Herbert Grönemeyer kam, sang und begeisterte

Konzertkritik: Herbert Grönemeyer
Herbert Grönemeyer
Bildquelle: 
Herbert Grönemeyer Facebook

Nach vier Jahren hatte das Warten gestern Abend ein Ende. Auf seiner «Dauernd jetzt»-Tour kehrte Herbert Grönemeyer zurück in die Schweiz und begeisterte im ausverkauften Zürcher Hallenstadion. Pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk betrat der deutsche Pop-Rocker am Dienstagabend um 20:15 Uhr die Bühne. 

 

Absolute Dunkelheit. Lediglich eine Handvoll blauer Spots deuteten die Bühne an. Die 8-köpfige Band bahnte sich mit Grubenlampen ihren Weg zu den Instrumenten als Grönemeyer mit der Bergmannshymne «Unter Tage», von stampfenden Beats begleitet, den musikalischen Marsch Richtung Scheinwerferlicht anstimmte. Kaum ein deutscher Musiker vermag es mit der deutschen Sprache so scheinbar mühelos zu spielen wie Grönemeyer. Seine Lieder haben lyrischen Tiefgang, ob er nun mit «Halt mich», vom Publikum frenetisch gefeiert, die Liebe besingt, Religionskonflikte mit «Stück vom Himmel» anspricht oder gesellschafts-politische Zustände in «Feuerlicht» anprangert. Auch wenn Grönemeyer gerne mal dick aufträgt, sind seine Texte keinesfalls Plattitüden, sondern erweisen sich viel mehr als zeitloser Spiegel der Gesellschaft.

 

Trotz seines bereits Jahrzehnte andauernden Erfolgs ist der Sänger bodenständig geblieben und plauderte zwischen den Lieder unbekümmert mit dem Publikum. Auch wenn der  59-jährige Sänger nach mehr als 30 Jahren Bühnenerfahrung nach wie vor nicht zur Riege der begnadeten Tänzer gehört, wusste er dafür umso mehr mit seinen Entertainer-Qualitäten zu punkten. So machte er immer wieder von seiner Gabe gebrauch, sich selbst auch mal nicht ganz so ernst zu nehmen, indem er die Menge mit seinen teilweise etwas unbeholfenen Tanzbewegungen anfeuerte.

 

Ungebremste Wucht

 

Im Gegensatz zu anderen Künstlern hat sich Grönemeyer nie auf dem Erfolg vergangener Tage ausgeruht, sondern immerzu Neues geschaffen. Seine Hartnäckigkeit, nicht stehen zu bleiben, weiss das Publikum bei Songs wie «Morgen», ab seiner aktuellen Platte «Dauernd jetzt», mit euphorischem, textsicheren Mitsingen zu würdigen. Trotzdem sind und bleiben Hits wie «Flugzeuge im Bauch» und «Der Weg», beide von Grönemeyer am Flügel und von einem Kontrabassisten begleitet gespielt, Garanten für die ganz grossen Gefühle. Unzählige Paare lagen sich engumschlungen in den Armen, während Grönemeyer mit einem rund 13’000-köpfigen Publikumschor ebenso andächtig wie inbrünstig die Liebe und das Leben besang.

 

Grönemeyer-Fans sind Fans, die sich wohl ein jeder Musiker wünscht, zumindest im Hallenstadion musste man zu diesem Schluss kommen. Denn das Publikum zog während des Konzert alle nur erdenklichen Register: von nicht enden wollenden La-Ola-Wellen und bebendem Applaus über Standing Ovations bis hin zum lautstarken Mitsingen. Grönemeyer dankte es Zürich auf seine ganz persönliche Art und Weise. So legte der Pionier des gesprochenen Gesangs nach gut eineinhalb Stunden mit drei Zugabeblöcken nach. Mit «Demo (Letzter Tag)» und «Halt mich» sorgte Grönemeyer zum Schluss für eine emotionale Keule von deren ungebremster Wucht getroffen er das Publikum abermals zum Niederknien brachte, bevor mit der Hoopieshnoopie-Remix-Version von «Fang mich an» nach über zweieinhalb Stunden endgültig Schicht im Schacht war.

 

Herbert Grönemeyer beweisst nicht nur musikalisch, dass er zu den ganz Grossen gehört, sondern auch akustisch. Das Konzert war in allen Belangen ein Hochgenuss. 

Dominique Rais / Mi, 20. Mai 2015