Liebesgeschichte mit doppeltem Boden?

Moviekritik: Preparations ...
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© trigon-film.org
Eine Frau trifft einen Mann. So weit, so unspektakulär. Wie sich die beiden Menschen kennenlernen, sehen wir allerdings nicht. Wir folgen der gebürtigen Ungarin Márta, die seit 20 Jahren in den USA lebt und als Neurologin zur Elite ihre Fachs zählt. Sie trifft besagten Mann auf einer Tagung und reist nach einem gemeinsamen Tag Hals über Kopf ins heimatliche Budapest, um ihn zu treffen. Nur erscheint der Mann, János Drexler heisst er, nicht am vereinbarten Treffpunkt. Etwas verloren steht die Frau, die im Leben viel erreicht hat, am Fusse der Freiheitsbrücke. Als sie János zielstrebig ausfindig macht und zur Rede stellt, erkennt der sie nicht. Innerlich irgendwie überzeugt, dass er die Wahrheit sagt, folgt sie trotzdem einem tiefen Instinkt und krempelt ihr Leben komplett um. Márta handelt entgegen jeglicher Vernunft, hört auf ihr Herz und kündigt ihren hochdotierten Job, zieht nach Budapest und bewirbt sich um einen Job als Ärztin, für den sie um Welten überqualifiziert ist. Und sie mietet eine Bruchbude, weil diese den Blick auf die Freiheitsbrücke gewährt. Die Brücke – auf pester Seite – ist Mártas Lieblingsplatz in der Donaustadt. 
 
Tänzchen auf der Strasse und leichte Zweifel
 
Márta fühlt sich zwar scheinbar schnell wohl in Budapest, lässt ihre Wohnung aber ungewöhnlich karg möbliert. Hat sie schlicht keine Zeit dafür oder ist die Leere ein Symbol für ihr Innenleben? Dafür feiert die Ärztin in der Klinik Erfolge mit äusserst schwierigen Operationen und mit der Zeit nähern sich János und Márta tatsächlich schüchtern und fragil an, tänzeln auf der Strasse und lieben sich schliesslich leidenschaftlich. Doch immer wieder tauchen Zweifel auf. Immer wieder ist Janos plötzlich verschwunden. Und wieso taucht er bei einem Event mit einer Frau auf, die er offenbar gut kennt? Spielt er Márta etwas vor, weil er verheiratet ist? Oder findet am Ende Vieles nur im Kopf von Márta statt? 
 
Márta liegt alleine im Bett. (©trigon-films.org)
 
Eine klare Antwort zur Frage nach Fantasie und Realität bleibt die ungarische Regisseurin Lili Horvát in ihrer Liebesgeschichte bewusst schuldig. Das ist ein kluger Kniff, denn es ist gar nicht die Essenz des Films, was genau real ist. Spannender ist der Weg der jungen Ärztin, die ihrem Instinkt zu folgen scheint, aber letztlich wohl eher auf ihr Unterbewusstsein hört und sich für die Heimat entscheidet. Oder sucht sie so verzweifelt nach Liebe und Geborgenheit, dass sie sich in Tagträumen verliert. Ihr dabei zu beobachten, ist packend, weil es gelingt, sich mit ihr zu freuen und mit ihr zu leiden, selbst mit ihr zu zweifeln und sich in manchen Momenten zu fragen, was wäre, wenn man selbst mehr auf die Instinkte hören würde? Interessant ist dabei, dass kaum deutliche Hinweise in den Film eingestreut werden, was denn nun Sache ist. Das dürfte Menschen, die gerne wissen, woran sie sind, etwas vor den Kopf stossen, erlaubt es aber, den Film auch als klar rationale Liebesgeschichte zu sehen. Dies doppelte Ebene ist clever und gekonnt aufgebaut. Lässt man sich auf die filigrane Liebesgeschichte und das Spiel mit den mögichen Ebenen ein, wird man mit einem Film belohnt, der zu denken gibt und länger nachwirkt. 
 
Welche Rolle spielt die Freiheitsbrücke?
 
Natasa Stork spielt die Frau auf der Suche nach Liebe brutal zurückhaltend, oft reicht ein Blick aus ihren stahlblauen Augen, um zu unterstreichen, was sie zu fühlen scheint. Dieses Agieren als Understatement unterstreicht zudem die mysteriöse Komponente um die Figur. Je weniger erklärt wird, desto mehr webt man sich selbst im Kopf zusammen. So entfaltet «Preparations to Be Together for an Unknown Period of Time» eine Faszination, weil der Fokus oft auf der Metaebene liegt, Symbole mehr sagen als Dialoge. Wieso ist beispielsweise die Freiheitsbrücke für Márta so wichtig? Steht sie wortwörtlich für Freiheit oder als Verbindung zwischen den Gemütszuständen? Schliesslich verbindet sie Buda und Pest. Oder steht sie für die feine Linie zwischen Realität und Fantasie? Symbolisiert die Brücke gar die Befreiung von den Erwartungen als Top-Medizinerin in den USA? Ist sie in der Heimat - zwar grösstenteils unterfordert -, aber vielleicht glücklicher? Kommt als Puzzleteil noch dazu, dass die Hauptfigur als Neurologin schon beruflich mit dem Gehirn zu tun hat. Das Drehbuch ist zu sauber, um dies als Zufall zu deuten. 
 
Der Filmszene aus Ungarn gelingt es in den letzten Jahren immer wieder filmische Akzente zu setzen. Die Szene ist bunt und sehr talentiert, was beispielsweise László Nemes mit «Son Of Saul» von 2015 gezeigt hat und dafür mit dem Oscar® für den Besten Fremdsprachigen Film ausgezeichnet wurde. Zudem haben globale Big Player wie Netflix Ungarn entdeckt. So hat der Streaminggigant inzwischen eigene Studios vor den Toren Budapests. Lili Horvát fügt mit «Preparations to Be Together for an Unknown Period of Time» dem ungarischen Filmland ein neues Kapitel hinzu, ein leicht doppeldeutiges, manchmal psychologisches, ruhiges, aber nie ödes Stück Film. 
 

Fasziniert folgt man Márta, getrieben zwischen Neugier und Mitgefühl und versucht zu erkennen, was real ist.

 
  • Preparations to Be Together for an Unknown Period of Time (Ungarn, 2020)
  • Regie: Lili Horvát
  • Drehbuch Lili Horvát
  • Besetzung: Natasa Stork, Viktor Bodó, Benett Vilmányi
  • Laufzeit: 95 Min.
  • Kinostart: 2. September 2021
 
Bäckstage Redaktion / Mi, 01. Sep 2021