Heulende Männer und Wölfe im Walde

Filmkritik: Trapped
Trapped
Bildquelle: 
www.rialto.ch

Greg (Oliver Walker) und Michael (David Osmond) sind seit Kindertagen eng miteinander befreundet. Um ihre Diplomarbeit über Wölfe zu schreiben, begeben sich die beiden Zoologie-Studenten in unberührte Natur. Dort stellen sie jedoch bald fest, dass sie nicht alleine sind.

 

Der Werbefilmer Philippe Weibel füllt mit «Trapped» endlich eine grosse Lücke in der Schweizer Filmlandschaft. Nach traurigen Bergmythen und familientauglichen Komödien kommt endlich ein Schweizer Film in die Kinos, der sich die Swissness mit Kühen und Bergen gar nicht ansehen lässt. Und das ist gut so. Statt wie viele Schweizer Filmemacher die Schweiz in den Mittelpunkt zu stellen, um dann von der Filmförderung Gelder zu erhalten, geht Weibel den umgekehrten Weg. Für den Film wurde ein Kostendach von CHF 90‘000 festgelegt, welches Weibel im «worst case» selber aufbringen wollte.

 

Bild 1: Die beiden Freunde Greg und Michael im Wald und (Bild 2) in der unberührten Natur. (Mit Maus über Bild fahren) 

 

Frei von Finanzierungsstützen seitens des Bundes und somit frei was die Geschichte anbelangt. Oder fast. Mit diesem bewussten Low-Budget setzte sich Weibels Team  nämlich Grenzen. Teure Requisiten und Plätze kamen nicht in Frage. Was blieb, war der Wald, der sich schon in Filmen wie «The Blair Witch Project» als kostengünstiges Set erwies. 20 Drehtagen konnte Weibel nutzen, um drei Schauspieler und fünf Crewmitglieder in den Wald zu setzen und zu inszenieren. Aus all diesen Faktoren entstand schliesslich ein zeitloses Märchen über Freundschaft, welches genauso gut in den Vereinigten Staaten, Deutschland oder sonst wo auf der Welt hätte entstehen können.

 

Die Marke Schweiz zu verlassen sah Weibel hier als Chance und nicht als Risiko. Sein Zielpublikum ist dank der universellen Geschichte über eine Männerfreundschaft global geworden. Die Darsteller reden deswegen nicht nur Englisch, sondern stammen gar aus dem Vereinigten Königreich. Die beiden noch unbekannten Theaterdarsteller Oliver Walker und David Osmond wurden beim Vorsprechen zusammen eingeteilt und erhielten aufgrund ihrer Chemie die Rollen. Diese Chemie ist sehr wichtig, da die Bromance  im Mittelpunkt der Geschichte steht und durch das Auftauchen einer dritten Person auf die Probe gestellt wird. Aus dieser minimalen Handlung holte Weibel das Grösstmögliche hervor, indem er die Schauspieler, wann immer möglich, improvisieren liess.

 

Unerwartete Tiefe bei den Charakteren

 

Dort wo wichtige Wendungen in der Geschichte vorgesehen waren, hielt man sich enger an das Skript und bei anderen Szenen liess Weibel den jungen Darstellern Freiraum. Dadurch konnten sie ihre Chemie ausbauen und stark zur Glaubwürdigkeit der Geschichte beitragen. Obwohl die beiden Männer auf den ersten Blick gängige Stereotypen interpretieren (Greg, das Alpha-Männchen mit grossen Frauenverschleiss, schläft im «Superman»-Shirt und bevorzugt üppige Brüste, während Michael, der sensible Bücherwurm, in seinem «Super Mario»-T-Shirt nächtigt und Sommersprossen bei Frauen «süss» findet), entwickeln beide Charaktere durch unerwartete Handlungen neue Tiefen, welche die Schauspieler überzeugend darstellen. Die Spannung zwischen ihnen wächst linear mit der Spannung der Story, ruft so permanenten Nervenkitzel hervor und fesselt intelligenter als viele andere Horrorgeschichten im Walde.

 

Bild 1: Wer ist die junge Frau? Bild 2: Noch ist die Ruhe des Waldes intakt.

 

Die vierte Figur in der Geschichte, der magische Wald, ist ein echter Schweizer. Die Dreharbeiten fanden nämlich in Flims, Graubünden, statt. Diese und andere Begebenheiten erfährt man durch die eigens für die Finanzierung erstellte Webseite (http://trapped-movie.com/), welche die Entstehung von «Trapped» dokumentierte. Auch hier begab sich Weibel auf einen neuen Pfad. Die mehrheitliche Finanzierung des Filmes erfolgte durch das sogenannte Crowdfunding, bei welchem jeder finanziell mitmachen konnte, der bereit war, sich mit Beiträgen von 5 bis 200 Euro am Projekt zu beteiligen. Um das Interesse für viele potentielle Unterstützer zu schaffen, wurde die genannte Homepage aufgeschaltet und es wurden laufend Beiträge zum aktuellen Stand der Produktion veröffentlicht. Zudem konnte mit der Filmcrew laufend per Website und sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook kommuniziert werden. Dadurch entstand eine eigene «Trapped»-Community, welche ebenfalls ein Novum in der Schweizer Filmlandschaft darstellt.

 

Bild 1: Erste misstrauische Blicke fallen und (Bild 2) die Jungs machen sich so ihre Gedanken. 

 

Trotz oder gerade wegen den etwas besonderen Produktionsbedingungen überzeugt der Film auch inhaltlich durchwegs. Dies ist insbesondere den beiden Hauptdarstellern zu verdanken, deren Spielfreudigkeit einen mitreisst. Sie stehen in den 90 Minuten im Mittelpunkt und faszinieren jede Sekunde, sei es bei Tag, in der Nacht, im Regen oder bei Sonnenschein. Es ist erstaunlich, wie hervorragende Aufnahmen gedreht werden konnten, wenn man bedenkt, dass nur mit Lagerfeuer oder Taschenlampen beleuchtet wurde und Baumstrunke oder Steine als Stativ dienten. Einzig die Bildsprache und Komposition erinnert noch an Weibels Background als Werbefilmer. Daran gewöhnt man sich aber relativ schnell.

 

«Trapped» beweisst, dass gute Filme nicht von Finanzierungsgrössen, sondern insbesondere von einem motivierten und kreativen Team abhängen. Schweizer Filmschaffenden sollte daher folgende Frage gestellt werden: «Finanziert ihr noch oder dreht ihr schon?».

 

  • Trapped (CH 2012)
  • Regie: Philippe Weibel
  • Drehbuch: Philippe Weibel
  • Besetzung: Oliver Walker, David Osmond, Sai Bennett
  • Laufzeit: 92 Minuten
  • Kinostart: 31. Mai 2012

 

Tanja Lipak / Do, 31. Mai 2012