Hungriges Geheimnis

DVD-Kritik: Eddie - The Sleepwalking Kannibal
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www.praesens.ch

Der ehemals erfolgreiche und inzwischen inspirationslose dänische Maler Lars übernimmt einen Job als Kunstlehrer in der kanadischen Stadt Koda Lake. Nur langsam findet sich der Neulehrer in der Kleinstadt zurecht. Er gewöhnt sich an den schroffen Sheriff und ist in der Schule bald integriert. Er hofft zwar nicht wirklich darauf, dort Inspiration zu finden, wird aber mit der Nase förmlich darauf gestossen. Eddie, ein traumatisierter Schüler, der nicht spricht, wird zu seinem Mitbewohner. Die Schule ist verpflichtet, sich um Eddie zu kümmern, da seine verstorbene Tante diese Bedingung an ein grosszügiges Erbe geknüpft hat. 

 

So finden sich zwei Einzelgänger. Allerdings hat Eddie ein brutales Geheimnis: er schlafwandelt und wird dabei zum Kannibalen. Lars ist erst geschockt, spürt aber schnell, dass die Blutorgien, die Eddie veranstaltet, ihn inspirieren. Plötzlich kann er wieder malen und verkauft sogar seine Bilder. Allerdings plagt ihn sein schlechtes Gewissen. Darf man für die Kunst Menschen opfern? Müsste er nicht Eddies Treiben stoppen? Und wie weit geht man selbst, wenn der Kannibale den falschen Menschen isst?

 

Auf den Spuren von «Serial Mom»

 

Was nach viel Slapstick tönt, ist bei genauerem Hinsehen eine liebevolle schwarze Komödie, die wohl ein grosses Vorbild hat. «Serial Mom» von John Waters. Zwar tötet bei Waters die perfekte Mutter (Kathleen Turner in ihrer wohl schwärzesten Rolle) selbst, sie geht aber genau wie Lars über Leichen. Der schaltet und waltet nämlich munter nach der «Wer mir nicht passt, wird dem Kannibalen zum Frass vorgeworfen»-Methode und anfangs hat er damit Erfolg. Wie sich aber die Ereignisse bis zum gelungenen Schluss-Twist entwickelt, sorgt für viel bissiges Vergnügen. 

 

Das Debüt von Boris Rodriguez lebt vor allem davon, dass er seinen Film nicht zu ernst nimmt, sondern den komödiantischen Elementen freien Lauf lässt. Durch seine starken Darsteller gewinnt der Film zusätzlich. Dylan Smith («Total Recall» (2012), «300») gibt Eddie mit einer Verletzlichkeit, die der Figur viele Facetten verleiht und ihr Mitleid einbringt, während Thure Lindhardt («Into The Wild», «Angels & Demons») den opportunistischen Maler mit viel Leidenschaft so spielt, dass man mehrfach den Kopf schüttelt. Dass die Szenerie in schönster «Fargo»-Manier in der tiefverschneiten ländlichen Region Nordamerikas spielt, gibt dem Film eine zusätzliche makabere Zutat. 

 

Alles in allem eine morbide Komödie, die die moralische Frage stellt: Darf man einen Kannibalen ausnutzen? Diebisch viel Spass und ist auch für Nicht-Horrorfans durchaus sehenswert.

 

  • Eddie - The Sleepwalking Kannibal (USA, 2012)
  • Regie: Boris Rodriquez
  • Drehbuch: Alex Epstein, Jonathan Rannells, Boris Rodriquez
  • Darsteller: Dylan Smith, Thure Lindhardt
  • Länge: 87 Minuten
  • DVD-Start: 9. August  

 

 

Patrick Holenstein / Mo, 20. Aug 2012