Selbstfindung in einer dystopischen Welt

Movie-Kritk: Divergent
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Im Verleih von Ascot Elite

Nach einem verheerenden Krieg wird Chicago durch eine hohe Mauer von der Aussenwelt abgeschirmt und geschützt. Um den Frieden auch innerhalb der Stadt zu wahren, werden die Bewohner aufgrund ihrer Charaktereigenschaften in fünf Fraktionen aufgeteilt. Altruan sind die Selbstlosen, Candor die Freimütigen, Ken die Wissenden, Amite die Friedfertigen und Ferox die Furchtlosen. Ein Eignungstest, den alle Sechzehnjährigen absolvieren müssen, dient der Entscheidungsfindung. In diesem Alter müssen sich alle definitiv für eine Fraktion entscheiden, unabhängig davon in welche sie hineingeboren wurden. 

 

 Bild 1: Tris steht im Fokus und (Bild 2) Janine Matthews jagt sie verbissen. (Mit Maus über Bild fahren)

 

Beatrice Prior (Shailene Woodley, «The Descendants») erhofft sich von diesem Test Klarheit, denn, obwohl eine Altruan, kann sie sich mit der bescheidenen, selbstlosen Art ihrer Fraktion nicht wirklich identifizieren. Umso erschrockener ist sie, als sie erfährt, dass ihre Testergebnisse nicht eindeutig sind. Sie ist eine Unbestimmte und gehört zu einer Minderheit, die Eigenschaften verschiedener Fraktionen in sich vereinen. Da diese von Ken verfolgt und eliminiert werden, um die Sicherheit zu gewährleisten, muss sie diese Erkenntnis verheimlichen. Bei der Auswahlzeremonie entscheidet sie sich dann zur Überraschung ihrer Eltern für die Ferox, die sie heimlich immer sehr bewundert hat und nennt sich fortan Tris. Doch die harten Aufnahmebedingungen bringen sie an ihre Grenzen. Wer es nicht schafft, ist draussen, kann aber auch nicht zu seiner Fraktion zurück. Ein Leben als Fraktionslose bedeutet ein Leben am Rande der Gesellschaft. Tris steht ein langer, beschwerlicher Weg bevor. Sie muss nicht nur beweisen, dass sie eine Ferox sein kann, sondern auch ihre wahre Identität verbergen. Denn Jeanine Matthews (Kate Winslet, «The Reader»), die Anführerin der Ken, hat bald schon eine fatale Vermutung.

 

«Divergent – Die Bestimmung» ist die langerwartete Verfilmung des gleichnamigen Bestsellerromans von Veronica Roth. Ob der Hype um das Buch und seine zwei Fortsetzungen nun auch auf den Film überschwappt, bleibt jedoch fraglich. Obwohl es dem Regisseur Neil Burger («Limitless») gelingt, das futuristische Chicago des Originals zum Leben zu erwecken und die daraus resultierende Endzeitstimmung glaubhaft rüberzubringen, verliert der Film im Laufe seiner 139 Minuten Spieldauer zusehends an Spannung. Da sind auch die allzu konstruiert und erzwungen wirkenden Actionszenen gegen Schluss nicht sehr hilfreich.

 

 Bild 1: Tris steht vor einer Entscheidung, die ihr Leben im (Bild 2) futuristischen Chicago bestimmen wird. 

 

Dass der Film dennoch funktioniert, ist der Hauptfigur Tris zu verdanken, die trotz der Extremsituation, in der sie sich befindet, sehr natürlich und sympathisch rüberkommt. Das ist vor allem der überzeugenden Leistung von Shailene Woodley zu verdanken. Tris‘ Entwicklung von einem unsicheren Mädchen, zu einer mutigen jungen Frau wird langsam aufgebaut und drückt sich zunächst in ihrer Kleidung und dann in ihrem Verhalten aus. Schnell wird dem Zuschauer klar, dass es sich hierbei um eine Coming-of-Age-Story handelt. Was Tris bei ihrer Ausbildung wirklich lernt, ist nicht wie sie ihre Ängste besiegen soll, sondern wie sie mit ihnen umgehen kann, damit sie von ihnen nicht blockiert wird. In mentalen Tests, denen sie sich unter der Aufsicht ihres Trainers Four (Theo James, «Underworld: Awakening») unterzieht, stellt sie sich ihren Ängsten und lernt dabei sich wie eine echte Ferox zu verhalten. Diese Traumsequenzen sind insofern erwähnenswert, weil sie technisch sehr gut umgesetzt wurden. Von Feuer und Vogelattacken über das Eingeschlossensein in einem Wassertank bis hin zu schwindelerregenden Höhen und engen Räumen; die elementaren Ängste vieler Menschen werden visuell glaubwürdig dargestellt und erzeugen damit ein beklemmendes Gefühl.

 

Erwartungsgemäss wird sich «Divergent – Die Bestimmung» aufgrund einiger Prallelen wohl oder übel dem Vergleich mit «The Hunger Games» stellen müssen, wobei Letzterer dabei weit besser abschneidet. Obwohl in sich ein stimmiger Film, merkt man beim Zusehen leider sehr rasch, dass das Zielpublikum vor allem weibliche Teenies sein sollen. So erscheinen alle Coming-of-Age-Themen viel zu plump und offensichtlich. Wer bin ich? Was möchte ich? Wo ist mein Platz in der Gesellschaft? Diese und ähnliche sehr spannende und universelle Fragen, die im Laufe der Geschichte aufgeworfen werden sowie Tris‘ wachsende Eigenständigkeit, die durch den Entscheid, sich von ihrer Familie loszusagen, um ihren eigenen Weg zu gehen, verdeutlicht wird, hätten etwas mehr Subtilität verdient, um auch ein erwachsenes Publikum anzusprechen. 

 

  • Divergent (USA 2104)
  • Regie: Neil Burger
  • Drehbuch: Evan Daugherty & Vanessa Taylor (Drehbuch), Veronica Roth (Roman)
  • Darsteller: Shailene Woodley, Theo James, Ashley Judd, Kate Winslet, Zoe Kravitz, Maggie Q
  • Laufzeit: 139 Minuten
  • Kinostart: 10. April
Sule Durmazkeser / Do, 10. Apr 2014