Mehr als nur das Mädchen von nebenan

Konzertkritik: Lissie @ Härterei, Zürich
Lissie
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Lissie Facebook

Nach einem bemerkenswerten Auftritt im vergangenen Jahr am «Stars in Town»-Festival, spielte Lissie am Samstag eine Headliner-Show in der Härterei und eroberte das Publikum mit ihrer unkomplizierten, charmanten Art und Weise im Sturm. Ebenso stürmisch war auch das furiose Instrumentengewitter zu «In Sleep», mit dem sie ihr 90-minütiges Konzert beendete.

 

Das Mädchen von nebenan

 

Doch von Anfang an. Strohblondes, strubbeliges Haar und ungeschminkt. Lissies Musik ist wie sie selbst: unverblümt. Wer Lissie zum ersten Mal sieht, dürfte Assoziationen haben. Etwa das Mädchen von nebenan, ein Surfer-Girl oder doch eine kleine Hippie-Braut. Dieses Gedankenspiel ist geradezu berechtigt, denn ihre musikalischer Nährboden sind die 60er- und 70er-Jahre. Der Country-Einfluss war auch in Zürich unüberhörbar. Zum Beispiel in der Ballade «Oh Mississippi», einer Hommage an ihre Heimat Iowa.

 

Die Hippie-Braut

 

Natürlich spielt auch die Liebe in ihren Songs immer wieder eine grosse Rolle und «When I’m Alone» oder «Everywhere I Go» verfehlten ihre Wirkung keinesfalls. Da war es wieder, das Mädchen von nebenan. Doch Lissie ist mehr als nur eine stimmgewaltige Sängerin, bei der der gesangliche Vergleich mit Janis Joplin naheliegend ist. So nutzt Lissie ihre Musik auch, um persönliche Anliegen zu thematisieren. Mit den Worten «Ich bin stolz darauf Amerikanerin zu sein, aber ich bin nicht mit allen Entscheidungen einverstanden, die von der Regierung getroffen werden. Wir müssen unserer Umwelt viel mehr beschützen als bisher», kündigte Lissie «Mountaintop Removal» an. Hier schlug die kleine Hippie-Braut durch.

 

Das Surfer-Girl

 

Doch wo war das Surfer-Girl? Das schlug bei «Further Away (Romance Police)» abermals durch, wild und ungestüm reitete Lissie auf der Welle von treibenden Drumbeats und peitschenden Gitarrenriffs beschleunigt in die Nacht. Lissie ist eine junge Künstlerin, die mit Charme und Stimmgewalt auch noch in Zukunft von sich reden machen wird. Schon jetzt darf man sich auf ihren nächsten Schweizer Aufritt freuen. Wann es soweit sein wird, steht zwar noch in den Sternen, doch die Prognosen sehen nach diesem durchweg gelungenen Auftritt gut aus.

Dominique Rais / Mo, 31. Mär 2014