Szenen einer Ehe

Movie-Kritik: Gone Girl
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© Twentieth Century Fox Film Corporation.

An ihrem fünften Hochzeitstag ist Amy Dunne (Rosamunde Pike, «Pride & Prejudice») unauffindbar. Ehemann Nick (Ben Affleck, «Good Will Hunting», «Argo») alarmiert die Polizei und lässt nach ihr suchen. Die Tage vergehen und von Amy fehlt nach wie vor jegliche Spur. Je tiefer die Ermittler forschen, desto deutlicher wird die Dissonanz in Nick und Amy’s Eheleben. Es gab keine wahren Freunde, berufliche Tätigkeiten oder familiären Bände, die Amy in Nicks Heimatstadt gebunden hätten. Und Nicks Sonnenschein-Erzählungen über seine Ehe mit Amy lassen bald an seiner Ehrlichkeit zweifeln. Der Ehemann steht bald schon unter Beschuss von Medien, Polizisten und Amy’s Familie.

 

Nick und Amy’s Eltern (Bild 1) suchen nach der erfolgreichen Autorin (Bild 2)

 

Gillian Flynns Roman «Gone Girl» hielt sich wochenlang auf der Bestseller-Liste der New York Times. Eine Filmadaption war deshalb nur eine Frage der Zeit. Reese Witherspoon («Walk the Line») agierte schnell, besorgte sich die Rechte und gewann David Fincher («Seven») als Regisseur und Autorin Flynn fürs Drehbuch. Entstanden ist daraus der wohl untypischste Film für David Fincher. Zwar ist er seinen Charakteristiken in Sachen Atmosphäre, Cinematographie (sein Hauskameramann Jeff Cronenweth ist wieder mit dabei), Spannung und Explizität treu geblieben, trotzdem findet sich bei diesem Film etwas Ungewöhnliches: Humor. Selten wurde in einer Fincher-Aufführung dermassen gelacht und geschmunzelt wie bei dieser. Die Frage bleibt, inwiefern dies vom Filmemacher bewusst so inszeniert wurde. Denn «Gone Girl» ist eher mit einer Satire als einem Thriller zu vergleichen. Die Story versucht sich in überraschenden Wendungen, welche sehr voraussehbar sind. Pike’s Darstellung ist perfekt und zielstrebig, fast zu gewollt. Es fehlt an Lockerheit, besonders in jenen Szenen, in denen ihre Figur noch das Prädikat «geheimnisvoll» trägt. Dies stört nicht weiter, denn die wohl entscheidendste Offenbarung des Films ist Ben Affleck. Wurde der Schauspieler in der jüngsten Vergangenheit noch als «guter Regisseur, schlechter Akteur» bezeichnet, stellt dieser Film wohl seinen überraschenden 4. Akt vor: die Rückkehr als Schauspieler. Eine Oscarnominierung als bester Hauptdarsteller wäre - nach dem Erfolg für «Argo» - eine amüsante Ohrfeige für all seine Zweifler. Und er will es mit diesem Film allen zeigen und lässt dafür alle Hüllen fallen. Seine Penisszene erhielt deshalb bereits die erwartete Medienaufmerksamkeit.

 

Bilder aus glücklichen Tagen (Bild 1) & Nick bei der Verhörung (Bild 2).

 

Neben Pike und Affleck sind auch die Nebenrollen gut besetzt mit Tyler Perry als Nicks unvorgenommener Anwalt, Carroe Coon als Nicks treue Schwester Margo und Kim Dickens als clevere Detektivin Boney. Einen Fauxpas holte sich Fincher mit der Besetzung von Desi, Amy’s Jungendliebe. Den reichen, sophistizierten und angeberischen Herrn verkörpert Neil Patrick Harris, bekannt geworden durch die US-Sitcom «How I met your mother». Desi’s Figur erinnert zu stark an Barney, was erneut ein wenig Schmunzeln verursacht und das Publikum dazu bringt «Gone Girl» nicht allzu ernst zu nehmen. Die Kritik an den US-Medien gelingt jedoch einwandfrei, aber nicht derartig beeindruckend wie bei «Nightcrawler“ mit Jake Gyllenhaal, welcher demnächst ins Kino rückt.

 

Die «Gone Girl»-Filmadaption wird zu reden geben. Ob in der Awards Season in Hollywood oder im privaten Freundeskreis der Zuschauer. Wichtig ist aber zu bedenken, dass bereits vor Jahren Filme wie «Der Rosenkrieg» die abnormalen Auswüchse einer vordergründig perfekten Ehe unter die Lupe nahmen. Die Umsetzung ist neu, das Thema nicht.

 

  • Gone Girl (2014)
  • Regie: David Fincher
  • Buch & Drehbuch: Gillian Flynn
  • Besetzung: Ben Affleck, Rosamund Pike, Neil Patrick Harris, Tyler Perry, Kim Dickens, Carroe Coon
  • Laufzeit:  149 Minuten
  • Kinostart: 2. Oktober 2014

 

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Tanja Lipak / Do, 02. Okt 2014