hinzugefügt. Konzertgenuss 2.0 quasi. Conor O‘Briens Truppe versteht es oft, mit jenen Folkmomenten zu berühren, durch die die Iren einst den Weg in die Hörmuscheln der globalen Musikfans gefunden haben. So auch im Ballsaal, der stellenweise bemerkenswert still war. Man lauschte dem sauber arrangierten Mix aus Folk, Rock, Indie und einem Hauch Elektro. Als Conor ganz leise und mit seiner Trompete bewaffnet sang, sich die Härchen auf den eigenen Armen leicht kräuselten und kaum jemand zu reden wagte, zeigte sich, dass Villagers vielleicht auf der grossen Bühne die bessere Wahl gewesen wären. Allerdings ist der Ballsaal schön intim und das hat ebenfalls seinen Reiz.

 

Nick Waterhouse flanierte wenig später im gleichen Saal elegant durch Blues, Soul und Jazz, würzte mit etwas Rockabilly und einer Prise Buddy Holly - auch optisch - und eroberte mit grosser Band, inklusive starkem Sax-Duo, den Ballsaal. Mit den bereits erwähnten Tenorsax und Saxofon, aber auch Perkussion, Hammond-Keyboard und Backgroundsängerin sowie der klassischen Bandgrundlage aus Bass, Schlagzeug und Gitarre traf der Kalifornier ins Schwarze und brachte die Stimmung gemütlich zum Köcheln. Gekonnte Soli, viel Gespür für den Aufbau der Songs und mehrstimmiger Gesang machten den Gig zum grossen Vergnügen. Nicht zuletzt, weil die sauber aufeinander abgestimmten Instrumente hamonierten und die Spielfreude der Band gross war. Nick Waterhouse zählte zu den Entdeckungen der zweiten Ausgabe von RS Park. Das liegt an Nick, der optisch klar an der historischen Zeit des Blues‘ orientiert ist und in seinem Sound hörbar seine Helden, John Lee Hooker etwa, würdigt. Jedoch verfällt er nicht in Ehrfurcht, sondern hat wohl über Jahre deren Songs aufgesogen, sodass seine Musik gleichzeitig die eigene Kreativität spiegelt und angenehme Reminiszenz ist. So sang er «All Night long», was er wohl wirklich getan hätte. Und die Menschen hätten dazu getanzt.

 

Gleichzeitig kokettierte ein Saal weiter der Songwriter JC Stewart, dass er vielleicht zu schnell sprechen würde, Akzent habe er ja sowieso. Ganz alleine mit einer Gitarre fand der Wahllondoner aber den Zugang zum Publikum, das ihm aufmerksam zuhörte. Diese Gabe hat lange nicht jeder Musiker. Danach war erstmal eine Pause angesagt, sprich der Weg führte zum Food Corner. Dem gehört geschmacklich ein Kränzchen gewunden und die Auswahl vom Burger – wahlweise in der Vegi-Vesion – über Fusili zu anderen Köstlichkeiten ist der Grund dafür.

 

Danach erlaubte der Timetable etwas Teenage Fanclub. Alternative-Veteranen, die gut hörbar aus dem zeitlichen Umfeld von R.E.M. stammen, aber nicht mit deren Virtuosität, dafür mit mehrstimmigem Gesang und schrammigen Gitarren glänzten. Kann man durchaus mögen, vermittelte aber leider live etwas den Eindruck, dass die besten Zeiten doch nicht so spurlos vorbeigezogen sind. Spass war aber vor und auf der Bühne reichlich da.

 

Als Schweizer waren die einzigen Vertreter aus der Heimat natürlich ein Pflichttermin. Steiner & Madleina zeigten sich als herrliche Abwechslung im doch männlich geprägten Musikprogramm. Die Zürcher Freundinnen hatten das Publikum mit ihren charmanten Ansagen und den mehrstimmigen Indie-Popsongs innert Kürze um den Finger gewickelt. Mit Band im Rücken hatte das Duo trotz Gesang in verschiedenen Sprachen ein beachtliches Publikum angelockt. Was natürlich das Schweizer Musikherz besonders freut. Den Namen Steiner & Madlaina sollte man sich auf alle Fälle merken.

 

Der bittersüsse Verve von Elbow

 

Als letzte Band des Festivals zauberten Elbow in der Arena. Die Band um Frontman Guy Garvey ist sowohl Kritiker- als auch Fanliebling und dementsprechend leichtes Spiel hatte sie. Der Opener «Dexter & Sinister» vom neuen Album führte langsam in den Sound der Band aus Manchester ein. Wer die Band zuvor nicht kannte, könnte ein leicht verfälschtes Bild bekommen haben, denn Elbow starteten ruhig und gemächlich ins Set. Nach «Mirrorball» folgte «Empire» und die dazugehörige Entschuldigung für den Brexit sowie das daran gekoppelte Versprechen, jeder in der Band habe dagegen gestimmt. Schliesslich dreht sich das neue Album «Giants Of All Sizes» rund um die Entwicklungen bzw. Gefühle, die mit dem Brexit und der Stimmung in Great Britain verbunden sind. Dazu passt der für Elbow typisch Nebel aus Pathos und Melancholie, gelegentlich unterbrochen durch etwas Weltuntergangsgewitter, ganz gut.

 

Guy trug ein schlichtes rot/schwarz kariertes Holzfällerhemd und schmetterte seine dunkle, unverkennbare Stimme in Richtung des Publikums, gab den bärbeissigen, aber soften Bandleader. Dahinter legten die restliches Elbows das Fundament, verstärkt durch zwei Violinistinnen, die zusätzlich mit Backgroundgesang unterstützten. Im Mittelteil legten Elbow den bittersüssen Verve etwas ab und drückten das Gaspedal in Sachen Dramatik stärker durch. Etwa wenn Guy als Special Guest zur Erinnerung an den Mauerfall «The Hoff» begrüsste, der natürlich nicht erschien. «Er ist aber tatsächlich da», meinte Guy. Gesungen hat «Looking For Freedom» dafür Publikum. Ganz zur Freude der Band.

 

Als Zugabe lieferten Elbow mit der Hymne «One Day Like This» nochmals so richtig ab und verwandelten die Menschen, die kurz vor 1 Uhr noch im Saal standen, in einen Chor. Der sympathische kleine Patzer von Guy, als er seinen Einsatz knapp verpasste, hat ihm aber keiner übelgenommen, schliesslich ist Livemusik genau wegen der kleinen Ecken und Kanten so spannend. Mit «Grounds For Divorce» entliessen Elbow schliesslich das Publikum mit einem Dank dafür, dass man zu einem «Late Gig» gekommen sei, in die Nacht.

 

Gerade Guys Seitenhieb mit dem «Late Gig» warf die Frage auf, wieso die Headliner, wie übrigens schon im letzten Jahr, ganz an den Schluss gebucht werden. Elbow auf dem Slot um 21:15 Uhr hätten vielleicht noch mehr Leute angezogen, denen kurz vor Mitternacht schlicht zu spät ist und die bereits im Hotel entspannten. Klar, das ist Geschmacksache, aber halt doch ein Punkt, den es sich bei der Zielgruppe zu überlegen gilt. Über die ganze Dauer gesehen, hat Rolling Stone Park auch bei der zweiten Ausgabe überzeugt. Das Line-up fiel etwas schwächer aus als im Vorjahr, aber hervorragende Bands waren einige dabei, nur dieses Mal weniger auf der grossen Bühne.

 

Rolling Stone Park bleibt ein Festival für Geniesser, selbst wenn das Programm dieses Jahr musikalisch nicht vollends überzeugte, Spass gemacht hat es trotzdem.

 

Bäckstage Redaktion / Mo, 11. Nov 2019