Eine Auftragsmörderin im alten China

Movie-Kritik: The Assassin
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Der neuste Film vom taiwanischen Regisseur Hou Hsiao-Hsien handelt von der Auftragsmörderin Nie Yinniang (Shu Qi) im China des achten Jahrhunderts. Nachdem sie, entgegen dem Willen ihrer Meisterin, eine Mission aus Barmherzigkeit nicht durchführt, muss sie ihre Loyalität unter Beweis stellen. Ihr neuer Auftrag lautet, das Oberhaupt der nördlichen Provinz Weibo zu töten. Dieser Anführer (Chang Chen) ist aber auch ihr Cousin und ehemaliger Verlobter. Erneut ringt sie mit moralischen Fragen.

 

Szenenbild. (© Filmcoopi) 

 

Für den Film wurde Hsiao-Hsien in Cannes mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet. Diese prestigeträchtige Ehre verdankt der Regisseur zweifellos der ungewöhnlichen Art seiner Technik zur Erzählung der Geschichte und den atemberaubend schönen Aufnahmen. Diese Aufnahmen sind oft minutenlange Einstellungen, die sich nur wenig verändern, und in denen sich oft nur ein Vorhang im Wind bewegt oder etwas Nebel durch das Bild zieht. Oft passen die Aufnahmen zur jeweiligen Situation im Film, oft sind sie aber auch schlichtweg langweilig, da sie weder zur Geschichte noch zur Charakterisierung der Figuren beitragen. Wer also einen unterhaltsamen Martial-Arts-Film im Stil von «Crouching Tiger, Hidden Dragon» erwartet, wird wohl enttäuscht.

 

Die ungewöhnliche Erzähltechnik erschwert zudem den Zugang zum Inhalt: Es gibt im gesamten Film nur sehr sparsam Dialog, wodurch man lange gar nicht verstehen kann, wie die Figuren zueinander stehen oder was in einer Szene gerade passiert. Ausserdem wird die Unentschlossenheit der Hauptfigur der Mörderin nie gezeigt. Sie tritt stets sehr entschlossen auf und scheint von ihren Handlungen überzeugt. Das passt hingegen nicht zum Thema, dass sie den ganzen Film über offenbar mit ihrem Gewissen ringt und sich nicht zu einem Entschluss bringen kann. Viele Dinge werden nicht erklärt oder besprochen, sondern scheinen vorausgesetzt zu sein. Wenn man ahnungslos ins Kino geht, wird man lediglich verwirrt.

 

Szenenbild. (© Filmcoopi) 

 

Hinzu kommt, dass der Film trotz seiner Einteilung in das Genre des Martial-Arts-Films nicht viel Kampfkunst enthält. Die wenigen und kurzen Kampfszenen sind besser umgesetzt als in manchem Blockbuster und überzeugen visuell wie der Rest des Films, aber jede dieser Szenen verläuft unerklärlicherweise auf dieselbe Art: Ein kurzer Schlagabtausch, gefolgt von einer langen Stille. Danach gehen die beiden Kämpfenden auseinander, ohne dass eine sichtbare Lösung zum Konflikt gefunden worden ist. Eine dieser frustrierenden Szenen geschieht zwischen der Hauptfigur und einer geheimnisvollen Frau, die sich zuvor im Hintergrund hält. Nach einem kurzen Schlagabtausch mit der Hauptfigur in einem Wald verschwindet aber auch sie und es wird weder ihre Identität erklärt, noch ist eine Konsequenz aus dem Kampf erkennbar.

 

Die Wahl der Art der filmischen Erzählung scheint zwar nicht willkürlich zu sein, es macht sie aber dadurch nicht weniger ärgerlich. Man kann sich mit keiner Figur richtig identifiziert und somit liegt einem das Schicksal der Charaktere nicht am Herzen. Man muss aber die schauspielerischen Leistungen loben, die trotz einer leichten Tendenz zur Übertreibung allesamt überzeugend sind. Tatsächlich fühlt man sich vor allem auch dank Musik und Kostümen in eine andere Zeit versetzt.

 

Formal überzeugt der Film mit schönen Bildern und edlen Kostümen. Leider kann der Inhalt nicht faszinieren.

 

  • The Assassin (TW/HK 2015)
  • Regie: Hsiao-Hsien Hou
  • Mit Qi Shu
  • Laufzeit: 105 Min
  • Kinostart: 9. Juni 2016

 

Jonas Stetter / Sa, 11. Jun 2016