Ein Konzertabend der Superlative: My Brightest Diamond

Konzert-Kritik: My Brightest Diamond

Nein, so einen Konzertabend hat man in der Tat nicht erwartet. Vom Support bis hin zum ausufernden Schluss des Hauptkonzerts war man sich nie ganz sicher, ob man entzückt, verstört, amüsiert, verblüfft, verliebt oder einfach nur hin und weg sein sollte. Aber fangen wir ganz von vorne an:

 

Eigentümliche Art von Hiphop

 

 

Der Name des Supports, Tim Fite, sagte im Vorfeld wohl wenigen viel. Ohne Recherche rechnete man mit einem klassischen Singer/Songwriter mit Gitarre, so das übliche Geplänkel. Dies sollte sich nach seinem eindrucksvollen Auftritt im Bogen F in Zürich aber drastisch ändern, denn der junge Mann aus Brooklyn hatte wohl bei allen im Publikum einen bleibenden Eindruck hinterlassen – und das durchwegs positiv. Obwohl man auch gegen Ende seines Auftritts nicht wirklich sagen konnte, ob seine Show nun rein komödiantisch gemeint war, oder doch auch ernsthafte Musik zeigte. Jedenfalls agierte er abwechslungsweise als Musiker, Sänger, Künstler und Animateur. Die Musik, ausschliesslich vom Band, wechselte stilmässig in jedem Song, wobei aber eine eigentümliche Art von Hiphop überwiegte. Die Songtexte waren generell ironisch-zynischer und gesellschaftskritischer Natur. Zwischendurch lockerte er die sowieso schon gute Stimmung im Raum durch Spielchen mit den Zuschauern auf und machte sich einen Spass daraus, Schweizerdeutsch auf die Schippe zu nehmen. Und so kam man in den speziellen und unerwarteten Genuss, einmal eine ganz andersartige «Vorband» zu erleben, die wirklich den Zweck hatte, das Publikum zu animieren und richtig aufzuheizen. Was diesem bisher unbekannten Tim Fite mit seiner verschrobenen, überdrehten Art wirklich, wirklich gut gelang. Schon alleine wegen der ausgelassenen gemeinsamen Tanzeinlage mit Shara Worden zum Schluss seines Sets. 

 

Ein einzigartiges Wunderwerk

 

Nun war das Publikum heiss und die Bühne reif für My Brightest Diamond. Shara Worden, ausgebildete Opernsängerin und als My Brightest Diamond schon seit 2006 musikalisch unterwegs, ist ein einzigartiges Wunderwerk. Die sympathische und humorvolle New Yorkerin mischt in ihrer Musik auf genialste Weise die Elemente Rock, R’n’B, Avantgarde und Klassik. Mit ihrer engelsgleichen Stimme, die mühelos von kehligem Falsett in tiefsten, warmen Alt wechselt, lässt sie den Zuhörer genauso wie mit ihren eiskalten, verzweifelten Schreien in ganz andere Welten abtauchen. Gepaart mit ihrer bodenständigen Art der Zugänglichkeit und ihrem grossen Sinn für Humor schaffte sie zum Zürcher Publikum eine wunderbare Verbindung, die das ganze Konzert hindurch anhielt. Mit zwei Mitmusikern zeigte sie ein stimmiges, abwechslungsreiches Set. Mühelos schaffte die Künstlerin den Balance-Akt zwischen lärmigen, voranpreschenden Rockhymnen und träumerischen, leisen Balladen. Wobei man hier auf jeden Fall das Glanzstück «I have never loved someone» erwähnen muss, ein zerbrechlicher und zutiefst berührender Song, welchen sie für ihren kleinen Sohn Constantine geschrieben hatte.

 

Obwohl die Instrumentalisierung zu grossen Teilen vom Band kam, vermittelte Shara durch ihre einnehmende Bühnenpräsenz das Gefühl, ein prächtiges Orchester im Rücken zu haben. Diese faszinierende Fremdartigkeit ihrer Person und ihrer Musik waren ein mitreissender und spannender Faktor, der das Publikum zu ständiger Aufmerksamkeit aufforderte und so einen straff gespannten Spannungsbogen erzeugte, wie man ihn selten erleben darf. So gingen die Konzertbesucher auch stets auf die Spässe der Sängerin ein, beteiligten sich freudig an Ausdruckstänzen, welche Shara vorzeigte, oder sangen begeistert mit, wenn es verlangt wurde. Es zeugt von einer grossen Gabe, wenn man es als Künstler schafft, ein derart allumfassend interessantes Konzert zu bieten, welches auf persönlicher, musikalischer und unterhaltender Ebene durchwegs begeistert.

 

Ein hitziges Hiphop-Dance-Battle

 

 

Und ehe man sich versah, war es schon Zeit für die Zugabe. Wobei Zugabe dafür wohl die falsche Bezeichnung wäre. Ohne Vorwarnung stürmten Shara Worden und ihr Supporter Tim Fite nämlich in künstlerisch verzierten Overalls das Publikum und lieferten sich mit einigen Zuschauern ein hitziges Hip-Hop-Dance-Battle. Und so kam man an diesem Abend im Bogen F nicht nur in den Genuss eines fantastischen Konzerts, sondern wurde über Stunden hinweg absolut prima unterhalten. Eine ganz neue Form von Konzert also und etwas irritierend auf den ersten Blick – aber auf jeden Fall ein Erlebnis, das niemand der Anwesenden so schnell vergissen wird.

Natascha Evers / Fr, 20. Feb 2015