Eine gute Portion Nostalgie: Europe im Volkshaus Zürich

Konzertkritik: Europe
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Facebook: Europe

Im Rahmen des 30-jährigen Jubiläums ihres Erfolgsalbums «The Final Countdown» tourt die schwedische Hard-Rock-Band Europe momentan wie wild um die Welt. Gross promotet wurde im Vorfeld die Tatsache, dass sie an den Konzerten das ganze Album der Länge nach durchspielen würden – was für eine Sensation! So erwartete man also für den kommenden Gig in Zürich ein paar Songs von anderen und neueren Alben und im Anschluss dann das besagte Album, welches vor Hits natürlich nur so strotzt. Doch diese Rechnung hat man ohne Europe gemacht. Die Setlist sah nämlich vor, dass zuerst das gesamte «War of Kings» Album aus 2015 gespielt wurde und erst im Anschluss das Hit-Werk. Dies war schlussendlich etwas zuviel des Guten, aber fangen wir von vorne an.

 

Synthi-Sturm

 

 

Ein pompöses Intro kündigte den Start des Konzertes an. Mit einer epischen Video-Einspielung und tosendem Donnergrollen wurde das Album «War of Kings» angepriesen und sogleich legte die Band mit einem ordentlichen Synthie-Sturm los. Vielleicht eine Spur zuviel Synthie, denn der Sound kam ab und zu etwas zu breiig und künstlich aus den Boxen. Dadurch, dass Europe die 80er-Hard-Rock-Mentalität auch heute noch durch und durch in ihrer Musik verkörpern, war es auch nicht weiter verwunderlich, dass Bandmitglieder Sonnenbrille oder Cowboyhut trugen, oder dass Frontmann Joey Tempest’s Lederjacke mit Nieten und Glitzersteinchen verziert war.

 

Nun denn, das ganze letztjährige Album wurde durchgespielt – und kam überhaupt nicht gut an. Die Songs glichen einer dem andern, es gab wenig Abwechslung und es fehlten Lieder mit Hitcharakter. Es ist einerseits supermutig, ein neues Album in voller Länge durchzuspielen, andererseits dramaturgisch gesehen totaler Blödsinn – ausser man hat wirklich ein grandioses Album hingelegt. So kam es dann auch, dass es, wo vor Konzertbeginn noch wild getobt und geschrien wurde, nun verdächtig ruhig im Zuschauerraum wurde. Ausserdem plauderte das Publikum reichlich, die Aufmerksamkeit schlug um in Desinteresse und die Stimmung im Saal blieb die erste Hälfte des Konzerts somit ziemlich mau.

 

zurück ins Jahr 1986

 

 

Gut eine Stunde und somit der Albumlänge entsprechend schaute man diesem Debakel hilflos zu und wollte den Konzertabend eigentlich bereits abschreiben – doch dann kam die Wende. Nach einer kurzen Unterbrechung wurde mit einem weiteren epischen Video-Intro das viel zu lang ersehnte Album «The Final Countdown» angekündigt und wer hätte es gedacht: Zig Hände schnallten wie auf Kommando in die Höhe, meist inklusive Smartphone, und plötzlich war die Stimmung im Publikum wie ausgewechselt. Man flog gemeinsam mit Europe zurück ins Jahr 1986. Nun kamen endlich die Hits und angefolgt vom Namensgeber des Albums folgten jetzt alle Songs, auf die man viel zu lange warten musste. Um der abrupt aufgekreuzten Nostalgie noch das Sahnehäubchen aufzusetzen, wurden im Hintergrund alte Videoaufnahmen abgespielt. Es zeigte sich deutlich, dass die alten Hits einfach viel mehr Schmackes hatten und viel zugänglicher und ohrwurmiger waren. Während im Hintergrund Joey Tempest in engen Lederhosen und viele wehende Haare bzw. Mähnen durch die Bilder zogen, folgten auf der Bühne Mitsing-Parts, mitreissende Gitarrensoli und ganz viel 80er-Jahre-Attitüde. Es lief alles rund und im Zuschauerraum gabs kein Halten mehr. Tonsicher und kräftig sangen alle mit, wo es nur ging und man konnte sich sicher sein, dass auch das eine oder andere Tränchen bei «Carrie» verdrückt wurde.

 

Somit haben Europe dann zum Glück doch noch die Kurve gekriegt.

 

Wäre das Konzert etwas abgespeckt worden und hätte man die Songs rund um das Hit-Album etwas variantenreicher gewählt, wäre das ein perfektes Konzert gewesen um so richtig in der Vergangenheit zu schwelgen.

 

Natascha Evers / Fr, 18. Nov 2016